Der "Rote Teufel" vom Landestheater

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Coburgs neuer Schauspiel-Dramaturg Fabian Appelshäuser vor dem Landestheater Foto: Christoph Böger
Coburgs neuer Schauspiel-Dramaturg Fabian Appelshäuser vor dem Landestheater Foto: Christoph Böger

Er ist leidgeprüft. Nicht nur wegen Corona, sondern wegen seiner schwächelnden "Roten Teufel". Fabian Appelshäuser gibt unumwunden zu: "Ja, ich bin Fan des 1. FC Kaiserslautern. Ich schätze, dass ich ...

Er ist leidgeprüft. Nicht nur wegen Corona, sondern wegen seiner schwächelnden "Roten Teufel". Fabian Appelshäuser gibt unumwunden zu: "Ja, ich bin Fan des 1. FC Kaiserslautern. Ich schätze, dass ich im Stadion mehr über Menschen und das Leben gelernt habe als an der Universität." Und an der Uni hat der Schauspiel-Dramaturg am Landestheater Coburg viele Dinge gelernt. Mit Anfang dreißig bringt er zehn Jahre Theatererfahrung mit. Wir unterhielten uns mit dem Dramaturgen, der Autoren wie Stefanie Sargnagel, Mark Lindquist und Roberto Bolaño bewundert.

Hallo, Herr Appelshäuser, seit wann sind Sie in Coburg und wie gefällt es Ihnen in der Vestestadt?

Fabian Appelshäuser: Meine Arbeit als Dramaturg habe ich im Mai, zunächst noch im Homeoffice, dann vor Ort aufgenommen. Mir fehlen zwar die Vergleichswerte, wie die Stadt und ihre Bewohner ohne Mund-Nasen-Bedeckung und Sicherheitsabstand aussehen, bisher gefällt es mir trotzdem in Coburg.

Beschreiben Sie uns doch mal den Tagesablauf eines Dramaturgen in Corona-Zeiten?

Das mag unter Umständen befremdlich klingen, aber der größte Unterschied besteht eigentlich darin, in welcher Schlagzahl man neue Ideen und Konzepte entwickeln und denken musste. Die grundsätzliche Arbeit bleibt aber die gleiche: Aus den vorhandenen Ressourcen und unter den gegebenen Umständen das bestmögliche künstlerische Ergebnis zu erzielen. Natürlich war das nicht auf dem Weg möglich, der uns allen am liebsten ist, nämlich durch Vorstellungen vor Publikum, aber die letzten Monate haben auch deutlich gezeigt, dass Theaterschaffende immer einen Weg finden werden, mit ihrem Publikum in Kontakt zu treten, und das Publikum immer bereit ist, neue oder noch wenig begangene Wege mitzugehen.

Wie haben Sie die ersten Monate Ihrer Zeit mit Theater-Schließung, abgesagten Premieren und Konzerten erlebt?

Theater bedeutet immer, dass man schnell auf Unvorhergesehenes oder auch Unvorhersehbares reagieren muss. Wenn morgens klar ist, dass am Abend ein Darsteller nicht auftreten kann, reagiert niemand panisch. Dann laufen routinierte Prozesse ab, so dass das Publikum am Abend eine Vorstellung genießen kann und die künstlerische Integrität einer Inszenierung gewahrt bleibt.

Das kann ein Theaterbetrieb tatsächlich sehr gut. Insofern waren Theaterschaffende vielleicht ohnehin mit dem Handwerkszeug ausgestattet, um den Umstand schnell als gegeben zu verarbeiten und sich dann den möglichen Alternativen zuzuwenden und ihre kreative Energie dorthin zu kanalisieren. Andererseits, das sollte nicht unerwähnt bleiben, ist es im ersten Moment sehr niederschmetternd, wenn Theaterschaffenden der Rhythmus aus Proben, Premieren und Vorstellungen entzogen wird. Man darf dann im Team weder die Hoffnung noch den Humor verlieren, auch wenn das nicht jeden Tag gleich gut funktioniert. Deswegen ist es gut, dass man immer mit Kollegen zusammenarbeitet, man ist in der gleichen Situation und unterstützt sich.

Mit welchen Erwartungen und Hoffnungen für Sie ganz persönlich, aber auch generell für das Theater treten Sie hier an?

Die Arbeit von Theaterschaffenden hat für mich immer sehr viel mit Kommunikation zu tun. Sowohl zwischen Künstlern und Zuschauern als auch innerhalb der Probenarbeit und innerhalb des Betriebes. Ich hoffe immer auf einen regen Austausch auf Augenhöhe, bei dem sich meine Kollegen genauso ernst genommen fühlen wie unser Publikum.

In dieser besonderen Zeit hoffe ich natürlich einerseits sehr darauf, dass sich der Spielbetrieb schrittweise wieder dem Zustand annähert, den wir kennen. Darauf haben wir aber nicht primär als Theaterschaffende, sondern als Gesellschaft einen Einfluss und sind außerdem davon abhängig, wie schnell und effektiv Wissenschaftler arbeiten können. Daran schließt meine ganz persönliche Hoffnung an, dass wir die Arbeit derjenigen respektieren und wertschätzen, die sich in den Dienst unserer Gesundheit stellen, indem wir uns jetzt alle temporär selbst ein wenig disziplinieren.

Das Landestheater begeistert derzeit mit einem Kultur-Spaziergang im Hofgarten. Welche Aufgaben haben Sie dabei?

Die Idee dazu stammt von Kerstin Hänel, die sie an Matthias Straub herangetragen hat. Wenn man den Weg von der Idee zum fertigen Spaziergang verfolgt, sieht man, dass Theater immer eine Mannschaftsleistung ist. Matthias Straub und ich haben dann einen Spaziergang durch den Hofgarten unternommen und überlegt, wo es grundsätzlich Möglichkeiten für Darbietungen geben könnte. Mit dieser Sammlung sind wir dann ins Gespräch mit unseren Kollegen und der Hausleitung gegangen, die beschlossen hat, dass wir die Idee umsetzen wollen.

Die Arbeit verteilt sich dann auf viele Schultern. Unser technischer Leiter kommuniziert mit dem Ordnungsamt, um den Rahmen abzustecken, währenddessen erarbeiten die Sparten die kreativen Inhalte, kommunizieren die technischen Anforderungen, die über den technischen Leiter in die Gewerke getragen werden, und schlussendlich laufen dann alle Fäden in unserem Betriebsbüro zusammen, wo die Disposition entsteht. Das alles parallel zu unserem Proben- und Vorstellungsbetrieb.

Ein Theater ist ein sehr komplexer Betrieb und dennoch ist er nicht starr, sondern bleibt flexibel. Es macht mich immer wieder demütig, was ein Theaterbetrieb leisten kann.

Auf welches Schauspiel freuen Sie sich besonders und warum?

Jetzt einen Favoriten herauszustellen fällt mir wirklich schwer. Wir haben für die nächste Spielzeit ein tolles Programm zusammengestellt, mussten ein paar Anpassungen vornehmen und jetzt freue ich mich sehr auf die Probenarbeit mit den Künstlern und die Gespräche mit unseren Zuschauern. Ans Herz legen kann ich aber allen, die noch keine Gelegenheit hatten, "Die Sternstunde des Josef Bieder" zu sehen, sich für die letzten beiden Vorstellungen am Wochenende Karten für diesen tollen Abend zu sichern.

Dass wir unseren Spielbetrieb mit dieser Liebeserklärung ans Theater wieder aufgenommen haben, zeigt auch nach außen, wie sehr uns das Theaterspielen vor Publikum gefehlt hat.

Welche Spuren hat die Corona-Krise in Coburg für das Kulturleben hinterlassen?

Um dazu wirklich etwas sagen zu können, fehlen mir die Vergleichswerte. Für mich ist es wichtig, dass wir als Theaterschaffende für uns klar formulieren, wo wir hinmöchten. Wir möchten Vorstellungen vor Publikum spielen, die künstlerische Qualität soll hoch sein und unser Angebot soll so attraktiv und interessant sein, dass jeder Coburger sich in unserem Spielplan wiederfindet. Das ist die grundsätzliche Aufgabe, vor der wir stehen.

Der Weg dahin sieht nun gerade einmal bestimmte Wegpunkte vor, die von der bisherigen Route abweichen, aber wir gehen ihn trotzdem und wir gehen ihn gerne für unser Publikum. Es geht weiter und es wird immer weitergehen. Kultur ist ein immanenter Bestandteil der Zivilisationsgeschichte. Es ist keine Gesellschaft bekannt, die keine Form von Kultur oder narrativer Tradition ausgebildet hat. Sie scheint eine Art menschliches Grundbedürfnis zu sein. Wir als Theaterschaffende müssen aber das, was um uns herum passiert, reflektieren und katalysieren. Das wird in nächster Zukunft ein spannender Prozess. Welche Spuren diese Zeit der letzten Monate hinterlassen hat, müssen wir mit größerem Abstand betrachten.

Das Gespräch führte Christoph Böger.