Monika Bug, Marietta Weiser und Hinrich Ruyter lasen im "Struwwelpeter" - Motto: "Was fehlt, wenn alles da ist?".
Als weltweit erstes Land führt die Schweiz am 5. Juni 2016 einen Volksentscheid über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens durch. Die erfolgreiche Volksinitiative hat seit 2013 ein großes Medienecho. Sozialisten und Kapitalisten, Liberale und Konservative, Unternehmer und Gewerkschafter bekämpfen den Vorschlag - und begeistern sich für ihn, erklärte Hinrich Ruyter, der gemeinsam mit Monika Bug und Marietta Weiser im Kronacher Jugend- und Kulturzentrum "Struwwelpeter" aus dem neuen Buch "Was fehlt, wenn alles da ist?" des Schweizer Unternehmers Daniel Häni und des Mitglieds des "Think Tank 30 des Club of Rome" Philip Kovce las. Vielen erscheine Grundeinkommen als nette, aber völlig verrückte Idee, meinte Hinrich Ruyter. Es sei nicht zu finanzieren und ungerecht, werde argumentiert. Es mindere die Arbeitsmotivation. Manche fürchten Kapitalismus, andere sähen Sozialismus dahinter.
Den Schweizern gehe es um Grundsätzliches, eine Richtungsentscheidung. "Bin ich bereit, anderen die Existenzgrundlage bedingungslos zu gewähren?", sei eine der grundsätzlichen Fragen. Es wird eine Entscheidung der gesamten Bevölkerung der Schweiz sein.
Längst sei die Zeit der Selbstversorgung vorbei. In Zeiten weltweiter arbeitsteiliger Fremdversorgung arbeite ich für die anderen und die anderen arbeiten für mich, was die Autoren als strukturelle Nächstenliebe benannten. Aber wir Menschen meinten, für uns selbst zu arbeiten und behandelten den Lohn als Beute, die wir dafür erhalten. Dabei seien die Anderen meine Freunde und Produzenten, nicht Feinde und Kontrahenten. Sobald jemand genügend Geld habe, um zu konsumieren, stimuliere er die Produktion - von dem, was er brauche und wolle. Die Wirtschaft brauche Menschen, die auch bezahlen können.
Einkommen seien die Grundlage von Wirtschaft.
Aus der Arbeit sei ein schizophrener Begriff geworden. Es bedanke sich derjenige, der etwas für die anderen getan und angeboten habe. Der Arbeitsbegriff stehe Kopf.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen verstehe man als Grundrecht und nicht als Sozialeinkommen. Alle Personen besitzen ein Anrecht, ungeachtet ihres ererbten oder anderweitig geschaffenen Vermögens. Es ist kein sozialistisches Realexperiment, aber auch keine neoliberale Vorhölle - sondern ein dritter Weg.
Das Grundeinkommen stärke die Mitarbeiter gegenüber ihren Unternehmen und ebenso die Unternehmen, weil ihre Mitarbeiter aus eigenem Interesse arbeiten, erklärte Marietta Weiser. Sie entlassen niemand in die Einkommenslosigkeit. Wir bleiben nicht aus Existenzangst an einem Arbeitsplatz kleben, den wir nicht wollen. Wenn die eigene Existenz abgesichert ist, könne sich jeder viel engagierter einbringen.
Die Bestimmungsmacht des Geldes würde enden.
Wenn wir es schaffen, anders zu denken und zu fühlen, müsse es irgendwann gar kein Grundeinkommen mehr geben, damit alle essen und trinken können und ihre Potentiale entfalten, meinte Monika Bug.
Entweder wir haben den Wagemut und machten uns auf den Weg oder es funktioniere nicht. "Es ist eine tolle Utopie", meinte Claudia Ringhoff. Eva Schreiber-Dümlein wollte wissen: "Was bedeutet es, wenn ich Vermögen habe? Ist Vermögen dann gefährdet?" Motiv in der Schweiz sei eine Kulturveränderung, nicht Behebung sozialer Probleme, erklärte Hinrich Ruyter. Die Einführung des Frauenwahlrechts sei ein ähnlicher Sprung gewesen.
Warum sollte jedem Zustehen, was jeder braucht? Weil jeder es braucht. Die Existenzsicherung erhalte jeden Menschen. Es gebe Arbeit, die getan werden muss und solche die nicht getan werden muss.
Scheinarbeit leisteten wir uns heute im Übermaß. Die Existenzangst trübe uns den Blick.
"Vor was haben wir denn Angst?", fragte Monika Bug. Viele seien heute nicht erfüllt von ihrem Tun. Es sei vieles am Werden. "Wir von unten müssen mehr Wind machen."
Wer sich nicht selbst helfen kann, dem wird geholfen, wenn er seine Bedürftigkeit nachweisen kann, dies gelte heute. Bei einem Grundeinkommen wäre dies nicht nötig. "Warum sitzen Bettler auf dem Boden? Weil man nicht auf Augenhöhe mit den Mildtätigen betteln kann. Wer eine andere Person auf Augenhöhe anspricht, der bettelt nicht, der verhandelt", betonte Ruyter. Grundeinkommen ist unattraktiv für jene, die gerne die Guten sind und den anderen etwas gönnen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen beende die Kultur der Almosen. Wer verteile, habe Macht, wer empfange, fühle sich verpflichtet.
"Ich muss nicht mehr danken und gehorchen ich werde souverän" stehe hinter dem Grundeinkommen.
Die Schweizer haben ein völlig anderes Verständnis von ihrem Staat, meinte Helmut Wesolek. Jeder Bürger sei der Staat, die da oben vertreten ihn nur. "Wir leben alle auf dieser einen Welt", meinte Monika Bug. Es ist ein Wir und jeder von uns ist unterschiedlich. Ein Wir-Prinzip und dennoch kann jeder einzelne sich hervortun.