Spricht da auch der Landwirt aus Ihnen?
Auch, ja. Weil ich weiß, wie die Zusammenhänge sind. Die wissen viele Grüne schlichtweg nicht. Da stellen Leute, die noch nie einen Baum gepflanzt und noch nicht einmal eine Schaufel zu Hause haben, Obstgärten der anderen plötzlich unter Biotopschutz.
Der amtierende bayerische Umweltminister ist allerdings Ihr Parteifreund Thorsten Glauber.
Stimmt, aber er ist an der Situation nicht schuld. Das Volksbegehren hat zum Inhalt, dass eine Streuobstwiese ab 2500 Quadratmeter Größe zum Biotop erklärt wird. Dagegen kann auch Glauber nichts machen außer die Situation zu entschärfen, was er gut gemacht hat.
Die Koalition hätte einen alternativen Entwurf formulieren können.
Dann wäre die Spaltung der Gesellschaft weiter vertieft worden und wir hätten keine Möglichkeit gehabt, praxisfremde Vorstellungen zu korrigieren. Jetzt hat die Koalition das Beste daraus gemacht, indem wir das Volksbegehren mit Begleitgesetzen und Fördergeldern hinterlegt haben. Wir haben versucht zu retten, was zu retten ist. Für viele Obstbäume kam es zu spät.
Verstehen wir Sie richtig: Sie halten den Inhalt des Volksbegehrens für falsch, übernehmen ihn aber aus taktischen Gründen.
Sie wollen mich falsch verstehen (lacht). Wir konnten nicht anders, weil 1,8 Millionen Menschen für dieses Volksbegehren unterschrieben haben, das können wir nicht ignorieren.
Ähnlich emotional wie über die Bienen wird derzeit auch über den Wolf diskutiert.
Wenn ein Wolf sich regelmäßig an Nutztieren vergreift, dann kann der Wolf entnommen werden. Das ist die aktuelle Regelung in Bayern, die ich unterstütze. In Bundesländern, wo sich der Wolf jetzt schon ausgebreitet hat, ist die landwirtschaftliche Nutztierhaltung im Freien kaum mehr möglich. Selbst Waldkindergärten wappnen sich dort zum Teil mit Schutzzäunen. Ähnliche Zustände will ich in Bayern nicht haben.
Verstehen Sie die Freude darüber, dass der Wolf wieder heimisch in Bayern ist?
Nein, ich verstehe solche Ansichten nicht. Sie kommt ja in der Regel von Menschen, die in der Stadt irgendwo im dritten Stock wohnen. Die haben mit einem Wolf nichts zu tun. Viele Landwirte aber schon. Das verdeutlicht die meinem Eindruck nach größer werdende Entfremdung vieler Bevölkerungskreise von Natur und Landwirtschaft.
Woran machen Sie das noch fest?
Früher haben viele Kinder in ihrem Umfeld miterlebt, wie Tiere großgezogen und später geschlachtet wurden. Tiere sind nun mal Teil der menschlichen Nahrungsgrundlage. Heute geschieht die Fleischerzeugung sehr viel anonymer, man sieht nur noch das vakuumverpackte Endprodukt. Immer mehr Leute werden auch Vegetarier oder leben vegan und nehmen Nahrungsergänzungspillen zu sich. Und sagen zu den Naturprodukten Fleisch und Milch: Igittigitt. Das ist eine Entfremdung von der Natur, die mir nicht gefällt.
Ihre Schweinezucht haben Sie aufgegeben. Warum?
Wegen der hohen Arbeitsbelastung. Als Politiker ständig unterwegs und zuhause landwirtschaftliche Tierhaltung, das ging arbeitsmäßig nicht mehr.
Wäre eine Schweinezucht inzwischen auch schädlich für Ihr Image?
Es hätte bestimmt Charme, wenn ich noch Ferkel in die Kameras halten könnte. Aber nur solange sie noch "kleine süße Tierbabys" sind. Später will man die Kamera ja nicht mehr draufhalten und rümpft die feine Nase.
Die Grünen wollen den Fleischkonsum vor allem aus ökologischen Gründen reduziert wissen. Lassen Sie dieses Argument gelten?
Das lasse ich gelten für die Bürobevölkerung, zu der ich inzwischen selber gehöre. Ich esse nicht mehr so viel Fleisch und Wurst wie noch vor zehn oder 15 Jahren, als ich auch im Winter bei zehn Grad minus acht Stunden täglich im Wald gearbeitet habe. Da braucht man eine ordentliche Brotzeit, weil man sonst am dritten Tag nicht mehr arbeitsfähig ist. Wenn eine städtische Elite denkt, dass man nicht mehr sieben Mal in der Woche Fleisch braucht, soll sie das nicht zum Bauarbeiter sagen. Sondern bei sich selbst beginnen. Man kann dem Bauarbeiter nicht sagen, dass er nur ein Müsli und einen Salat auf die Baustelle mitnehmen soll. Der fällt sonst am Nachmittag vom Gerüst.
Geht durch Bayern ein Riss zwischen Stadt und Land?
Bayern ist noch nicht so gespalten wie andere Gesellschaften, aber wir sind auf dem Weg dahin. Städte koppeln sich ideologisch ab und verfolgen andere Lebensphilosophien, während die Landbevölkerung ganz anders tickt. In den USA hat diese Spaltung am Ende zu einem Präsidenten Trump geführt. Die Landbevölkerung und die abgehängten Arbeiter haben sich gegen "die da oben" gewehrt, die ihnen unsinnige Vorschriften und Meinungen aufzwingen.
Wie verhindern wir einen deutschen Trump?
Wir müssen unterschiedliche Interessen miteinander ausgleichen. Politik muss für alle da sein, nicht nur für einzelne Gruppen.
Ein Rezept gegen Populismus sind sicherlich gute bezahlte Industriearbeitsplätze. Derzeit steht die bayerische Automobilindustrie unter massivem Anpassungsdruck, zumal auch hier in Franken. Wie begleiten Sie als Wirtschaftsminister diesen Prozess?
Bayern muss ein Autoland bleiben, in dem Menschen gut bezahlte Arbeitsplätze finden. Ich habe über diese Frage in den vergangenen Monaten in den verschiedenen Arbeitsgruppen des Automobilforums viel mit Autobauern, Arbeitnehmern und Wissenschaftlern diskutiert. Der Freistaat hat sich beispielsweise verpflichtet, die Forschung in der Batterie- und Wasserstofftechnik zu unterstützen.
In Bamberg produziert Bosch bereits stationäre Brennstoffzellen.
Das unterstütze ich sehr. Bosch und andere Zulieferer müssen sich breiter als bisher aufstellen. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass Verbrennungs- und Einspritzermotoren ihre Marktanteile auch künftig haben werden.
Ist der Freistaat denkbar ohne seine Autoindustrie?
Eine nicht mehr wettbewerbsfähige Autoindustrie würde Bayern massiv in seiner Entwicklung zurückwerfen. Uns würden ähnliche Verhältnisse drohen wie damals an Rhein und Ruhr, nachdem Kohle und Stahl ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten.
Der Kronacher Fernsehproduzent Loewe hat erneut Insolvenz anmelden müssen. Ein Fall für den Wirtschaftsminister?
Unternehmen müssen Produkte entwickeln, die auf dem Markt nachgefragt werden. Loewe hat leider nicht die Nachfrage gefunden, die das gute Qualitätsprodukt eigentlich verdient. Zu oft wurden Produkte von der billigeren Konkurrenz vorgezogen. Soweit sinnvoll bringen wir uns natürlich ein, ich sehe aber vor allem die Unternehmensführung selbst in der Verantwortung.
Sie sind ein erklärter Gegner von Stromtrassen. Erklären Sie uns bitte, woher künftig der Strom für Bayern kommen soll.
Wir haben ja schon zahlreiche Stromtrassen und sollten nur so viel ausbauen, wie unvermeidlich nötig sind. Ich will außer den Erneuerbaren die Kraft-Wärme-Kopplung deutlich ausbauen. Kommunale Stadtwerke und energieintensive Unternehmen sollen Gaskraftwerke betreiben und ihren eigenen Strom erzeugen. Gleichzeitig können sie die dabei entstehende Abwärme nutzen. Das ist der Weg, um für die nächsten Jahre die Versorgungssicherheit in Bayern zu gewährleisten. Denn wir steigen ja nicht nur aus Kernkraft, sondern parallel auch aus der Kohle aus.
Und die Trassen?
Kommt darauf an, welche Sie meinen. Die P44-Trassen in Oberfranken und Unterfranken will ich verhindern.
Wie genau?
In Verhandlungen mit dem Bund.
Südlink und Südostlink aber kommen?
Sie sind jedenfalls im Bund beschlossen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich in drei, vier Jahren die Situation gravierend verändert hat und wir dank erneuerbarer Energien und Blockheizkraftwerke einiges am Trassenausbau nicht mehr brauchen. Dann schließe ich nicht aus, dass einiges der heutigen Planung abgeblasen wird, wie damals die Verlängerung der Atomenergie.
Ist eine Rückkehr in die Atomkraft vorstellbar für Sie?
Nein. Ich war schon immer ein Gegner der Atomkraft. Tschernobyl und Fukushima sollten uns Lehre genug sein.