Buchenwald "taktisch" gelichtet?

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Rotbuchen sind elementarer Bestandteil des Steigerwaldes. Um sie und ihren Schutz dreht sich alles, wenn es um den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern eines Nationalparks Steigerwald geht. Foto: David Ebener/dpa
Rotbuchen sind elementarer Bestandteil des Steigerwaldes. Um sie und ihren Schutz dreht sich alles, wenn es um den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern eines Nationalparks Steigerwald geht. Foto: David Ebener/dpa
Mitglieder des Vereins Nationalpark Steigerwald protestierten bei Fabrikschleichach für einen besseren Waldschutz. Foto: privat
Mitglieder des Vereins Nationalpark Steigerwald protestierten bei Fabrikschleichach für einen besseren Waldschutz. Foto: privat
 
 

Der Verein Nationalpark Steigerwald vermutet, dass die bayerischen Staatsforsten durch das Fällen einiger Buchen, die kurz vor dem Methusalem-Alter standen, die Chancen verringern wollten, dass das Gebiet zum Weltnaturerbe wird.

Andreas Lösch Es ist ein verzwickter Streit, denn beide Lager behaupten, sich dem Gedanken des Umweltschutzes und der Biodiversität verschrieben zu haben. Nur, die einen (der Verein Nationalpark Steigerwald) sagen, dass die anderen (die bayerischen Staatsforsten) nicht genügend dafür tun, dem ökologischen Erbe des Steigerwalds gerecht zu werden, während die anderen sagen, dass die Nationalparkbefürworter die Arbeit der staatlichen Forstwirtschaft unterschätzten und dass diese schließlich dem Prinzip einer naturnahen Waldbewirtschaftung folge.

Der Streit ist über zehn Jahre alt und es ist kein Ende in Sicht. Derzeit jedoch stehen die Chancen - dem politischen Kurs der bayerischen Staatsregierung entsprechend - auf einen Nationalpark Steigerwald schlecht: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat solche Pläne in die unterste Schublade gepackt - in die seines Ersatzschreibtisches im Keller des Maximilianeums, vermutlich.

160 Jahre alte Buchen gefällt?

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Im Januar des frischen Jahres 2019 hat der Verein Nationalpark Steigerwald dennoch noch nicht aufgegeben. Resignation sei trotz der Machtverhältnisse im Staatswald nicht angebracht, gibt sich der Verein in einer Pressemitteilung kämpferisch. Diese Mitteilung ging raus, weil die Naturschützer eine Aktion organisiert hatten, mit der sie auf das - in ihren Augen - recht frevelhafte Vorgehen der Staatsforsten aufmerksam machen wollten: Der Forstbetrieb habe bei "Fabrikschleichach im Steigerwald Hunderte mächtige, etwa 120 bis 160 Jahre alte Buchen" gefällt. 70 Mitglieder des Nationalparkvereins haben daraufhin eine Menschenkette um eine Waldfläche von rund einem Hektar Größe gebildet, erklärt der Verein. "Das Ziel der Aktion ist es, mehr Transparenz in das Ausmaß der Waldzerstörung zu bringen", sagte der Vorsitzende Liebhard Löffler dazu.

Positve Ansätze sind da

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Er setzt sich dafür ein, dass in Sachen Steigerwald weitergedacht wird, als es die Staatsforsten tun. Denn, so sagt Löffler, die staatliche Waldbewirtschaftung habe durchaus positive Ansätze, "da mache ich keinen Hehl daraus", erklärt er dem Fränkischen Tag. "Das Tritt-steinkonzept von Mergner ist eine gute Geschichte."

Ulrich Mergner ist der Leiter des Forstbetriebs Ebrach, zu diesem gehören rund 17 000 Hektar Wald im oberen und nördlichen Steigerwald. Etwa 1120 Hektar sind laut Staatsforsten von der Bewirtschaftung ausgenommen. "Unter die Hiebsruhe fallen ökologisch besonders wertvolle Waldbestände", erklären die Staatsforsten. 430 Hektar bilden Naturwaldreservate, 650 Hektar sind so genannte Trittsteine, hinzu kommen noch 40 Hektar geschützte Waldränder. Die Trittsteine dienen nach dem Konzept Mergners unter anderem als vernetzendes Element der Naturwaldreservate, zudem werden sie speziell da ausgewiesen, wo sich eine Vielzahl ökologisch besonders schützenswerter Bäume befindet. Das fördere die Artenvielfalt, insbesondere weil Totholz nicht aus dem Wald entfernt wird, auf das zahlreiche Insekten und Pilzarten angewiesen sind.

Liebhard Löffler erkennt den Nutzen des Konzepts ohne Wenn und Aber an, würde aber gerne noch einen Schritt weitergehen: Er und seine Mitstreiter wollen einen noch intensiveren Schutz des Waldes erreichen, insbesondere da, wo es sich lohnen würde, die Staatsforsten aber in den Augen des Nationalparkvereins lieber schnell ein paar bedeutende Bäume aus der Fläche nehmen, um sie ökologisch abzuwerten und so die Nationalpark- oder Naturerbe-Chancen zu verringern. Die 70 Vereinsmitglieder, die sich im Januar bei Fabrikschleichach versammelt hatten, zählten deshalb und maßen nach, sie wollten wissen, welche Bäume der Forstbetrieb da geschlagen hat.

Das Ergebnis: 22 Buchen ab 60 Zentimeter Stammdurchmesser (gemessen auf Brusthöhe 1,30 Meter) sind gefällt worden. Laut Löffler waren einige der Bäume kurz vor der Marke 80 Zentimeter Brusthöhendurchmesser - ab diesem Wert gelten sie als "Methusalembäume" und werden vom Forstbetrieb nicht mehr gefällt. Der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Nationalpark Steigerwald, Florian Tully, teilt dazu mit: "Da in dem Walgebiet erst vor circa vier Jahren Starkbuchen gefällt worden sind, kann sich ein Betrachter tatsächlich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Chance auf Ausweisung eines Weltnaturerbes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Staatsforstes verringert werden soll."

"Waldbaulich korrekt"

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Die Staatsforsten weisen diesen Vorwurf zurück, Ulrich Mergner erklärt, er habe "die Hiebsmaßnahme in der Abteilung Röthen zwischen Fabrikschleichach und Unterschleichach" vor Ort "stichprobenartig überprüft, der Hieb sei "waldbaulich und forstfachlich korrekt durchgeführt" worden. "Auch konnte ich keinen Verstoß gegen das Naturschutzkonzept der bayeri-schen Staatsforsten feststellen", sagt der Förster. Methusalembäume seien keine gefällt worden, zudem seien Biotopbäume geschützt worden und "es wurde im Zuge der Hiebsmaßnahme starkes Totholz angereichert."

Das sei aber nicht weitgreifend genug, findet Liebhard Löffler. Im Sinne der Artenvielfalt sei es nötig, viel mehr alte Buchen im Wald zu haben und sie natürlich altern zu lassen. Die gefällten Fast-80-Zentimeter-Durchmesser-Bäume schätzt er auf ein Alter von über 100 Jahren, vermutlich im Bereich 120 bis 140, vielleicht 160 Jahre.

Da der Holzpreis für Buche derzeit nicht attraktiv sei, waren die Fällungen "nicht einmal betriebswirtschaftlich sinnvoll", beklagt der Vorsitzende. Würde man die Bäume, die bis zu 300 Jahre alt werden, weiterwachsen lassen, wäre das für den Erhalt der Artenvielfalt nützlich gewesen, denn einige Pflanzen, Tiere und Pilze "brauchen solche alten Bäume", und davon gebe es im Steigerwald noch zu wenig. Deswegen werde man sich weiter gegen die Waldzerstörung stark machen, es geht laut der Pressemittelung des Nationalparkvereins darum, durch "viel Aktivität und Überzeugungskraft" "die ökologischen Leistungen früherer Förstergenerationen im Staatswald zu erhalten".

Benachbarte Naturschützer

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Übrigens: Den Verdacht, dass die Staatsforsten bewusst viele Fast-Methusalembäume umsägen, teilt auch die Kreisgruppe Schweinfurt des Bunds Naturschutz. Im Dezember 2018 teilte deren Vorsitzender Edo Günther mit, nachdem bei Handthal mehrere Bäume gefällt worden waren: "Wir sind schockiert, dass der Forstbetrieb Ebrach gezielt die zwischen 60 und 80 Zentimeter dicken Buchen fällt, offenbar bevor sie die 80-Zentimeter-Schwelle erreichen, ab der der Forst sie eigentlich schützen müsste."