Augenwischerei

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Ein Veilchen bei einer Schülerin weckt bei einer Vertrauenslehrerin einen Verdacht. Was in der Verhandlung herauskommt.

"Viel Lärm um nichts" hieß es einst bei Shakespeare. Wohnte man am Donnerstag am Amtsgericht dem Verfahren um Körperverletzung bei, mochte einem dieser Satz in Erinnerung kommen. Doch der Verfahrenseinstellung ging eine Menge Aufregung voraus.

Am 16. Oktober 2019 nahm im östlichen Landkreis etwas Fahrt auf, das zu einer Anzeige führen sollte. Vor allem aber auch zu einem Gespräch zwischen einer Schülerin und einer Vertrauenslehrerin. Dabei ging es um ein blaues Auge, welches sich die 16-Jährige eigener Aussage zufolge "selber hingeschminkt" hatte. Die Person, die dafür auf der Anklagebank saß, war ihre 43-jährige Mutter. Die Frau schilderte gegenüber Richterin Daniela Jensch und Staatsanwalt Alexander Brandt eine bewegte Zeit ihrer Tochter. Die Pubertierende hätte die Unart besessen, Mutters "Klamotten zu borgen", sie anzuziehen und dann wegzupacken. Mitunter habe sie die Klamotten der Mutter sogar weggeschmissen. Aber: "Zu keinem Zeitpunkt habe ich mein Kind angefasst", so die Frau. "Ich bin alleinerziehend, es läuft super, ich bin weder überfordert (...), ich verdiene genug", bilanzierte sie zu sich und der häuslichen Atmosphäre. Doch es sei so gewesen, dass die Tochter im Spiel mit ihrem Bruder eine kleine Verletzung am Auge davongetragen habe, welche sie zu kultivieren begann. "Sie hat die Aufmerksamkeit genossen", schilderte die Angeklagte.

Aufmerksamkeit erregte die 16-Jährige allerdings auch bei ihrer Vertrauenslehrerin. Die ging davon aus, dass das Kind wirklich Probleme habe und womöglich daheim geschlagen wird. "Ich verstehe eine Lehrerin, wenn ein Kind sich ihr anvertraut (...), aber ich hätte erwartet, angerufen zu werden", warf die Angeklagte dem Verhalten der Vertrauenslehrerin vor. Die aber saß zu diesem Zeitpunkt auf dem Flur und sollte als Zeugin gar nicht erst vernommen werden. Das lag auch an den Aussagen des Kindes selbst.

Die 16-Jährige und ihre Mutter lächelten einander zu, als es für die Pubertierende in den Zeugenstand ging. Dort erzählte sie, einst eine "schwierige Zeit" durchlebt zu haben. Ja, sie habe Mamas Klamotten geklaut und angezogen und "damit das nicht auffällt, in einen Sack getan und versteckt". Dafür, dass Mama sauer war, äußerte die Halbwüchsige jedes Verständnis. Sie gab freimütig zu, dass sie sich beim Rumturnen mit ihrem Bruder am Treppengeländer gestoßen und eine Verfärbung am Auge davongetragen habe. "Ich habe mit dunkler Farbe am rechten Auge hier nachgeschminkt." Überdies gestand sie auch ein, die Aufmerksamkeit der Lehrerin genossen zu haben.

Schon an dieser Stelle angekommen, sandte Richterin Daniela Jensch erste Signale, das Verfahren gegen die fälschlich angeklagt Mutter einzustellen. Zwar sollte noch der Vater der 16-Jährigen zu Wort kommen, aber auch er schilderte seine Ex-Frau als nicht zu gewaltsamen Erziehungsmethoden neigend. Darauf hinweisend, dass sich die Verdachtsmomente wohl zerstreut hätten und die angeklagte Mutter auch nicht vorbestraft ist, regte Richterin Daniela Jensch an, auf die Zeugenvernehmung besagter Lehrerin sowie auch der Schulpsychologin zu verzichten. Das Verfahren wurde eingestellt.