Blick in den Abgrund menschlicher Perversion: Wie die elfjährige Rosa Völker aus Bad Rodach 1919 ermordet wurde. Vorsicht: Der Text enthält grausame Passagen aus archivierten Zeitungsartikeln.
Wer den Bad Rodacher Friedhof von der Hildburghäuser Straße aus betritt, vergisst gleich hinter der roten Backsteinmauer die Welt von heute, den Verkehr, die Hast. Die letzten Ruhestätten aus vergangenen Jahrhunderten liegen verstreut, teils verwildert. Allzu viele gibt es nicht mehr. Friedhöfe sind immer auch Schicksalsorte. Und so friedlich es meist scheint, so grausam können doch die Geschichten sein, die sich darum ranken.
Der Blick fällt auf einen schmalen, hohen Grabstein, der allein auf der Wiese steht. Ein Mädchenbild, steinern bekränzt, ziert den hellen Stein. Darunter steht auf schwarzem Marmor: "Hier ruht unsere so jäh von uns gerissene Tochter Rosa Völker, geb. 6. Mai 1908, gest. 19. April 1919." Wer war diese Rosa Völker? Warum steht ihr Grabstein wie ein Denkmal so frei? Ich gehe einmal um den Stein herum und entdecke auf der Rückseite jenen Satz, der mich auf die Spur eines Verbrechen führen wird, das die hässlichen Abgründe menschlicher Perversion offenbart: "In der Blüte Deines Lebens stiess Dich rohe Mörderhand in ein zu frühes Grab..."
Was war geschehen?
Die Tageblatt-Ausgaben jener Tage lassen uns schnell fündig werden. Unter der Rubrik "Thüringen und Nachbarstaaten" sind die Meldungen aus Coburg und Umgebung aufgelistet. Ohne Überschrift, zwischen der neu festgelegten Polizeistunde und der Mitteilung, dass die Post keine größeren Korbwaren annehmen kann, finde ich am 22. April 1919 folgende Nachricht: "Ein furchtbares Verbrechen, dessen Opfer ein unschuldiges Kind ist, wurde am Osterheiligabend im Walde bei Rodach, unweit der Straße nach Heldburg verübt. Dort wurde der Arbeiter Völker beschäftigt, dem gegen Mittag sein elfjähriges Töchterchen Rosa das Essen zutrug. Seitdem blieb das Kind verschwunden. Es war, wie sich später herausstellte, von einem fremden Mann angelockt und in bestialischer Weise ermordet worden.
Nach längerem Nachsuchen fand man im Walde an einem Strauche hängend die Eingeweide des Kindes und unter Laub und Streu versteckt, Kopf, Knochen und Gliedmaßen, während größere Fleischstücke fehlten... Mit welch unglaublicher Bestialität der Rohling das Verbrechen beging, geht daraus hervor, dass er in Rodach einen Teil des Menschenfleisches als Hammelfleisch anbot und verkaufte."
Nichts für schwache Nerven
Aus dem Text geht hervor, dass der Mörder kurze Zeit nach der Tat gefasst werden konnte. Es ist die Rede von Oskar Lichtenburg aus Alsleben bei Königshofen. In seinem Geständnis gab er an, das Mädchen, das er "unsittlich gebrauchen wollte", zunächst mit einem Schlag auf den Kopf betäubt und ihm anschließend die Kehle aufgeschlitzt habe. Er ließ die Tote erst einmal liegen. Die Fleischstücke schnitt er später heraus. "Ein halbes Pfund des Fleisches will der furchtbare Mensch roh gegessen haben", heißt es in der Zeitung.
Nach seiner Verhaftung gab der Mann zu, wenige Tage zuvor bereits zwei Mädchen bei Hildburghausen überfallen und ausgeraubt zu haben.
Todesstrafe und Zuchthaus
Das Urteil vor dem Schwurgericht in Meiningen lautete auf Todesstrafe und 15 Jahre Zuchthaus für seine anderen Verbrechen. Gutachter bestätigten, dass der Täter den Mord bei völligem Bewusstsein begangen habe. Er sei voll verantwortlich, auch wenn er "moralisch und geistig verkommen sei". Kurioserweise ist in dem Bericht über den Prozess bezüglich des Mörders von einem Schlosser namens Hugo Schreppel aus Rentwertshausen die Rede. Es handelt sich offensichtlich um die gleiche Person, die in Rodach festgenommen wurde. Wie es jedoch zu den verschiedenen Namen in der Berichterstattung gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.