Essig "redet Tacheles" in St. Gereon

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Franz Tröger spult das Kinderlied von der "Mischpoke" auf seiner Lochstreifen-Spieluhr ab; wegen dieser Streifen nennen sich die Beiden auch "Streifenhörnchen" und treten immer in gestreiften Hemden auf !
Franz Tröger spult das Kinderlied von der "Mischpoke" auf seiner Lochstreifen-Spieluhr ab; wegen dieser Streifen nennen sich die Beiden auch "Streifenhörnchen" und treten immer in gestreiften Hemden auf !
Rolf-Bernhard Essig
Rolf-Bernhard Essig
 

Der Bamberger Sprachwissen- schaftler referiert " ... über Hebräisches, Jüdisches, Jiddisches in unserer Alltagssprache".

Einen vergnüglichen, vor allem vom Sprachlichen her sehr interessanten und doch auch tiefsinnig-anrührenden Abend erlebten die etwa 90 Gäste des Bamberger Sprachwissenschaftlers Rolf-Bernhard Essig und seines musikalischen Begleiters Franz Tröger in der Gereon-Kapelle in Forchheim.

Die Katholische Erwachsenenbildung hatte zusammen mit der evangelischen Christuskirche und der Stadt Forchheim im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" zu der Veranstaltung " ... über Hebräisches, Jüdisches, Jiddisches in unserer Alltagssprache" geladen.

Der Leiter der KEB, Helmut Hof, hob in seiner Begrüßungsansprache hervor, dass die so oft bemühten "jüdisch-christlichen Wurzeln" des Abendlandes nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, dass es keineswegs um eine wirklich aufeinander aufbauende Kontinuität des religiösen Lebens gegangen sei und dass jüdische Menschen diese Ausdrucksweise besonders dann sogar als Heuchelei empfinden, wenn sie auch noch als Absetzung gegen den Islam benutzt - um nicht zu sagen: missbraucht - werde. Das war sozusagen gleich "Tacheles geredet", was vom Jiddischen her zunächst "zielgerichtet" (Tachleß: Zweck, Ziel) bedeutet, aber damit auch "deutlich", manchmal sogar "drastisch".

Unbewusste Verbindung

Aber trotz all des Dunklen in der Beziehungsgeschichte zwischen Christentum und Judentum - speziell in unserer Geschichte - bestehe gerade durch Sprache bis heute eine zum Teil nicht bekannte oder zumindest bewusste Verbindung, die sehr wohl Humorvolles in sich birgt.

Das genau machte das "heitere Programm" deutlich: Locker- fröhlich flocht Rolf-Bernhard Essig immer wieder Wörter und Redewendungen wie "alle Jubeljahre", "Kreti und Pleti" oder "jemandem die Leviten lesen" in sein freies Reden über jüdisches Leben ein. Der Sprachwissenschaftler begann auch Sätze und lockte aus dem Publikum ein mehr oder weniger bekanntes jiddisches Wort hervor, das in den Sinnzusammenhang passte: Es klappte auch oft.

Aber wer weiß schon, dass ein Jubeljahr vom hebräischen "jobel" (Widderhorn) kommt, in das zu alttestamentlichen Zeiten in jedem 50. Jahr - also ziemlich selten - geblasen wurde, um ein heiliges Jahr mit Erlass von Schulden anzukündigen?!

Dass "Kreti und Pleti" - heute einfach unangenehme Zeitgenossen - eigentlich Eilboten und sogar Scharfrichter am Königshof waren; und dass jemandem deshalb "die Leviten gelesen werden", weil das Dritte Buch Mose, der Leviticus, so besonders viele strenge moralische Regeln enthält.

Manch einer kennt auch das jiddische Wort "Mischpoke" für die eher weniger geliebte (Groß- )Familie; dazu sang Franz Tröger ein Kinderlied, das er auf seine bekannte Lochstreifen-Spieluhr gebannt hat.

Musikalische Umrahmung

Auch als Akkordeon-Spieler begleitete er Essig mit meist sehr gefühlvollen Liedern aus der jüdischen Tradition oder er bot rein instrumental zum Beispiel temperamentvolle Tänze aus Odessa dar.

Auch das Publikum sollte aktiviert werden: Es wurden Zettel mit Noten und Text eines Kanons verteilt und mit nur ganz wenig Einübung erklang bald dreistimmig ein "Schalom alechem ..." ("Friede mit euch!).

Pfarrer Christian Muschler betonte in seiner Verabschiedung noch einmal die Brückenfunktion der Sprache zwischen Religionen und Kulturen.