Ein verhängnisvolles halbes Jahr für Loewe

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Foto: Timm Schamberger/dpa
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Erst scheitert der Kronacher TV-Gerätehersteller mit seiner Insolvenz in Eigenverwaltung, dann verlieren alle 450 Angestellten ihre Jobs. Schließlich kämpfen zwei Investoren um den Kauf. Chronik einer dramatischen Entwicklung.

Marian Hamacher Die Formulierung ist gerade einmal ein halbes Jahr alt - und klingt im Rückblick wie Hohn. Am 3. Mai teilte der Kronacher TV-Gerätehersteller Loewe mit, Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet zu haben. Kurios: der Begriff Insolvenz tauchte in der Presseerklärung gar nicht erst auf. Vielmehr war die Rede von einer "Sanierung in Eigenverwaltung". Auf diesem Weg solle die weitere Sanierung von Loewe im Rahmen eines Zukunftskonzeptes forciert werden, so der damalige Loewe-Vorsitzende Ralf Vogt. Keine sechs Monate später hat Loewe keine Zukunft mehr. Zumindest nicht in der Form, wie die Kronacher das Traditionsunternehmen bisher kannten. Als TV-Hersteller, der seine Elektrogeräte nicht nur in Kronach entwickelt und designt, sondern auch produziert.

Als der britische Finanzinvestor Riverrock sich am 13. Dezember dazu entscheidet, die von ihm gehaltenen Loewe-Markenrechte an das Beteiligungsunternehmen Skytec zu verkaufen, ist nicht nur Vogt seinen Job längst los. Auch die 450 Beschäftigen, die noch zu Jahresbeginn bei "der Opta" in Lohn und Brot standen.

Eine Entwicklung, die im Mai zwar schon einige befürchteten, an die viele aber einfach nicht glauben wollten. Immer mit der Hoffnung im Hinterkopf, es findet sich noch ein weiterer Investor, der dem chronisch klammen TV-Hersteller erneut unter die Arme greift - und die Arbeitsplätze erhält.

Kein neues Darlehen

Optimistisch klang im Frühjahr auch noch Loewe-Pressesprecher Roland Raithel. Die finanzielle Basis für eine Sanierung sei auf alle Fälle gegeben, betonte er. Entscheidungen wie die geplante Ausgliederung der Produktion in eine eigene Organisationseinheit, müssten nun zwar noch einmal unter dem neuen Licht gesehen werden, doch grundsätzlich solle gerade an solchen Eckpfeilern des Zukunftskonzepts festgehalten werden. "Das Management weiß, was es tut." Noch so ein Satz, der dafür sorgen dürfte, dass der Hals bei einigen ehemaligen Angestellten deutlich dicker wird.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung hätte dafür sorgen können, sich bei laufendem Geschäftsbetrieb in enger Abstimmung mit den Gläubigern neu aufzustellen. Keine zwei Monate später lag die unternehmerische Verantwortung aber schon nicht mehr in den Händen der Geschäftsführung. Weil die Sicherheitsgläubiger - in erster Linie Riverrock - kein weiteres Darlehen mehr bewilligen wollten, gab die Geschäftsführung Ende Juni bekannt, den Geschäftsbetrieb zum 1. Juli einzustellen. Weil Loewe zugleich seinen Antrag auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung zurückzog und in die Regelinsolvenz wechselte, wurden 95 Prozent der 450 Beschäftigten freigestellt. Zurück kehrten sie an ihre Arbeitsplätze nicht. Ende Juli wurde sämtlichen Mitarbeitern gekündigt. Im Amt war zu diesem Zeitpunkt schon der Bayreuther Anwalt Rüdiger Weiß, der vom Amtsgericht Coburg zum Insolvenzverwalter bestellt wurde.

Die Gewerkschaft IG Metall (IGM) zeigte sich entsetzt über die Entwicklungen, die zu den vielen Freistellungen führten. Vor allem Riverrock machte der bayerische IGM-Bezirksleiter Jürgen Horn dafür verantwortlich, dass sich die Loewe-Krise weiter verschärfte. Es deute einiges darauf hin, dass der Finanzinvestor abwartet, bis Loewe "endgültig ausgeblutet ist, um erst danach mit den Trümmern des Unternehmens Geld zu verdienen", meinte Horn. Er sollte Recht behalten.

Riverrock gab den Ton an

Nach IGM-Angaben half Riverrock Loewe in der Vergangenheit mit einem zweistelligen Millionendarlehen aus. Im Rahmen einer Umschuldung gingen die Markenrechte 2015 dann an den britischen Finanzinvestor. Daher gab Riverrock in den Verhandlungen mit potenziellen Investoren auch den Ton an. Nur wer im Besitz der Markenrechte sei, habe auch Interesse an den restlichen Vermögensgegenständen wie Maschinen, Werkzeugen, Mobiliar oder dem Rohteillager, hieß es aus der Kanzlei des Insolvenzverwalters. Aus diesem Grund warte man ab, an welchen Investor Riverrock die Markenrechte verkauft und werde dann mit diesem verhandeln.

Die Politik hätte sich darüber gefreut, wenn am Ende der chinesische Elektronikkonzern Hisense den Zuschlag erhalten hätte. 100 Arbeitsplätze in Kronach hatte dieser für den Fall angekündigt, dass er den Zuschlag erhält. Nachdem Hisense-Vizepräsident Lan Lin in der bayerischen Staatskanzlei die Pläne seiner Firma vorstellte, erklärte die Staatsregierung, dass sie diese unterstützt.

Riverrock schlug das Angebot dennoch aus. Der Zuschlag ging an die Skytec-Gruppe. An deren Spitze steht Vladislav Alimurzayevich Khabliev. Aufgewachsen ist der Skytec-Chef in einem Dorf in der russischen Teilrepublik Nordossetien und will nun dem Kronacher TV-Hersteller zu einem Neustart verhelfen. Der 69-Jährige plant allerdings nicht mit 100 Arbeitsplätzen in der Lucas-Cranach-Stadt, sondern lediglich mit 30. "Hier fallen die Entscheidungen, hier sollen Produkte designt und entwickelt werden sowie Marketing, Vertrieb, Logistik und Backoffice angesiedelt werden", wird er in der Welt zitiert.

Produktion in Ost-Europa

Die Produktion in Kronach wird hingegen nicht wiederbelebt. Das sei einfach zu teuer. Loewe-Fernseher, die in Kronach von Ingenieuren entwickelt werden, will Khabliev dem Bericht zufolge künftig lieber in den Visegrád-Staaten produzieren lassen. Gemeint sind damit Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei oder Ungarn. "Mit uns als europäischem Investor ist sichergestellt, dass Loewe nicht nur ein europäisches Unternehmen bleibt, sondern, dass es auch weiterhin dem international angesehen Prädikat ,Made in Germany‘ verbunden bleibt, ließ Khabliev mitteilen, nachdem der Kauf der Markenrechte feststand. Die Frage ist, ob auch diese Formulierung eines Tages im Rückblick wie Hohn klingt.