"Ich mach' mich nicht so wichtig"

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Im Training wie vor dem Spiel steht Stefan Weissenböck (rechts) den Spielern als Ansprechpartner zur Verfügung. Hier redet der Österreicher mit Center Assem Marei. Foto: Daniel Löb
Im Training wie vor dem Spiel steht Stefan Weissenböck (rechts) den Spielern als Ansprechpartner zur Verfügung. Hier redet der Österreicher mit Center Assem Marei.  Foto: Daniel Löb

Mit Stefan Weissenböck verfügt der Bundesligist Brose Bamberg über einen international begehrten Individualtrainer. Was den 46-jährigen Österreicher ausmacht, warum er in Bamberg bleibt und nicht zu einem NBA-Klub wechselt, sagt der Skills-Coach im Gespräch.

S tefan Weissenböck steht selten im Rampenlicht. In der vergangenen Saison schlüpfte er bei Brose Bamberg einmal in die Headcoach-Rolle, als Federico Perego für ein Spiel gesperrt war. Ansonsten sorgt er beim Basketball-Bundesligisten als Chef für Spielerentwicklung dafür, dass sich die Spieler individuell verbessern - egal ob jung oder alt. Im Sommer kommen Profis verschiedener Nationen zu seinen Skills-Camps oder der 46-jährige Österreicher fliegt nach New York, um mit den NBA-Profis der Brooklyn Nets zu arbeiten. Für den tschechischen Basketball-Verband ist er ebenfalls aktiv und bildet dort Jugendliche und Trainer aus. Wir sprachen mit Weissenböck über seinen Job, der ihn schon weit gebracht hat. In den USA wird Ihr Job als Shooting-Doctor bezeichnet. Gefällt Ihnen der Begriff, Dr. Weissenböck - der Trainer, dem die Spieler vertrauen?

Stefan Weissenböck: Nein, der Begriff gefällt mir nicht. Skills-Coach oder Development-Coach, vielleicht noch Shooting-Coach, doch den Begriff Doctor mag ich nicht. Es gibt Trainer, die sich so bezeichnen.

Wie kamen Sie zu der Rolle als Shooting-Coach?

Für das Technische und Individuelle habe ich mich schon immer interessiert. Schon in Nürnberg, als ich durch mein schnelles gesundheitliches Aus als Spieler ins Coachen reingerutscht bin, hat mir das immer am meisten Spaß gemacht, Leuten etwas beizubringen, vor allem von der technischen Seite. Das hat sich so entwickelt, das war nicht meine Idee. Das ist so passiert und wurde zu meiner Leidenschaft. Wolfgang Heyder hat mich dann - noch unter Trainer Dirk Bauermann - nach Bamberg geholt. Ich habe die Gruppe der Top-Talente übernommen und diese hauptverantwortlich betreut. Da waren schon ein paar gute Jungs dabei. Manche rennen immer noch in der Bundesliga herum. Als Nürnberg die Kooperation aufgekündigt hat, wurde ich von Chris Fleming ganz für Bamberg beansprucht. Sie haben die Trainerlizenz A im DBB und bei der Fiba das Trainerzertifikat erworben. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, selbst als Headcoach zu arbeiten? Spieler aus- und einwechseln - den Gameplan bestimmen und mit Schiris diskutieren?

Das mit dem Fiba-Europe-Coaching-Certificate wurde 2007 von der Fiba ins Leben gerufen. In dieses dreijährige Ausbildungsprogramm bin ich so reingerutscht, das hat genau gepasst, da es auf Spielerausbildung ausgerichtet war. Das Pech, das ich als Spieler gesundheitlich hatte, hat sich als Trainer umgedreht. Das NBBL-Team in Nürnberg zu coachen, hat mir sehr viel Freude gemacht. Ich bin nicht abgeneigt, als Headcoach zu arbeiten, glaube auch, dass ich das gut kann, doch das individuelle Coachen - glaube ich - kann ich noch besser. Meine Leidenschaft dafür ist einfach größer. Das hat mich immerhin bis in die NBA geführt.

Sie arbeiten mit NBA-Spielern wie dem Tschechen Tomas Satoransky, dem Österreicher Jakob Pöltl, Daniel Theis, mit Nationalspielern wie Karsten Tadda, Andreas Obst an deren Wurf. Man sollte meinen, dass Spieler auf einem solchen Niveau werfen können. Was verbessern Sie bei Ihnen?

Jeder ist anders. Ganz grob gesagt, der eine hat Probleme mit der Hand am Ball, der andere ist etwas instabil von den Füßen aus. Jeder hat ein anderes Konstrukt, wie er als Mensch gebaut ist. Ist er lang und dünn oder kurz und stark? Wie generiert er seine Energie? Mehr aus dem Arm oder aus den Beinen? Das muss man einmal verstehen. Da habe ich mir über die Jahre von vielen anderen Trainern viel abgeschaut. Ich behaupte nicht, ich weiß, wie's geht und ich bin der Gescheiteste. Ich eigne mir immer wieder neue Sachen an. Man kann vom Allerältesten und vom Allerjüngsten noch etwas lernen. Das Spiel verändert sich, die Spieler verändern sich und ich muss mich auch verändern.

Sie sind beliebt bei den Spielern. Was macht Sie aus?

Ich denke, die Spieler merken, dass ich mich nicht zu wichtig mache. Ich habe nie den Anspruch, dem Spieler zu sagen, so ist es, du kannst das nicht und ich erklär' dir, wie's geht. Der Spieler steht für mich im Mittelpunkt und nicht ich - mehr ist es nicht.

Spieler kommen auch wegen Weissenböck nach Bamberg, zuletzt Christian Sengfelder. Macht Sie das stolz?

Ja - auf jeden Fall. Das ist natürlich für uns gut, für den Klub, weil es beim Rekrutieren hilft. Das ist das Höchste, was man erwarten kann. Es ist schön, wenn über mich ein Artikel geschrieben wird, aber wenn das die Spieler sagen, ist das echter, denn die erleben ja tagtäglich, wie die Arbeit ist. Wenn keiner zuschaut und es lief am Tag zuvor im Spiel schlecht, dann ist es wichtig. Wenn einer 30 Punkte macht und alles trifft, kann ich leicht der Coach sein. Aber wenn einer nicht, wenig oder schlecht spielt, dann muss ich für ihn da sein und einen Weg finden, wie's weitergeht. Ich glaube, das spüren die Spieler. Ich sehe es als meine Verpflichtung, dass ich nicht nur auch, sondern vor allem für die Spieler da bin, wenn's nicht so läuft. Klar habe ich nicht jedesmal die Zeit, über den Onkel, die Oma oder die Freundin zu reden, aber ich möchte zumindest wissen, woher er kommt, ob er Brüder hat oder Schwestern und wohin er fährt, wenn die Saison vorbei ist.

Wenn Sie Spieler wie Brad Wanamaker und Daniel Theis bei den Boston Celtics oder Nicolo Melli bei New Orleans beobachten, die Sie über den grünen Klee loben, was denken Sie dabei? Den Move habe ich ihm beigebracht?

Mit Melli habe ich geschrieben, bevor er mit New Orleans gegen Brooklyn gespielt hat. Ich habe ihm gewünscht, dass er 30 Punkte macht, aber Brooklyn gewinnt. In dem Spiel hat er aber gar nicht gespielt. Ich würde mir aber nicht anmaßen zu sagen, dafür bin ich verantwortlich. Man kann sagen, als er damals in Bamberg war, hat er das und das verbessert und ich habe ihm dabei geholfen. Sind wir ehrlich, wenn's an mir liegen würde, ich der Supermaster wäre, würde ich ja alle gut machen. Bei einem funktioniert's und beim anderen nicht. Am Ende wirft der Spieler den Ball rein oder verbessert seine linke Hand, nicht ich. Ich bemühe mich auch bei den Spielern, bei denen es nicht klappt. Da bringe ich meine Leistung genauso und arbeite nicht schlechter. Deshalb mag ich es nicht, wenn Coaches sagen, den Spieler habe ich gemacht.

Wenn das Team verliert, aber der Spieler, mit dem Sie trainiert haben, hat das und das gut gemacht, sind Sie dann zufrieden?

Natürlich will ich, dass wir als Team erfolgreich sind. Was meine Arbeit betrifft, ist es stets das Gleiche. Es gibt immer etwas, was bei einem Spieler gut gelaufen ist und was schlecht war. Es ist nie so oder so, immer etwas dazwischen. Selbst beim schlechtesten Spiel gibt's meistens etwas Gutes zu finden. Es gibt aber auch nie den perfekten Tag.

Gibt es einen Spieler, mit dem Sie am liebsten arbeiten oder gearbeitet haben?

Es waren so viele. Am schönsten ist es mit denen, die weggehen und man noch in Kontakt bleibt, davon gab es schon einige. Zu nennen ist sicher Anton Gavel. Zu einer Zeit, in der ich noch viel, viel weniger gewusst habe als jetzt, haben wir miteinander einen Weg gefunden, ihn von einem absoluten Nichtwerfer zu einem 30-prozentigen Dreierwerfer in der Euroleague zu kriegen. Seine Hartnäckigkeit gepaart mit meiner Hartnäckigkeit, wobei wir uns zu Beginn oft gefetzt haben, ist mit einer unglaublichen Geschichte geendet. Wir sind heute noch sehr, sehr eng.

Sie leben mit Ihrer Familie in Bamberg, haben vor der Saison den Vertrag bei Brose Bamberg bis 2023 verlängert. Ihre Kinder sind hier geboren. Was macht Bamberg aus?

Bamberg ist für uns als Familie das Zuhause. Meine Frau ist in Österreich nicht weit von meinem Ort geboren, wir sind aber hier zusammengezogen, haben unsere Kinder gekriegt - es ist unser Zuhause. Deshalb war es für mich keine Frage, das Vertragsangebot nicht anzunehmen. Es passt alles. Die Wege sind kurz, ich habe früh Zeit, die Kinder in den Kindergarten zu bringen, mittags zwischen zwei Trainings kann ich sie abholen, dann sehe ich sie nochmal am Abend - wenn nicht gerade Spieltag ist. Woanders - in Brooklyn, Moskau oder Istanbul - kriege ich das so nicht hin. Das weiß ich und ist mir sehr viel wert. Und von der Stadt braucht man gar nicht zu reden. Die Basketball-Begeisterung gibt es in meinem Heimatland nicht. Das ist für mich eine Grundlage, eine Wertschätzung meiner Arbeit, die findest du so in der Kombination, wie wir hier als Familie leben können, wohl nirgends. Das muss man in diesem Geschäft als Coach erst einmal zusammenbringen, eine Situation zu finden, in der die Familie nicht darunter leidet. In der NBA liegt die Scheidungsrate bei Trainern bei fast 70 Prozent. Wundert mich nicht. Hier ist es für mich leichter. In zehn Minuten bin ich im Trainingszentrum oder ich fahr mit dem Radl in die Arena. Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Udo Schilling