Als im Alextal Gift vom Himmel fiel

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Sportanlagen überdecken heute den Bereich, der einmal als Deponie gedient hat.
Sportanlagen überdecken heute den Bereich, der einmal als Deponie gedient hat.
Foto: Rainer Lutz
Ein Teil des alten Industrieareals im Alextal liegt zurzeit noch brach.
Ein Teil des alten Industrieareals im Alextal liegt zurzeit noch brach.
 

Eine Fabrik zur Herstellung des Farbstoffs Ultramarin für die Textilproduktion bescherte dem Coburger Land einen frühen Fall behördlich dokumentierter Umweltverschmutzung.

Ein Radweg führt heute durch das Alexandrinental im Stadtteil Mönchröden, das Flüsschen Röden ist in diesem Abschnitt renaturiert, es gibt einen Spielplatz und Sportanlagen. Früher sah es dort anders aus. Der Ort Schafhausen lag in der Senke, die damals noch nicht Alexandrinental hieß, und es gab eine frühe industrielle Nutzung - einschließlich eines der ersten, wenn nicht des ersten Umweltskandals im Coburger Land.

Im 19. Jahrhundert stand im Alextal, wie es kurz genannt wird, eine Blaufabrik. Das lässt hellhörig werden. Hat doch die Gemeinde Grub am Forst an den Bodenbelastungen durch die dort einst bestehende Blaufabrik ein teures Päckchen zu tragen.

Zur Geschichte des Talgrundes hat der Rödentaler Heimatforscher Dietrich Schulz einiges zusammengetragen. Fündig wurde er unter anderem in den "Blättern zur Coburger Geschichte" in einem Beitrag von Rainer Hambrecht und in dem Band "Die Perle des Coburger Landes" von Wolfgang Schunk. Demnach wurde Schafhausen 1149 urkundlich erwähnt, weil es dort eine Mühle gab.

Aus dem Altlastenkataster des Landratsamtes Coburg ist zu erfahren, dass von einer ersten industriellen Nutzung um 1782 ausgegangen wird. Damals wurde dort eine Massemühle angesiedelt. Dann folgte die Blaufabrik. Mit Zustimmung von Herzog Ernst II. traten 1852 als Investoren der Königlich Bayerische Generalkonsul und Kommerzienrat Johann Ritter von Bartels und sein Vetter Bernhard Mohrhardt auf den Plan. 1853 war die Fabrik für einen "regelmäßigen Geschäftsbetrieb" fertig. Herzogin Alexandrine stimmte der Verwendung ihres Namens zu.

So nahm denn die "Herzoglich Sachsen-Coburgische privilegirte chemische Fabrik Alexandrinenthal von Bartels und Mohrhardt in Coburg" ihren Betrieb auf - und das Unheil seinen Lauf.

Vergiftete Felder und Wiesen

Was im Volksmund als "Wäscheblau" bezeichnet wurde, nannte das Unternehmen "Ultramarin". Zur Herstellung dieses Farbstoffs hatte der Coburger Chemiker Bernhard Fürstenau eine maßgebliche Arbeit verfasst. Er arbeitete für die beiden Kölner Investoren. Grundbestandteile des Farbstoffs waren Tonerde, Kieselsäure, Natron, Schwefel und kohlensaurer Kalk. Zum Herstellungsprozess gehörte unter anderem das Rösten mit Schwefel.

Eineinhalb Jahre war der Betrieb am Laufen, da beschwerte sich der Kammergutspächter von Rothenhof, sein Heu sehe "füchsig" aus und habe einen "stinkenden Geruch" wie Schwefelhölzchen. Den Arbeitern werde auf den betroffenen Flächen übel bis zum Erbrechen - sie weigerten sich daher, weiterhin dort zu arbeiten. Ein Aufbegehren gegen widrige Arbeitsbedingungen, das in der damaligen Zeit sicher schwerer gefallen ist, als heute. Den Tieren ging es nicht besser als den Menschen. Vieh werde krank, wenn es Futter von den betroffenen Wiesen und Feldern bekomme, hieß es in der Beschwerde des Pächters weiter. Eine Beschwerde, die bei der Obrigkeit tatsächlich nicht auf taube Ohren stieß.

Auflagen werden kaum umgesetzt

So erreichte das Herzogliche Justizamt in Neustadt eine Order der Staatsregierung. Ermittlungen von Sachverständigen hätten ergeben, dass die "aus der Fabrik entströmenden Dünste außerhalb auf die Gesundheit von Mensch und Vieh sowie auf jedes vegetabile Leben nachteilig einwirken". Auch wurde darauf verwiesen, dass sich an anderen Standorten der Ultramarinproduktion (in Schweinfurt, Nürnberg und Düsseldorf) gleiche Auswirkungen gezeigt hätten. Man sehe sich daher aus gesundheitspolizeilichen Gründen veranlasst, den beiden Fabrikbesitzern zur Auflage zu machen, die angesprochenen Übelstände bis zum 31. März 1855 zu beseitigen.

Die Antwort der Firma klingt recht modern. Die Vorwürfe seien zu wenig konkret und nicht ausreichend belegt, es gebe auch Standorte, an denen Ultramarin produziert wird, ohne dass es Beschwerden gäbe. Außerdem habe man um des lieben Friedens willen ja schon die Schlote etwas höher gebaut und Vorkehrungen getroffen, um den Übertritt giftiger Stoffe auf die Nachbargrundstücke zu verhindern.

Konkurs als Lösung

Der Markt löste das Problem rascher als erwartet. Die Produktion erreichte nicht mehr die Zahlen der ersten Jahre und 1862 musste die Firma Konkurs anmelden. Später wurden noch Puppenköpfe und andere Porzellanwaren hergestellt. 1936 kaufte das Annawerk den Betrieb und produzierte dort Klinker-Spaltplatten und säurefeste Plattenbeläge.

In dieser Zeit produzierte die Firma Hollerung in einem eigenen Betrieb im Alextal Puppen. 1971 wurde auch dieser Betrieb vom Annawerk gekauft und später abgerissen.