Ein kleiner Verein gestaltet seit 30 Jahren das Kulturleben im Dorf. Das Netzwerk braucht aber Nachwuchs.
Das kleine Dorf Ermreus liegt abseits der Hauptstraßen zwischen Obstgärten und Feldern in Blickweite der Hetzleser Berges und zählt gerade mal 150 Einwohner. Kaum zu glauben, wie viel Kultur und persönliches Engagement in so einem kleinen Dorf steckt.
Alles begann mit einer Fahrt zur Landesgartenausstellung 1990. Zu der Fahrt hatten sich mehrere Frauen aus dem Dorf angemeldet. Auf der Rückfahrt von Würzburg beschlossen sie, sich öfter zu treffen. Aber nicht einfach so zum Kaffeeklatsch: Sie wollten die Treffen nutzen, um sich mehr für ihr Heimatdorf zu engagieren und setzten die Idee auch gleich in die Tat um. Kurz darauf gründeten sie mit den "Ermaser Madla" einen Verein. Ihr Ziel war es, Traditionen wieder lebendig werden zu lassen und den Austausch im Dorf zu fördern.
Und so kam es, dass 20 Frauen über drei Jahrzehnte lange das Kulturleben in Ermreus gestalteten. Einmal im Monat trafen sich die Landfrauen in der Duddeck-Scheune im Ort. Hier fertigten sie Blumengestecke, backten Küchle oder Urrädla und organisierten Dorffeste. Viele Jahre kümmerte sich der Verein auch um die Ausgestaltung des Faschings. Bis heute sorgen die "Ermaser Madla" auch dafür, dass der Osterbrunnen geschmückt ist.
Die Dorffeste, die die "Ermaser Madla" organisierten, entwickelten sich zu einem Besuchermagnet. Mehr als tausend Besucher kamen aus den umliegenden Gemeinden und Städten. "Man kann kein Fest machen, ohne dass die anderen mithelfen", erzählt Reinhilde Erlwein. Sie ist seit vielen Jahren federführend im Verein tätig. Auf den Dorffesten konnte man lernen, wie Apfelessig hergestellt wird, probieren, wie Bohnakern schmecken, und aus den liebevoll gestalteten Bastelideen der Landfrauen sein persönliches Mitbringsel wählen. Außerdem gab es Marmeladen, Kränze und Töpferwaren. "Ermreuser Kuchen sind legendär", lacht Reinhilde Erlwein. Mit dem Geld, was die Frauen durch ihre Gemeinschaftsaktionen einnahmen, wurde seit vielen Jahren der Blumenschmuck im Dorf finanziert, der pünktlich zum Saisonauftakt im Frühjahr am Dorfeingang grüßt.
Noch reicht die Kasse
Noch reicht die Kasse, auch fürs kommende Frühjahr. Doch Reinhilde Erlwein schaut auch ein bisschen nachdenklich, wenn sie an die Zukunft des Vereins denkt. Viele der "Ermaser Madla" sind bereits über 80 Jahre alt und können aus gesundheitlichen Gründen nur noch eingeschränkt an den Vereinsabenden teilnehmen. Reinhilde Erlwein wünscht sich wieder mehr Nachwuchs. Der Zeitaufwand seit vergleichsweise gering. Man trifft sich einmal im Monat auf dem Obsthof Erlwein. "Es ist eine gute Gelegenheit, sich im Dorf zu treffen, sich auszutauschen und Netzwerke zu pflegen. Gerade Corona führt ja dazu, dass das gesellschaftliche Leben leidet", stellt Erlwein fest Ihr Wunsch: "Das Gemeinschaftsgefühl in Ermreus soll wieder wachsen. Beispielsweise erfährt man bei unseren Treffen ganz nebenbei, wer gerade Hilfe braucht. Hier auf dem Land ist das wichtig."
Reinhilde Erlwein gehört selbst zu den Frauen, die gern mithelfen: Seit ihre Nachbarin krank ist, geht sie einmal am Tag mit deren Hund spazieren und unterstützt sie beim Einkauf. Das könnte auch für junge Familien interessant sein, denn Reinhilde Erlwein weiß aus eigener Erfahrung: "Es ist immer eine Herausforderung, die Arbeit, den Haushalt und die Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen." Sie findet es schade, dass man sich im Dorf teilweise gar nicht mehr kennt. Da würde ein Treffen bei den "Ermaser Madla" erst recht den Austausch fördern, ist sie sicher. Gemeinsam das Leben auf dem Dorf lebendig halten, damit Ermreus nicht zu einem "Schlafdorf" wird - in dem die Pendler nur noch schlafen. Das sei in Ermreus umso wichtiger, seit der letzte Gasthof im Dorf geschlossen hat. Daher appelliert Reinhilde Erlwein auch an Zuzügler, für die Zukunft des Kulturlebens von Ermreus Verantwortung zu übernehmen.
Kontakt
Die Ermreuser "Madla" treffen sich jeden zweiten Freitag im Monat auf dem Obsthof Erlwein. Ansprechpartnerin: Reinhilde Erlwein vom Obsthof Erlwein, Ermreus 37, Telefon 0170/2825721.