Ärger mit der Polizeisperrstunde

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In der Gastwirtschaft Kraus in der Kronacher Straße, liebevoll "zur Bapista" genannt, gab es wegen Überschreitungen der Polizeistunde über 100 Jahre lang keine Beschwerden. Wenn die Nachtwächter und die Ortspolizei kontrollierten, war hier bereits, wie von staatlicher Aufsicht gewünscht, alles finster.
In der Gastwirtschaft Kraus in der Kronacher Straße, liebevoll "zur Bapista" genannt, gab es wegen Überschreitungen der Polizeistunde über 100 Jahre lang keine Beschwerden. Wenn die Nachtwächter und die Ortspolizei kontrollierten, war hier bereits, wie von staatlicher Aufsicht gewünscht, alles finster.
In dem Gebäude nach der Bäckerei Schnabrich in der Kulmbacher Straße befand sich die Polizei um die Jahrhundertwende und zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Es wurde 1970 abgerissen. Repros: Siegfried Sesselmann
In dem Gebäude nach der Bäckerei Schnabrich in der Kulmbacher Straße befand sich die Polizei um die Jahrhundertwende und zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Es wurde 1970 abgerissen. Repros: Siegfried Sesselmann
 
Der Polizeidiener Joseph Maurer hatte um 1900 vielfältige Aufgaben. Unter anderem musste er die Einhaltung der Polizeistunden kontrollieren.
Der Polizeidiener Joseph Maurer hatte um 1900 vielfältige Aufgaben. Unter anderem musste er die Einhaltung der Polizeistunden kontrollieren.
 

Vor 100 Jahren hatte die örtliche Gendarmerie einen großen Verantwortungsbereich. In Stadtsteinach wird von "Excessen in der Sylvesternacht" berichtet. Für Bälle gab es strenge Vorschriften.

siegfried sesselmann

Wie einfach haben es heute die Faschingsfreunde, Stammtischler und Kerwesburschen. Oft wird nachmittags schon "vorgeglüht", bis spät in die Nacht gefeiert und kurz vor Morgengrauen wird die Heimreise angetreten. Drehen wir das Rad der Zeit etwas mehr als 100 Jahre zurück, so ergibt sich ein ganz anderes Bild von Festlichkeiten innerhalb der Stadt Stadtsteinach. Der Bürgermeister hatte in vielen, teils auch privaten Bereichen Kontrollfunktionen, ebenso die Nachtwächter und die Ortspolizei, die Gendarmerie, die nach französischem Vorbild errichtet wurde.
Die Aufgaben der Ortspolizei waren zahlreich: Straßen, Feuer, Fremde, Wohnungen, Reinlichkeit, Baurichtlinien, Baumaterialien, Verkehr, Vieh- und Jahrmärkte, Hundehaltung, Brunnen, Gesundheit ... und die Sperrstunden beziehungsweise Polizeistunden wurden hoheitlich kontrolliert und von der Gendarmerie überwacht.
Unter vielen Vorkommnissen fallen die "Straßenexcesse in der Sylvesternacht 1888" auf. Die Gemeindeverwaltung berichtet dem königlichen Bezirksamt, dass "wie schon bei der Kirchweih, so jetzt hauptsächlich in der Sylvesternacht, an rohem Gebrüll und Gejohle auf den Straßen" geschehe. "Verwerflichem Unfug mittels Revolverschüsse" gehe über die Grenzen des Zulässigen weit hinaus. Man mahnte an, dass der Polizeidiener und der Nachtwächter in dieser Nacht nicht zu sehen waren, worauf diese zu "disciplienären Verantwortung" zu ziehen seien. Man verlangte weiterhin, dass "für die Nacht von Fastnacht auf Aschermittwoch, für die zwei Kirchweihnächte und für die Sylvesternacht künftig eine Verstärkung von mindestens drei Mann auf Kosten der Gemeindekasse beizugeben sind.


Nachtwächter war schuld

Es dauerte nicht lange, bis es erneut Ärger gab und man fand schnell den Schuldigen - Nachtwächter Kaspar Korzendorfer. Er wird beschuldigt "vom 24. auf 25. Mai 1889 sich längere Zeit in der Nähe des Matheischen Gasthauses (heute Marktplatz 17) in Stadtsteinach aufgehalten zu haben, ohne dort Polizeistunde zu bieten, obwohl bereits 2 Uhr nach Mitternacht im genannter Wirtschaft musicirt und Bier an die anwesenden Gäste verabreicht wurde." Er hat sich gegen die Vorschriften des Artikels 166 der Gemeindeordnung verfehlt. Als Beweismittel werden die Wirtin Margaretha Mathes, Gastwirtswitwe und ihr Sohn Melchior bezeichnet. Der Bürgermeister und Apotheker Julius Keyßler setzt gegen den Nachtwächter eine Haftstrafe von einem Tag fest unter gleichzeitiger "Verurteilung in die Kosten", d.h. er musste die Kosten dieses Rechtsaktes auch bezahlen.
Der Schutzmann und Polizeidiener Joseph Maurer musste die beglaubigte Abschrift des Strafbefehls mittels Zustellurkunde am 28. Mai 1889 im Auftrage des Bürgermeisters an Kaspar Korzendorfer persönlich übergeben.
Strenge Vorschriften gibt es für Tanzveranstaltungen, so wie im August 1920. Das Bayerische Bezirksamt informiert die Ortspolizeibehörde: "Dem Vorstand des Turnvereins Stadtsteinach ist zu eröffnen, dass zur Veranstaltung eines geschlossenen Balles am 20. des Monats die bezirkspolizeiliche Genehmigung unter nachstehenden Bedingungen erteilt wird:
1. Der Ball darf erst um 6 Uhr (heute 18 Uhr) beginnen und ist pünktlich um 11 Uhr (heute 23 Uhr) zu beenden.
2. Es dürfen nur ortsansässige Mitglieder teilnehmen, auswärts wohnende Personen haben zum Ball keinen Zutritt.
3. Es darf nur eine geringe Zahl von in der Gemeinde Stadtsteinach wohnhaften Personen, die nicht Mitglieder sind, zu dem Ball eingeladen werden. Eine Liste über die einzuladenden Nitchtmitglieder ist sofort der Gendarmerie vorzulegen.
4. In der Armenkasse sind 50 Mark zu hinterlegen, die der Armenkasse verfallen, wenn die Polizeistunde überschritten wird.
5. Im Übertretungsfalle erfolgt unnachsichtige Strafanzeige. Dem Saalbesitzer ist außerdem zu eröffnen, dass ein Jahr lang keine Tanzmusikerlaubnis mehr erteilt würde."
Der Gastwirt Melchior Mathes in Stadtsteinach bat 1921 um Genehmigung zur Abhaltung eines Tanzkränzchens anlässlich der Hochzeit seiner Tochter. Diese wurde ihm erteilt und die Polizeistunde auf 11 Uhr (abends) festgesetzt. An Gebühren musste er innerhalb von 8 Tagen 45 Mark bezahlen.
Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie weit der Einfluss der staatlichen Aufsicht in die Privatsphäre hineinreichte. So erhielt der Verein "Goldene Freiheit" die Genehmigung für einen Ball am 28. Dezember 1919, wenn der Vorstand für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sorge. "Inserate in den Tageszeitungen, dass für Speisen bestens gesorgt ist, haben zu unterbleiben".
Insbesondere eine Bierwirtschaft wird bei den Übertretungen der Polizeistunde nie genannt, die Bierwirtschaft Michael Krauß in der Kronacher Straße 14 (gegenüber der Sparkasse in Stadtsteinach). Hier kam es nie zu Beanstandungen und auch die Tochter Kunigunda Bauerschmidt sorgte mit ihrer Mutter um eine reibungslose Gastronomie. Das steinerne Wappen über dem Eingang, der nach dem Umbau 1970 verschwunden ist, kann man heute noch an der Südseite des Hauses finden.