Das Amtsgericht Haßfurt befasst sich mit dem Einspruch einer Mutter gegen einen Bußgeldbescheid, den sie erhielt, weil ihre Tochter bei einem Weinfest sturzbetrunken auf dem Boden im eigenen Erbrochenen lag. Hat die Frau gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen?
Der fürchterliche Anblick ist der Alptraum aller Eltern: Beim Zeiler Weinfest 2016 liegt gegen 23 Uhr ein jugendliches Mädchen sturzbetrunken sowie hilf- und besinnungslos auf dem Boden, inmitten ihres eigenen Erbrochenen! Den Helfern des Roten Kreuzes hat die damals 15-jährige Schülerin zu verdanken, dass sie bei der bösen Sache keine gravierenden Schäden davonträgt. Für die ebenfalls anwesenden Polizeibeamten ist sofort klar, dass dieses Desaster nur passieren konnte, weil irgendjemand sich nicht um die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes geschert hat.
Nachdem die zuständige Stelle am Landratsamt umfangreiche Anhörungen bei allen damals Beteiligten durchgeführt hat, verhängte sie einen Bußgeldbescheid über 150 Euro - gegen die Mutter des Mädchens! Dagegen erhob diese mit Hilfe ihres Rechtsanwalts Tilman Fischer Einspruch, weil sie, wie dieser erläuterte, diesen Vorwurf "nicht auf sich sitzen lassen" will. Deswegen kam es nun zu einer öffentlichen Hauptverhandlung, in der geklärt werden muss, ob die Frau tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen hat.
Zu ihrer Verteidigung führt sie vor allem an, dass sie ihre Tochter nur in Begleitung eines damals 20-Jährigen zu der Großveranstaltung gelassen habe, wobei sie diesem angeblich eingeschärft habe, auf ihr Kind aufzupassen und pünktlich um 22 Uhr wieder zurück zu sein.
Die Tochter, die eine berufliche Ausbildung absolviert, bestätigt im Zeugenstand diese Angaben ihrer Mutter in vollem Umfang, gibt aber zu, "drei Cola-Weizen und zwischendurch vom Weinschorle des Begleiters" getrunken zu haben.
Der Begleiter winkt ab
Der sie damals begleitende junge Mann, ebenfalls als Zeuge vernommen, streitet die Version von Mutter und Tochter ab: In keiner Weise habe er die Verantwortung als "erziehungsbeauftragte Person" übernommen, wie es das Amtsdeutsch etwas kryptisch formuliert.
Als solche "Erziehungsbeauftragte" können Eltern eine andere volljährige Person einsetzen, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Diese Person übernimmt dann zeitweise Erziehungsaufgaben wie die Betreuung, Begleitung und Beaufsichtigung des Kindes, was zur Folge hat, dass beispielsweise gesetzliche Altersgrenzen für Discobesuche aufgehoben sind. Für die "Beauftragten" ist damit ein hohes Maß an Verantwortung verbunden, denn sie müssen dafür sorgen, dass sich ein ihnen anvertrauter Minderjähriger nicht betrinkt und zuverlässig und pünktlich nach Hause kommt. Eltern sollten sich also gut überlegen, wem sie vertrauen und demzufolge einen solchen "Auftrag" auch zutrauen.
"Mutti-Zettel" als Tipp
Die Erziehungsbeauftragung muss zwar nicht schriftlich vorliegen, aber wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nur mündlich getroffen wurde, ist sie kaum nachweisbar. Und hier kommt der "Mutti-Zettel" ins Spiel. Gemeint ist damit ein vertragsähnliches Formular, in dem die Eltern und die beauftragte Person den konkreten inhaltlichen und zeitlichen Umfang der übertragenen Erziehungsaufgaben festlegen und mit ihrer Unterschrift bestätigen. Eva Pfeil von der Kommunalen Jugendarbeit rät dringend, den "Mutti-Zettel " zu nutzen und die Verpflichtungen klar zu beschreiben. Nur so seien die Eltern auf der sicheren Seite. Beim verhandelten Fall fehlte eine solche Vereinbarung.
Amtsrichter Sebastian Jäpel wies darauf hin, dass das Mädchen, auf gut Deutsch gesagt, "sturzbesoffen" war. Rund 1,2 Promille hatte sie intus. Der 150-Euro-Bußgeldbescheid sei keinesfalls "exorbitant" - zumal laut Gesetz ein Bußgeld bis zu 50 000 Euro verhängt werden könne. Er stellte anheim, den Einspruch zurückzunehmen.
"Am besten selber mitgehen!"
Nach kurzer Beratung mit ihrem Anwalt lehnte dies die Mutter als Beklagte ab, und ihr Anwalt fügte hinzu, dass seine Mandantin neben der Beauftragung des jungen Mannes ab 21.30 Uhr mehrfach versucht habe, ihre Tochter und deren Begleiter telefonisch zu erreichen. Auf seine eher rhetorische Frage, was die Frau sonst noch hätte machen können, antwortete der Vorsitzende trocken: "Am besten selber mitgehen!"
Um die damaligen näheren Umstände aufzuklären, beantragte Kristina Wolff als zuständige Abteilungsleiterin vom Landratsamt Haßberge, dass weitere Jugendliche, die damals in der Clique waren, als Zeugen aussagen. Deshalb brach Amtsrichter Jäpel die Verhandlung ab und beraumte einen öffentlichen Fortsetzungstermin für Mittwoch, 2. Mai, im Sitzungssaal Nummer zwei im neuen Gerichtsgebäude in Haßfurt an.