Prozess Der Bamberger Ex-Chefarzt Heinz W. hat seine Einlassungen zur Sache abgeschlossen und den Weg für die Beweisaufnahme mit Zeugen und Gutachtern freigemacht. Die Verteidigung hat Haftprüfungsantrag gestellt.
VON Peter Groscurth und
Gertrud Glössner-Möschk
Bamberg — Am 13. Verhandlungstag hat der 49 Jahre alte Heinz W. seine Einlassungen zur Sache abgeschlossen. Der ehemalige Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg ist wegen mehrfacher Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, zwölf Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums wegen Beckenvenen-Thrombosen ruhiggestellt und sich an ihnen vergangen zu haben.
Während W. im Verlauf der vergangenen Monate in all diesen Fällen stets beteuerte, allein aus medizinischen Gründen und ohne jegliche sexuelle Motivation gehandelt zu haben, schwieg er zu Fall 13: Darin wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, sich im Sommer 2014 in einem Hotel an der Patentochter seiner Frau vergangen zu haben.
Nach Ende seiner Einlassung ist nun der Weg frei für die Beweisaufnahme, in der in den folgenden Monaten zahlreiche
Zeugen und Gutachter gehört und eine Menge an Bild- und Videomaterial begutachtet werden müssen. Bevor es nächste Woche so weit sein könnte, muss aber erst über einen weiteren Antrag der Verteidigung entschieden werden, denn Heinz W. will das Gefängnis verlassen.
Voll Sorge um W.s Leben Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dieter Widmann, stellte am Ende des 13. Verhandlungstages Antrag auf Haftprüfung. Der Haftbefehl solle außer Vollzug gesetzt werden. Eine mögliche Kaution, die sich im sechsstelligen Bereich bewegen könne, würde der Onkel des Mediziners, ein früherer Ministerialdirigent im baye rischen Kultus- und Wissenschaftsministerium, stellen, sagte Widmann.
Jener Onkel hatte an den zweiten Verteidiger seines Neffen, Rechtsanwalt Klaus Bernsmann, einen Brief geschrieben, in dem er ausführte, welch große Sorge er um Heinz W.
angesichts dessen Aufenthaltes in der U-Haft habe. "Ich sorge mich um sein Leben", verlas Bernsmann. Der Onkel sorge sich aber auch um die Familie, die Ehefrau und die beiden Kinder seines Neffen und erwähne unter anderem deren "traumatische Lage".
Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb lehnte bereits gestern seine Zustimmung zu diesem Antrag ab, will dazu aber noch eine schriftliche Stellungnahme an die Zweite Kammer des Landgerichts abgeben. Gerichtssprecher Leander Brößler erklärte: "Wann genau darüber entschieden wird, ist derzeit noch nicht absehbar."
Zu Beginn des Verhandlungstages hatte Heinz W. gestern im Sitzungssaal 107 bedauert, das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen hinter "meine medizinischen Interessen gestellt" zu haben. "Ich habe meine Patientinnen nicht genügend über meine Behandlungsmethoden informiert und habe deren Einverständnis vorausgesetzt", fügte er an.
Sein Ziel sei es gewesen, mit neuen Diagnostik- und Therapieformen Beckenvenen-Thrombosen schonender behandeln zu können. Seine Erfahrungen habe er später an Kollegen weitergeben wollen, erklärte er. Aus diesem Grund sei es zu den Videoaufnahmen gekommen, mit denen er unter anderem festhielt, wie er mit sogenannten Butt-Plugs "Behandlungen" an Patientinnen durchführte. Die Anal-Stöpsel werden üblicherweise zur sexuellen Stimulation verwendet. Heinz W. sagte dem Gericht, er habe sich vom Einsatz solcher Plugs eine effektivere Behandlungsform erhofft - die "es galt zu evaluieren", wie er weiter bemerkte.
"Nur zum Wohl der Patienten" "Ich wollte strahlende Methoden wie etwa Röntgen oder Kernspin-Tomographie vermeiden. Das habe ich zum Wohl meiner Patienten gemacht. Nur wenige Mitarbeiter wussten von meinen Absichten.
Ich wollte nie die Intimsphäre verletzen, ich hätte mich aber besser erklären sollen", führte er mit ernster Miene aus.
Fotos und Filme von seinen Untersuchungen hat der Angeklagte nach eigenen Aussagen auf einer mobilen Festplatte gespeichert, die er im Büro sowie zuhause benutzte. Alle seine Daten seien für seine Mitarbeiter in der Klinik zugänglich gewesen - da sie das Passwort für die Festplatte gehabt hätten, stellte der Mediziner fest.
Pornografisches Bildmaterial In diesem Punkt hakte Richter Martin Barnickel nach, fragte den Angeklagten, ob er auf dem Datenträger etwa auch private Bilder gesichert hatte. Dies wurde von Heinz W. ohne Zögern bestätigt. Barnickel enthüllte danach ein neues, heikles Detail im Missbrauchs-Prozess. Er erwähnte pornografisches Material, das Ermittler anscheinend auf der Festplatte von Heinz W.
sichergestellt haben.
Bislang war solch ein Fund im Verfahren noch nicht zur Sprache gekommen. Die Verteidiger des Chefarztes protestierten sofort energisch. Der Richter entgegnete: "Ich möchte gar nicht näher beschreiben, was sich im aufgespalteten Bereich der Festplatte befunden hat. Aber ein Forensiker hat das Bild- und Filmmaterial als pornografisch bezeichnet. Zudem hat der Angeklagte vorher geäußert, dass alle Dateien für Mitarbeiter zugänglich gewesen seien."
Dies sei aber nicht der Fall, da es Bereiche gebe, die versteckt abgelegt seien, wie auch Heinz W. einräumen musste. "Ich bin aber in der Speicher-Logistik kein Fachmann", ergänzte er. Sein Anwalt Dieter Widmann schob nach, sein Mandant habe zwar "bewusste Bilder und Filme versteckt gespeichert", alle anderen Dateien seien aber leicht zugänglich gewesen.
Darunter etwa die Bilder und Videos von den Behandlungen an den Patientinnen.
Zu dem Anklagepunkt, wonach der Gefäßchirurg während einer Hotelübernachtung Ende Juni 2014 in Bochum die Patentochter seiner Ehefrau heimlich nachts im Bett mit einer Videokamera gefilmt haben soll, schwieg Heinz W. vor Gericht. Er bestätigte nur die Buchung eines Einzelzimmers der Kategorie "Standard" in einem Vier-Sterne-Haus für den fraglichen Zeitraum. "Ich habe das für mich ohne eine Begleitung gebucht", so der Mediziner. Er legte dem Vorsitzenden Richter als Beleg eine Bestätigung seiner Reservierung vor. Weitere Informationen gab es nicht, da auch die Verteidiger des früheren Chefarztes hervorhoben, dass diese Sache keinen medizinischen Hintergrund habe und keine Patientinnen davon betroffen seien.
Der Prozess soll am Montag mit der Beweisaufnahme fortgesetzt werden. Ein Urteil ist in weiter Ferne.