Die Gemeinde Knetzgau denkt über eine Umgehung für den Kernort nach. In der Haupt- und in der Westheimer Straße sind zu viele Autos und vor allem Lastwagen unterwegs. Der Bürgermeister schrieb jetzt einen Brief.
Klaus Schmitt
"Es ist eine Katastrophe." Erwin Oppelt hat seine Erfahrungen mit dem, was täglich vor seinem Anwesen geschieht. Der 81-Jährige hört zwar schlecht, aber der Lärm der Fahrzeuge, die an seinem Haus vorbeidonnern, erschreckt ihn immer wieder. Es ist aber nicht nur der Lärm, der den Knetzgauer plagt. Es sind auch die Gefahren, denen er und seine Nachbarn ständig ausgesetzt sind. Oppelt wohnt in der Westheimer Straße in
Knetzgau. Viel Verkehr, darunter viele Lastwagen, teilweise hohes Tempo, abschnittsweise keine Gehwege. Wie auch in der Knetzgauer Hauptstraße leiden die Menschen in der Westheimer Straße unter dem Verkehr.
"Hineintasten"
Wenn Erwin Oppelt mit seinem Auto aus seinem Hof auf die Westheimer Straße einfahren will, muss er besonders vorsichtig sein. "Du musst dich langsam hineintasten", schildert er. Zentimeterweise müsse man sich in die Straße vorarbeiten, um überhaupt etwas zu sehen. Und dann? "Manche halten, manche brummen durch", beschreibt der 81-Jährige das Verhalten der Auto- und Lkw-Fahrer.
Genau gegenüber wohnt Kurt Saat. Direkt vor seiner Haustür hat er am Rand der Westheimer Straße seinen Wagen geparkt. Nicht aus Bequemlichkeit, um einen möglichst kurzen Weg zu seinem eigenen Auto zu haben, sondern aus Sicherheitsgründen. Der abgestellte Pkw hilft ihm dabei, gefahrlos aus seinem Haus zu kommen. "Ich habe keinen Gehweg mehr", erklärt der 64-Jährige.
Helfen Kontrollen?
Saat und Oppelt würden sich wünschen, dass die Situation in ihrer Straße häufiger kontrolliert wird, dass vor allem die Raser gestoppt werden. Viel Hoffnung haben sie nicht. "Ich habe noch nie einen Blitzer gesehen", sagt Saat. Und ob Kontrollen die Lage verbessern würden, erscheint ohnehin fraglich.
Besonders gefährlich ist die Westheimer Straße für Kinder. Saat und Oppelt wissen von benachbarten Familien, die um ihren Nachwuchs Angst haben. Wenn Kinder unterwegs sind, "kann man manchmal nicht mehr hinschauen", erklärt Saat.
Die Gemeinde kennt diese Zustände. "Da kann man kein Kind mehr allein in die Schule schicken", bestätigt Bürgermeister Stefan Paulus (CWG, SPD) die Schilderungen von Kurt Saat und Erwin Oppelt. Es sind einfach zu viele Autos im Kernort von Knetzgau unterwegs. Rund 3000 Fahrzeuge an einem Tag haben die letzten Zählungen am Kindergarten von Knetzgau ergeben. Tendenz steigend. Vor allem viele Lastwagen machen Sorgen; hier wirken sich offenbar die Nähe zur Autobahn und die vielen Gewerbebetriebe aus. Und Knetzgau gilt als ein wichtiger Durchgangsort für den Verkehr zwischen Maintal und Steigerwald. "Der Verkehr ist eine Belastung", fasst Paulus zusammen.
Was tun? Der Knetzgauer Gemeinderat hat vor einigen Monaten Überlegungen angestellt, eine Umgehung für den Ort zu bauen. Das wäre eine völlig neue Trasse. Wie der Verlauf aussehen könnte, wurde bereits beraten, und der Gemeinderat steht hinter dieser Idee.
Die Umgehung würde etwa drei Kilometer lang werden. Beginnend an der Straße in Richtung Haßfurt zwischen Ortseingang und Kläranlage, soll die Trasse in einem Bogen westlich und südlich um Knetzgau herumgeführt und an der Autobahnanschlussstelle auf vorhandene Straßen geführt werden.
Geduld ist erforderlich, um ein solches Projekt zu verwirklichen. "Es ist etwas Langfristiges", weiß der Bürgermeister. Er spricht von zehn bis 20 Jahren bis zur Verwirklichung. Aber "wir wollen jetzt die Weichen stellen." Dazu sollen vor allem die Bürger ins Boot geholt werden. Nicht nur die Knetzgauer, sondern auch die Bewohner in den Gemeindeteilen, die ebenfalls unter der Verkehrsbelastung leiden. Die Abgeordneten sollen eingeschaltet werden und natürlich die Behörden. Dieser Tage hat die Gemeinde einen Brief an das Staatliche Bauamt in Schweinfurt geschrieben, das für die Bundes- und Staatsstraßen auch im Landkreis Haßberge zuständig ist.
Bis der erste Spatenstich für eine Knetzgauer Umgehung gesetzt werden kann, müssen viele Hürden überwunden werden. Die benötigten Grundstücke befinden sich in Privatbesitz und müssten erst erworben werden. Die Planung ist aufwendig, und die Kosten sind erheblich. Bürgermeister Paulus geht von einer zweistelligen Millionensumme aus. Und für ihn steht fest: Knetzgau kann sich das Projekt nicht leisten. Wer zahlt dann? Der Landkreis für eine neue Kreisstraße? Unrealistisch. Der Freistaat Bayern oder der Bund, schließlich soll die angedachte Trasse auch von Belastungen befreien, die durch die Autobahn entstanden sind? Und damit kommt das Staatliche Bauamt in Schweinfurt ins Spiel.
Holger Bothe, der Leiter des Bauamtes, bestätigt, dass der Brief aus Knetzgau in seiner Behörde eingegangen ist. Der Inhalt sei bekannt und "klingt interessant", sagt er auf Anfrage. Das "große Vorhaben", wie er es nennt, könnte durchaus eine Chance auf Realisierung haben. "Man muss die Dinge ernst nehmen und beobachten", erklärt er zu den Verkehrsverhältnissen in Knetzgau.
Aber ein solches Projekt dauert: Frühestens 2020 könnte es in den Ausbauplan für Staatsstraßen aufgenommen werden. Könnte! Und wer bezahlt das Ganze? Dafür sind nach Bothes Darstellung "mehrere Alternativen denkbar". Wichtig wäre für den Behördenchef, dass sich die Gemeinde und das Bauamt zusammensetzen und die Thematik besprechen.
Das klingt schon einmal vielversprechend. Bürgermeister Stefan Paulus ist durchaus zuversichtlich, dass das Projekt verwirklicht werden kann. Wer hätte vor Jahren gedacht, dass es einmal flächendeckend Kinderkrippen geben oder dass ein dichtes Netz an Radwegen aufgebaut wird?, fragt er. Ähnlich könnte es nach seiner Meinung mit der innerörtlichen Entlastung vom Verkehr geschehen. Wenn die Politik es so will.