Bennis Weg zurück in die Mobilität

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Die kirchliche Hochzeit der Familie Benni Gemählich in Affalterthal Fotos: Reinhard Löwisch
Die kirchliche Hochzeit der Familie Benni Gemählich in Affalterthal  Fotos: Reinhard Löwisch
 
Mit dem zu einem Rennrollstuhl umgebauten Rollstuhl ist Benni derzeit unterwegs und trainiert. Bald kann er auf ein eigenes rollstuhlgerechtes Auto und auf den Traktor umsteigen.
Mit dem zu einem Rennrollstuhl umgebauten Rollstuhl ist Benni derzeit unterwegs und trainiert. Bald kann er auf ein eigenes rollstuhlgerechtes Auto und auf den Traktor umsteigen.
 
Benni Gemählich mit seiner Frau beim Holzbearbeiten am Stand seines Arbeitgebers anlässlich der Hochzeit, rechts mit Tracht der Firmenbesitzer Stefan Singer
Benni Gemählich mit seiner Frau beim Holzbearbeiten am Stand seines Arbeitgebers anlässlich der Hochzeit, rechts mit Tracht der Firmenbesitzer Stefan Singer
 

Benjamin Gemählich aus Bärnfels hat vor einem Jahr einen schweren Arbeitsunfall erlitten. Der Zimmerer hatte unter anderem einen kaputten Lendenwirbel. Doch er kämpfte sich ins Leben zurück - und nun stand auch die kirchliche Hochzeit in Affalterthal an.

Benjamin Gemählich ist die Ruhe in Person. Fast nichts kann ihn aus der Ruhe bringen - trotz eines schweren Betriebsunfalls vor einem Jahr, der sein Leben einschneidend verändert hat.

"Jammern nützt nichts" sagt er lakonisch. "Man muss nach vorne schauen und probieren was geht", und er lächelt dabei.

Es war Dienstag, der 10. September, als Benjamin Gemählich, den alle Bekannten und Freunde nur Benni nennen, auf seiner Arbeitsstelle - er arbeitete als Zimmerer bei Holzbau-Singer in Egloffstein - einige Holzständerwände sichern wollte und dazu die üblichen Sicherungsbänder anzog. Plötzlich sah er, wie sich die zwölf Zentner schweren Wände vom Lkw lösten und kippten.

Er sprang schnell vom Lastwagen, um der fallenden Last zu entgehen, doch es war zu spät: Die Holzkonstruktionen fielen auf ihn und begruben ihn unter sich. Seine Arbeitskollegen reagierten schnell und befreiten ihn mit einem Gabelstapler von seiner Last; ein Rettungshubschrauber brachte ihn anschließend nach Erlangen in die Klinik.

Die Diagnose war niederschmetternd: ein Bein sechs Mal gebrochen, das andere mehrfach, beide Schultern auch. Dazu kamen ein kaputter Lendenwirbel und durchtrenntes Rückenmark. Damit war seine Zukunft vorgezeichnet: ein Leben im Rollstuhl. Ein Bein kann er gar nicht mehr bewegen kann, das andere jetzt ein bisschen.

In der Reha-Klinik in Murnau

Benni war gerade 26 Jahre jung, als der Unfall passierte. Vier Wochen nach seinem Unfall wurde er in eine Reha-Klinik nach Murnau verlegt, wo er vier Monate zubrachte. Als Benni erfuhr, dass er künftig im Rollstuhl sitzen muss, war er anfangs sehr traurig und niedergeschlagen, erinnert er sich. Doch bald darauf festigte sich in ihm die Erkenntnis, dass es irgendwie weitergehen muss im Leben und dass er die Verpflichtung einer Familie hat. Ein Jahr vor seinem Unfall hatte er seine Melanie standesamtlich geheiratet und war mit ihr sowie Sohn Felix und Tochter Leni nach Bärnfels gezogen.

Benni fing bald an, sich das "neue Leben" praktisch einzurichten. Zuerst baute er den Rasenmäher um zu einer Zugmaschine; als Gaspedal diente eine Holzstange. Doch das war ihm bald zu wenig. Ein Rasentraktor wurde angeschafft und umgebaut, mit dem er auch fleißig den großen Garten pflegte. Das war ihm auf Dauer immer noch zu wenig Arbeit.

Schon in Murnau lernte er Hilfsmittel kennen, die ihn mobiler machen konnten. So kam ein leicht zu montierender Aufsatz an den normalen Rollstuhl, der nicht nur über einen kleinen E-Motor verfügt, sondern auch über einen zusätzlichen Antrieb, den er mit beiden Händen durch Drehen einer Kurbel bedienen kann. Damit fährt und "kurbelt" er nun täglich rund 20 bis 30 Kilometer durch die Landschaft, um seinen Körper zu trainieren. Sehr oft kommt er dabei in seinen Geburtsort Affalterthal, wo der Vater Simon zu Hause ist und wo sein Bruder Philipp gerade ein neues Haus baut. Damit ist er nun schon sehr mobil und kann eigene Wege gehen. Doch mit seiner Mobilität ist damit noch nicht Schluss.

Demnächst bekommt Benni einen umgebauten VW-Bus, den er per Aufzug mit Rollstuhl besteigen und auch selber fahren kann. Da ist er auch im Winter und bei Regen mobil. Bald kommt auch der neue Aufzug ins Bärnfelser Haus, so dass er bequem und selbstständig auf al

Eicher-Traktor wird umgebaut

len Stockwerken unterwegs sein kann.

Die Krönung seiner neuen Mobilität geschieht allerdings erst im Winter: Dann wird der große Eicher-Traktor seines Vaters rollstuhlgerecht umgebaut. Den kann er nach dem Umbau ebenfalls ganz alleine per Aufzug besteigen und mit einem Joystick fahren. Benni ist dann überglücklich, dann ist er wieder fast so mobil wie er vor dem Unfall war. "Allein das Fällen der Bäume müssen noch andere erledigen, den Rest kann ich übernehmen", meint Benni stolz.

Beruflich will er ebenfalls weiter im Zimmererhandwerk arbeiten. Der Betrieb hat ihm angeboten, den Meister zu machen, um dann im Büro die ganzen Planungen und Vorarbeiten für den Betrieb zu übernehmen. "Wir Zimmerer halten zusammen", meint Firmeninhaber Stefan Singer - ein toller Vertrauensvorschuss, den sich Benni aber noch verdienen muss. Mit seiner stoischen Ruhe und Gelassenheit und der neu gewonnenen Mobilität dürfte das kein Problem sein.

Nun kam der bisherige gesellschaftliche Höhepunkt in Bennis jungem Leben: die kirchliche Trauung in der Ortskirche von Affalterthal mit Pfarrer Michael Maul, der am vorletzten Arbeitstag in Affalterthal zusammen mit dem Posaunenchor den Festgottesdienst zelebrierte. Die Hochzeit hätte eigentlich schon früher stattfinden sollen. Corona hat das verhindert.

Benni Gemählich ist sehr beliebt im Dorf, und das zeigte sich auch an der kirchlichen Trauung. Nach dem Gottesdienst trugen ihn die Trauzeugen durch ein Spalier von Gästen die Treppen von der Kirche zum Kirchenvorplatz hoch. Dort wartete das halbe Dorf auf die beiden, angeführt von den Kerwaburschen und der Sicherheitsfirma seiner Frau Melanie, um ihnen Glück zu wünschen. Danach kamen die Eicher-Freunde zu Wort, die ihrerseits mit einem ohrenbetäubenden "Soundcheck" dem Paar alles Gute wünschten. Nun warteten seine Arbeitskollegen mit dem Chef Stefan Singer an der Spitze in Zimmermannstracht auf ihren Mitarbeiter. Er musste gegen seine Frau antreten und Holz sägen, ein Holzloch schnitzen und dann noch drei Nägel einschlagen. Die Ortsfeuerwehr schließlich wartete mit einem Zielspritzen auf. Einen besseren Beweis für die Solidargemeinschaft des Dorfes gibt es nicht.

Einen Wunsch hätte Benni Gemählich trotzdem noch: "Es gibt hier noch zu wenige Wirtshäuser und Restaurants, in die ich mit Rollstuhl hineinkann, das ist schade", meint er, nachsichtig lächelnd.