Fahnder Das Attentat auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris lässt Erinnerungen an die Terroranschläge der RAF wach werden. Die Fahnder suchten auch in der Fränkischen Schweiz nach Verdächtigen.
von unserer Mitarbeiterin Petra Malbrich
Kreis Forchheim — Bei jedem Terroranschlag kommen die Bilder von damals wieder hoch. Gerd Buchner, der Name musste aus Sicherheitsgründen geändert werden, ist froh, dass er nicht mehr bei der Terroristenfahndung arbeiten muss. Seine Kollegen heute beneidet er nicht. Von 1976 bis 1978 war der inzwischen pensionierte Kriminalhauptkommissar aus dem Landkreis Forchheim beim Landeskriminalamt und Leiter des Teams Terroristenfahndung. Gesucht waren die Mitglieder und Sympathisanten der Rote-Armee-Fraktion, besser bekannt als RAF. Der Terror hat heute eine andere Qualität, findet Buchner. "Die RAF hat gegen die herrschende Riege, gegen die Politik gezielt gemordet, aber sie selbst wollten überleben, hatten sich deshalb verschanzt und konnten observiert werden", erklärt Buchner seinen persönlichen Eindruck.
Kaum Erfahrungen Erfahrungen mit Terroristen hatte man zu RAF-Zeiten kaum. Es war die Zeit, als erst die Spezialgruppen zur Terrorbekämpfung langsam aufgebaut worden sind. An den Kader der RAF, Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin oder Brigitte Mohnhaupt kam Buchner und sein Team nicht ran. Im Kader waren intelligente Leute, die Gruppe gut strukturiert. Buchner war für die Observation zuständig. Die Überwachung führte ihn und die vielen anderen Beamten in die Fränkische Schweiz, nach Gaiganz (Gemeinde Effeltrich).
Dort war die Frauendruckerei und die Frauenkommune. Elisabeth Von Dyck und ihre Sympathisantinnen druckten ihre Infozeitungen, gefüllt mit ihren Ideen und politischen Vorstellungen und ihre Parolen auf Flugblätter, die in den entsprechenden Kreisen verteilt wurden. "Nächtelang haben wir in der Fränkischen Schweiz observiert.
Das ist schwer auf dem Land", sagt der Kriminalbeamte. Ein Auto mit fremden Kennzeichen in einem kleinen Dorf - da dauere es keine zehn Minuten, bis die ersten Bewohner aus dem Fenster schauen, und eine halbe Stunde später wäre die Polizei da.
In Frankfurt ist ihnen das passiert. Mit Jeans gekleidet, langen Haaren und Bärten, wie es damals Mode war, saßen die Beamten in ihren Autos und beobachteten die Terroristen, als eine Spezialgruppe mit MPs anmarschierte. Es zeigt die Brisanz und die Dringlichkeit, mit der nach diesen Terroristen gefahndet wurde. Die Polizeidienststellen im Landkreis Forchheim waren informiert, hatten alle Kennzeichen der Fahnder notiert. Irgendwann wurde gemeldet, dass Von Dyck in Pommer (Marktgemeinde Igensdorf) gesehen worden war.
"Es ist nicht wie im Fernsehen, dass zwei Beamte wartend in einem Auto sitzen", erzählt Gerd Buchner lachend.
Mit oft mindestens zehn Autos, verschiedener Marken und Nummernschilder, waren sie unterwegs. Während das eine Auto rechts rausfuhr, scherte kurz zuvor ein anderes Auto ein. Die Beamten wechselten die Autos, die Beifahrer und schraubten andere Nummernschilder an. "Das war Stress", sagt Buchner. Denn die Terroristen fuhren auch nicht alleine. "Einer fuhr und einer saß hinten drin, der permanent aus dem Fenster schaute und alle Nummernschilder notierte", erklärt der Beamte den Aufwand der Observation.
Die Bevölkerung beruhigte sich damals selbst mit der Überzeugung, dass die Terroristen weit weg in großen Städten agierten. Von wegen! In einem kleinen Haus in Walkersbrunn (Stadt Gräfenberg) lebte ein Elektroingenieur oder Elektrotechniker, der die Zeitzünder, die Elektronik für die Installation der Bomben anfertigte. Dort sollte sich Buchner mit seinem Team umsehen.
"Auf der Fahrt gehen dir alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Du bist verheiratet, hast ein Kind, kommst du wieder heim, was macht deine Familie dann", zählt er einige der Sorgen auf. Beim Einsatz selbst dachte er überhaupt nichts mehr, konzentrierte sich nur auf die Aufgabe.
Angst vor Sprengfallen "Ein stärkerer Kollege brach die Tür ein", erzählt Buchner. Samt Türrahmen krachte diese mit einer riesigen Staubwolke ins Haus. Dass das Haus leer war, wussten sie vorher nicht. Elektrische Schaltungen, Kabel und all die Dinge, um Zeitzünderbomben oder Sprengfallen herstellen und installieren zu können, fanden sie dort. Vor den Sprengfallen hatten sie große Angst, einfach in die Luft zu fliegen und zerfetzt zu werden, wenn man über einen Draht stolpert.
Davor schützt nichts.
Schutzjacke mit Stahlplatte Doch große Schutzmaßnahmen hatten die Terrorfahnder damals auch nicht. Die Spezialeinheiten waren erst beim Aufbau, der Terror ein neues Gebiet. Erst später trugen die Polizisten fast 20 Kilo schwere, mit Stahlplatten ausgestattete Schutzjacken, heute sind diese so leicht, dass man sie den ganzen Tag unter dem Hemd tragen kann. Auch die Gesichter sind mit einer Maske getarnt, damit der Ermittler nicht erkannt wird. Das dient vor allem dem Schutz der Familien, damit diese von den Terroristen nicht verfolgt werden können.
Am 4. Mai 1979 wurde Elisabeth von Dyck in ihrer Wohnung in Nürnberg erschossen. Auch der harte Kern der RAF wurde gefasst.
Heute marschieren die Terroristen mit ihren Kalaschnikows durch die Straßen und töten wahllos. Der globale Terror gehe auch gegen die Religionen, meint Buchner. Mit den Ermittlern möchte er nicht tauschen.
Die Bilder aus den Medien bringen genug Entsetzen, können aber nie deutlich machen, welcher Gefahr die Leute der Terroristenfahndung ausgesetzt sind.