"Wir sind bereit, den Flüchtlingen zu helfen." - Diese klare Aussage wurde am Ende einer Veranstaltung des Seniorenkreises Frankenwald innerhalb der "Eisenb...
"Wir sind bereit, den Flüchtlingen zu helfen." - Diese klare Aussage wurde am Ende einer Veranstaltung des Seniorenkreises Frankenwald innerhalb der "Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft" EVG im Stockheimer Sportheim von allen mitgetragen.
Jeder der Nachrichten hört, spüre, dass derzeit etwas nicht richtig funktioniere. Doch: Was ist wirklich los mit Europa? Dieser Frage und dem Zusammenhang mit der Flüchtlingsdiskussion stellten sich die Senioren der EVG. Manches werde durch die Flüchtlingskrise erst richtig sichtbar, erläuterte Europawissenschaftler Carlo Stauch, der zu Gast war.
Weltweit seien derzeit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Eine Million davon kam im vergangenen Jahr in Deutschland an. Im Libanon lebten eine Million Flüchtlinge - allerdings bei nur vier Millionen Einwohnern, machte der Referent klar. Mittlerweile schlossen die europäischen Länder von sich aus ihre Grenzen.
"Charakterlos und erbärmlich" bezeichnete ein Versammlungsteilnehmer die Verhandlungen von Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan. Durch internationales Recht sei Deutschland verpflichtet, politisch Verfolgten Schutz zu gewähren.
Für Deutschland sei das Dublin-Verfahren eine bequeme Lösung gewesen. Es wäre zwar keine Lösung gewesen, die Menschen in Griechenland verhungern zu lassen, andererseits wurden so weitere Flüchtlinge nach Deutschland gelockt. Natürlich hätte man von Anfang an Unterstützung nach Griechenland oder Italien schicken können. Die allermeisten Asylbewerber kommen ohne Papiere nach Deutschland.
Ein Gewerkschafter fragte: "Warum nutzen wir die Chance nicht - angesichts des demografischen Wandels - und integrieren die Flüchtlinge?" Viel schneller müssten diese in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft aufgenommen werden.
Auch Stauch sah die Chance, zumindest einen Teil der oft jungen Leute in der Gesellschaft aufzunehmen und einzubinden. Die Verteilung aus Aufnahmelagern müsse schneller gehen, die deutsche Sprache müsse schneller vermittelt, die Gesetze schneller vollzogen werden. Und: Die Kosten müssten zum allergrößten Teil vom Bund getragen werden.
Die neuen Grenzzäune machen Stauch Angst. Es werde nicht lange dauern, bis Mauern entstehen, sagte er. Und wenn es jetzt wieder wärmer wird, dann werde das Flüchtlingsproblem auch wieder stärker. Die wesentlichen Veränderungen der europäischen Geschichte seien immer durch Völkerwanderungen geprägt gewesen.
Auch der Klimawandel mit steigendem Meeresspiegel werde für Flüchtlingsströme sorgen.
"Was wir gerade erleben, ist nur der Anfang", warnte Stauch. Mit dem Schließen der Grenzen werde das Flüchtlingsproblem nicht gelöst. Auch der Zaun an der mazedonischen Grenze werde nicht dauerhaft halten. Einzige Möglichkeit, die Wanderungsbewegung halbwegs in Griff zu bekommen, sei, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Dazu müsse beispielsweise unsere Landwirtschaftspolitik verändert werden, die afrikanischen Bauern die Existenz raube. "Wir müssen dafür sorgen, dass so wenig Menschen wie möglich den Drang haben, ihrem eigenen Land zu entfliehen."
rg