In einer Sondersitzung lotet der Marktgemeinderat das für Hirschaid (noch) Machbare in Sachen ICE-Ausbau aus. An konkreten Forderungen mangelt es nicht.
Das Jahrhundertprojekt "bahnt" sich an und da gilt es, sich bestmöglich zu wappnen. Drei Stunden lang beschäftigte sich der Marktgemeinderat kürzlich mit der kommunalen Haltung zum viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke Nürnberg-Ebensfeld. Durch den Planungsabschnitt 21 des letzten noch unvollendeten Verkehrsprojektes Deutsche Einheit werden viele örtliche Belange berührt - vom Lärmschutz bis zu vier Brückenbaumaßnahmen.
Für diesen Planungsabschnitt wurde das seit 1996 anhängige Planfeststellungsverfahren wieder aufgenommen und fortgeführt. So haben die an der Strecke liegenden Gemeinden und ihre Bürger Gelegenheit, Stellung zu nehmen, was in der Regel heißt: Forderungen erheben, um das Beste aus dem Projekt herauszuholen. In nicht allzuferner Zukunft werden in kurzen Intervallen ICE-Züge mit über 200 Stundenkilometer durch Hirschaid zischen und dazu noch eine steigende Zahl an Güterzügen, die unter Umständen noch mehr Lärm verursachen als die pfeilschnellen Fernzüge.
Bürgermeister Klaus Homann (CSU) steht in laufendem Kontakt mit Landrat und Bürgermeistern von Gemeinden, die entsprechende Erfahrungen gesammelt haben oder sich ebenso auf das Projekt vorbereiten. Eine Grundsatzfrage könnte noch mit überraschendem Ergebnis geklärt werden: Ist es eigentlich zulässig, eine 20 Jahre alte Planung ohne Rücksicht auf zwischenzeitliche Neuregelungen zum Beispiel des Immissionsschutzes zu verwirklichen? Das ist eine Hausaufgabe an den juristischen Beistand der Marktgemeinde, die Münchener Fachanwaltskanzlei Schönefelder, Zieglers und Lehners. Die Juristen werden jetzt auch die Gemeinderatsbeschlüsse in eine justiziable Form bringen und den Markt im weiteren Verfahren begleiten. Nach diversen Anhörungen, Expertenrunden und der Planfeststellung durch das Eisenbahn-Bundesamt kann bei Bedarf das Bundesverwaltungsgericht Leipzig angerufen werden. Dies stehe jedem - auch privat Betroffenen - offen, der bis 6. November 2017 förmliche Einwendungen gegen das Bahnprojekt erhoben hat, erklärte Rechtsanwalt Lehners in der Gemeinderatssitzung. Die Marktgemeinde wird deshalb den Wegfall des "Schienenbonus" einklagen und die rechnerische Lärmminderung für "besonders überwachte" (gepflegte) Gleise in Frage stellen. Die Bahn will sich mit diesen Instrumenten die Lärmimmission um acht Punkte schönrechnen.
Komfortable Entwässerung
Vorsorglich prüfte das Ingenieurbüro Sauer und Harrer die Ableitung des Oberflächenwassers aus dem östlichen Gemeindegebiet Richtung Regnitz. Nach Ansicht der Ingenieure sind die vorhandenen Durchlässe ausreichend dimensioniert. Beispielsweise hat der Durchlass für den Friesnitzgraben das doppelte Volumen des Dükers, der das Wasser anschließend unter den Main-Donau-Kanal zur Regnitz führt. "Die Entwässerungssituation Hirschaids ist sehr komfortabel", fasste Wolfgang Harrer zusammen.
Die von der Bahn vorgesehenen Bauwerke, vor allem die vier Brücken, wurden vom Ingenieurbüro K+S Nürnberg vorgeprüft. Dabei ergab sich eine Reihe von Forderungen. So will der Markt Hirschaid im Benehmen mit dem Staatlichen Bauamt beim Neubau der Brücke über die Staatsstraße Richtung Strullendorf einen Rad- und Gehweg mit mindestens 2,50 Meter Breite verlangen. Ein neuer, straßenbegleitender Geh- und Radweg soll nämlich später die Sicherheit zwischen Hirschaid und Strullendorf verbessern. Die neue Bahnsteigunterführung am Haltepunkt Hirschaid will die DB Projektbau höchstens 3,50 Meter breit errichten. Zur Vermeidung der "Schlauchwirkung" und mit Blick auf die starke Frequentierung verlangt Hirschaid einen fünf Meter breiten Ausbau. Die Rampe zur neuen Bahnsteigunterführung soll statt 2,40 Meter auf 3,5 Meter verbreitert werden.
Bei der Brücke über die Maximilianstraße besteht der Markt auf eine Verlängerung der Bahnsteige oder eine sonstige Zuwegung für die Bahnfahrer, die südlich der Kreisstraße wohnen, zur Schule gehen oder auf einem P+R-Platz am Leimhüll ihre Autos parken werden. Die Kosten soll die Bahn tragen. Keinesfalls will der Marktgemeinderat die Vollsperrung der täglich von 14 000 Kraftfahrzeugen befahrenen Maximilianstraße für die Dauer der Brückenerweiterung hinnehmen. Das Nürnberger Ingenieurbüro empfahl die Forderung, diese Baumaßnahme so abzuwickeln, wie dies auch in Erlangen erfolgte. Danach könnten Personenwagen und Kleinlaster passieren, eventuell auf beengten Spuren. Umgeleitet werden müssten nur Fahrzeuge über 3,5 Meter Höhe.
Einen kompletten Neubau strebt der Gemeinderat für die Straßenbrücke Griesweg an, die sich in der Baulast der Marktgemeinde Hirschaid befindet. Das bestehende Bauwerk sei nicht mehr regelkonform, berichtete der Gutachter in der Sitzung. Die Mittelstütze, die bei einer Brückenerweiterung für zwei neue Gleise erforderlich werden würde, müsste mit einem Aufprallschutz versehen werden. Da sollte sich auch für die Bahn die Frage stellen, ob eine neue, freitragende Brückenkonstruktion für einen vergleichsweise geringen Mehrpreis zu haben ist. Die Erweiterung ist bereits mit 1,54 Millionen Euro veranschlagt.
Gestaltung für Schutzwände
Für die Schallschutzwände, die teilweise fünf Meter über Straßen- und Geländeniveau in die Höhe ragen werden, soll ein Gestaltungswettbewerb ausgelobt werden, lautet ein weiterer Wunsch des Gemeinderats. Ein anderes Verlangen ist die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens im 100-Meter-Abstandsbereich zu der erweiterten Bahnstrecke. Vor und nach der Baumaßnahme soll der Zustand von privaten und gemeindlichen Bauwerken, der Straßen, ja sogar der Grabdenkmäler auf dem Friedhof geprüft werden, um Schäden auf Kosten der Bahn beheben zu lassen.
Besonderes Augenmerk wird die Gemeinde schließlich der Einhaltung der Lärmschutzverordnungen und der Abwicklung der Baumaßnahme schenken. So wird die Vorlage einer detaillierten Planung der Zu- und Abfahrtswege zu den Baustellenflächen verlangen.
Schließlich erhebt Hirschaid die Forderung, die künftige Autobahnauffahrt Altendorf vor Beginn des Bahnausbaus in Hirschaid an die Autobahn 73 anzubinden. Dies würde zu einer erheblichen Verkehrsentlastung Hirschaids führen.