Wilfried Reus glaubt an das Gute im Menschen im Allgemeinen und seiner Kunden im Jobcenter Haßberge in Haßfurt im Speziellen. Die Gründe für die Arbeitslosigkeit zu finden, das ist die Kernaufgabe eines Arbeitsvermittlers - und oft sehr schwierig.
Es sind die "Mühseligen und Beladenen" (Matthäus 11,28), mit denen Wilfried Reus arbeitet. "Wir dürfen nicht vergessen, dass nach uns nur noch das Sozialamt kommt", sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Jobcenters Haßberge und Teamleiter "Markt und Integration". Das Bibelzitat kommt nicht von ungefähr: "Ich glaube an den da oben", sagt der 61-Jährige und deutet auf das Kreuz über seinem Schreibtisch. Wilfried Reus arbeitet seit 40 Jahren als Arbeitsvermittler und hat in dieser Zeit schon manches "menschliche Drama" erlebt. Die Menschen, die vor den Schreibtischen seiner Mitarbeiter sitzen, sind vom Schicksal gebeutelt: verschuldet, geschieden, suchtkrank, psychisch krank.
"Bei uns landen aber auch Schüler und Studenten ohne betuchte Eltern, die nach ihrem Abschluss noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben." Momentan bekommen 2300 Menschen vom Jobcenter Haßberge Arbeitslosengeld II (Hartz IV). 1600 davon sind erwerbsfähige Erwachsene, die anderen 700 minderjährig oder Schüler, die in einer der 1200 Bedarfsgemeinschaften wohnen.
Wilfried Reus hat schon oft erlebt, "dass Menschen im Arbeitsleben funktionieren, ihnen aber ohne Stelle der Antrieb fehlt". Und ergänzt: "Einige kommen depressiv zu uns. Die anderen macht die Arbeitslosigkeit depressiv."
Marktfähig machen Fast immer gehe es im Jobcenter darum, den Kunden zuerst erwerbs- und dann marktfähig zu machen. "Der qualifizierteste Arbeitnehmer nützt nichts, wenn sein Geist oder Körper kaputt ist", weiß Reus. Und: "Sobald einer wieder Hoffnung hat und den Mut anzupacken, dann klappt's auch." In enger Zusammenarbeit mit anderen Beratungsstellen und Hilfsangeboten im Landkreis geht das Jobcenter darum zunächst die drängendsten Probleme an: kein Geld, keine Wohnung, Schulden. "Wenn einer dann wieder kann und auch will, dann kriegen wir auch die Qualifizierung hin, um ihn marktfähig zu machen", weiß Wilfried Reus.
Von den Mitarbeitern ist beim Kundenkontakt viel Fingerspitzengefühl gefragt. "Man braucht eine gewisse Elastizität in dem Spannungsfeld zwischen Nachsicht und Strenge. Der Mensch ist ein bequemes Wesen. Manche bewegen sich nur unter Druck", sagt Reus. Als Teamleiter versuche er darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter die nötige Distanz wahrten und psychisch gesund blieben. "Wir tauschen uns regelmäßig aus und werden im Umgang mit Drogenkranken oder psychisch labilen Menschen geschult", führt Reus aus.
Schwarze Schafe Von den insgesamt 1600 erwerbsfähigen Kunden des Jobcenters werden Reus und sein Team etwa 20 Prozent in Arbeit bringen. "Das sind 320 Leute, das ist schon eine Menge", findet er. Doch obwohl Reus an seine Kunden glaubt: Es gibt sie, die Betrüger und Blender, die sich als Langzeitarbeitslose eingerichtet haben und nicht arbeiten wollen. "Das sind aber höchstens 15 Prozent unserer Langzeitarbeitslosen, also etwa 120", relativiert Reus.
Derzeit laufen an einigen wenigen Jobcentern in Deutschland Pilotprojekte, die eine langfristigere Betreuung der Kunden erproben. "Gerade für labile Arbeitnehmer wäre es wichtig, im neuen Job weiterhin einen Ansprechpartner im Jobcenter zu haben", findet Reus.
Personalverteilung Er übt auch Kritik: Im Umgang mit problembehafteten Menschen sei eine enge Betreuung unumgänglich. Das sei aber nicht möglich, weil auf einen Mitarbeiter in der Jobvermittlung 250 Kunden kommen. "Der offizielle Schlüssel liegt zwar bei 150, aber wenn man die Mitarbeiter abzieht, die nicht beraten, kommt man auf 250", betont Reus.
Er hofft, dass die Wirtschaft durch den beginnenden Fachkräftemangel dazu gezwungen werde, besser mit ihren Arbeitskräften umzugehen. Dann hielten auch psychisch Labile dem Leistungsdruck besser stand.
Rechenbeispiel ALG II Ein Erwachsener bekommt monatlich 391 Euro (alleinstehend) oder 353 Euro Grundsicherung.
Zusammen mit Heizungs- und Mietkosten ergibt sich daraus der Gesamtbedarf. Von diesem werden Bezüge wie Kindergeld, Unterhaltszahlungen oder Zuverdienst abgezogen. Die Summe, die übrig bleibt, ist die, auf die der Kunde Anspruch hat.
km