Auf engstem Raum mit weitem Horizont

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Zwei Schauspielerinnen, drei Rollen: Lea (Bettina Wagner) erhält Besuch vom Tod, der aber steht eigentlich wiederum hinter ihm in Gestalt von Kai Anne Schuhmacher. Foto: Markus Häggberg
Zwei Schauspielerinnen, drei Rollen: Lea (Bettina Wagner) erhält Besuch vom Tod, der aber steht eigentlich wiederum hinter ihm in Gestalt von Kai Anne Schuhmacher.  Foto: Markus Häggberg

Der Mix aus Puppen- und Menschentheater, treffenden Dialogen und glaubhafter Darstellung überzeugte.

"Kranker Scheiß" - kein schöner Begriff, aber ein häufig gewählter. Gewählt von der Autorin und Schauspielerin des Stücks "Das kosmologische Gleichgewicht" aus dem Programm des Fränkischen Theatersommers. Vorgestern empfahl sich im Brückentheater dieses verpuppte Zwei-Frauen-Stück auf engstem Raum mit weitem Horizont.
Ein Sessel, ein Schaukelstuhl, weißes Textil und eine Stehlampe, verteilt auf drei Ebenen - zweckmäßig war das Bühnenbild. In ihm arbeitete Autorin und Schauspielerin Kai Anne Schuhmacher (29) ihre eigene Erfahrung mit dem Gedankenzirkus um den Tod auf und ab. Das kosmologische Gleichgewicht ist ausgefeilt und voller dramaturgischer Einfälle, eine Mischung aus Menschen- und Puppentheater, aus Allegorie, Ängsten und Sehnsüchten, aus so etwas wie Metaphysik und Harold und Maude.


Ekel und Schleimer

Doch belebt wurde es vor rund 30 Besuchern im Kurpark zunächst von der 24-jährigen Bettina Wagner. Was musste sie als das Mädchen Lea nicht alles durchleben: Trennung von ihrem Freund, Kündigung des Arbeitsverhältnisses und immer dem Gedankenspiel unterworfen, wonach sich Menschen in zwei Kategorien einteilen ließen: Ekel und Schleimer, beides nicht gut und zudem einander abstoßend. Also ausweglos und alles kranker Scheiß.
Lea will den Selbstmord und dann tritt eine Gestalt in ihr Leben, die sich weise und unnachgiebig darin zeigt, Leas Leben zu bejahen. Diese Gestalt, an der Hand geführt von der Autorin, war ein verwitterter alter Mann, eine Puppe mit vornehmer Ausdrucksweise, die vom Gleichgewicht der Kräfte sprach und davon, dass Lea dieses nicht stören dürfe, so lange ihr Leben auch noch gute Seiten bietet.


Die Stille nach dem Ausbruch

Das Stück selbst rang Bettina Wagner zwischen Gefühlsausbrüchen wie Überraschung, Verzweiflung oder leichter hysterischer Belustigung viel ab. Doch sie bewältigte das auch glaubwürdig. Ein Talent, das sich beide Schauspielerinnen teilten, etwa dort, wo die Puppenspielerin den Tod von der Hand ließ und - dramaturgisch geschickt - sich selbst als Frau und Tod präsentierte, lag in der Darstellung des stillen Moments, welcher der Ruhe nach einem emotionalen Ausbruch folgt.
Es war eine sehr körperliche Darbietung, die Wagner leisten musste. Aber sie fand Begleitung in zartfühlenden Momenten, etwa dann, wenn Lea sich enttäuscht in eine pränatale Haltung auf dem Sessel zurückzog und der tröstend erscheinende Tod sich ihr gegenüber auf dem Schaukelstuhl in aller Stille zuhörend zum Gesagten einzuwiegen begann. So drückt sich Mitgefühl ohne Worte aus.
Überhaupt gab es viele Einfälle und Sätze, für die das Duo auf der Bühne spontanen Szenenapplaus erhielt. Etwa dann, wenn zwei weitere Puppen auftauchten, Leas restverbliebene Kraft und Liebe zum Leben geradezu betriebswirtschaftlich durchkalkulierend. In solchen Momenten zeigte sich das Moderne des Stückes, welches erst vor neun Jahren geschrieben wurde.
Die Mischung aus der Beherzigung und Anwendung der Gesetzmäßigkeiten von Puppen- und Menschentheater, treffenden Dialogen und glaubhafter Darstellung erfreute. Das Brückentheater war hierzu einmal mehr atmosphärisch passende Umgebung.