Sandra Wagner hat den Tod ihrer Zwillinge beim Schreiben verarbeitet und möchte anderen Mut machen, an Wunder zu glauben.
Für Sandra Wagner gibt es ein Leben vor und nach dem 28. August 2010. An diesem Tag, genau um 18.35 Uhr beginnt ihre neue Zeitrechnung: Ihre Zwillinge Romy und Lenny werden geboren und versterben nur wenige Stunden später auf der Intensivstation.
Die Gedanken, die ihr im Aufwachraum nach dem Notkaiserschnitt durch den Kopf schießen, bilden den berührenden Einstieg ihres über 450 Seiten starken Buches, das sie jetzt veröffentlicht hat. "Wenn aus Trauer Liebe wird" heißt es und nimmt seine Leser mit auf eine Achterbahn der Gefühle. Es ist ihre ausdrucksstarke und bildhafte Sprache, die Schmerz, Wut und Leid spürbar macht.
Dass am Ende alles gut ist und die mittlerweile 39-jährige Mutter zweier Mädchen von Wundern, Hoffnung und ganz viel Liebe erzählt, hat die Kraft, Trauernde mit dem Schicksal zu versöhnen, einen neuen Blickwinkel aufs Leben zuzulassen.
Notkaiserschnitt in der 23. SSW
Doch der Reihe nach: Als in der 23. Schwangerschaftswoche Wehen bei Sandra Wagner einsetzen, scheint ihre bis dahin perfekte Welt zusammenzubrechen. Sie kämpft bis zur Vollnarkose des Notkaiserschnitts ums Überleben ihrer Babys. Stunden später wird sie im Krankenbett über den Flur in ein Zimmer gerollt, in dem sie sich von ihren toten, in Decken gewickelten Kindern verabschieden soll.
Sandra Wagner beschreibt detailliert und bis an die Grenzen des Erträglichen die Momente tiefster Verzweiflung, ihren ganz persönlichen Albtraum. Es ist ihr Mann Marco, der sie am Leben hält. "Ich habe nur noch eine große Leere gespürt", erinnert sie sich. Sie habe sich zurückgezogen, wollte allein sein. "Ich hatte keine Kraft, mich auf andere einzulassen." Das sei sehr schwierig für ihr Umfeld gewesen, weiß sie heute. "Ich konnte mich nicht in andere Arme fallen lassen, wollte mich auch nicht ablenken lassen - nur trauern." Marco war ihr stiller Fels. Er sei mit ihr in die Tiefen gegangen und habe sie wieder "ganz" werden lassen.
"Irgendwann habe ich gespürt, dass es nicht vorbei ist. Lenny und Romy haben zu mir gesprochen", sagt sie, und es klingt ganz selbstverständlich. Dabei macht Sandra Wagner einen reflektierten und bodenständigen Eindruck. Und natürlich habe sie sich gefragt: "Bin ich verrückt?" Sie hat sich belesen und Menschen mit Nahtoderfahrungen gesprochen. Heute weiß sie: "Die Trauer hat alles verrückt, alles an einen anderen Platz. Mein Leben auf den Kopf gestellt." Sie sei von ihrem bisherigen Controlling-Leben ins Glauben und Vertrauen gesprungen.
Zurück ins Leben
Damals und heute ist es für sie ein großer Trost, zu wissen, dass sie eine Verbindung zu ihren Kindern hat. "Glauben kann man nicht beweisen. Ich bin dadurch wieder ins Leben gekommen, aus dem Schmerz der Trauer heraus."