Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei nahm die Jugendlichen ernst und redete ihnen doch nicht nach dem Mund.
Es war, wie es eigentlich immer ist, wenn Jugendliche mit Erwachsenen diskutieren, Regierte mit Regierenden. Die einen sind erfüllt vom Glauben an die umstandslose Veränderbarkeit der Welt. Die anderen dämpfen denselben Aufbruchsgeist mit der Betonung von Sachzwängen, Ambivalenzen und den Beharrungskräften des Gegenwärtigen.
Die einen wollen Revolution, die anderen halten es lieber mit deren etwas langweiligeren Schwester Evolution. "Die Rollen waren heute klar verteilt. So ist es oft bei Bürgergesprächen, vor allem mit jungen Leuten, denen wir erst erklären müssen, was der Staat schon alles unternimmt", sagte Marcel Huber am Mittwoch im Hallstadter Kulturboden.
Dort hatte Huber zuvor den Anwalt des Sachzwangs und vernunftbetonten Regierungshandelns gegeben. Wider seine Natur handeln musste er wohl nicht, bayerischer Staatskanzleiminister wird man nicht als Revolutionär. Von vergleichbaren Zwängen unberührt waren die 30 zwischen zwölf und 25 Jahre alten Jugendlichen. Sie hatten sich von der Regierung von Oberfranken dazu inspirieren lassen, in einem Videofilm ihre Vorstellungen von "Oberfranken 2030" zu entwickeln. Nun diskutierten sie mit Huber über drei Themen, die sie als besonders drängend empfanden.
Vorschläge an die Politik
Mit der Hallstadter Veranstaltung fiel der Startschuss für das Jubiläumsjahr, in dem der Freistaat seinen 100. Geburtstag feiert. Die Feiern wurzeln in der Vergangenheit und weisen in die Zukunft. Deshalb sollen die Bayern in Bürgerkonferenzen wie der in Hallstadt zusammentragen, was ihnen für die Zukunft Bayerns wichtig ist.
Ihren Niederschlag finden die von der Staatskanzlei als "Handlungsempfehlungen an die Politik" bezeichneten Vorschläge in einem Bürgergutachten gebündelt. "Wir waren uns sehr schnell einig, welche Themen wichtig für uns sind", sagte Victor aus Bayreuth. Als für ihre Zukunft bedeutsam erachteten er und die anderen Jugendlichen die Bildung, den Umweltschutz und die Elektromobilität.
Die Jugendlichen fragten sachkundig, sie fragten pointiert und sie fragten provokant: "Was nützt mir Mathematik, wenn ich nicht lerne, worauf ich bei einem Handyvertrag achten muss?", fragte einer. "Warum werden Verbrennungsmotoren nicht einfach verboten"? "Warum darf ich keinen Joint rauchen, mit Plastiktüten aber die Umwelt verschmutzen"? eine andere. Aber wer, wenn nicht Jugendliche soll das bislang Undenkbare für möglich halten? Auf das Normalmaß der mittleren Vernunft gestutzt werden ihre ins Visionäre ausgreifende Vorstellungen früh genug.
"Es ist wichtig, dass sich Jugendliche in die Politik einmischen und ihre eigenen Vorstellungen einbringen", sagte Huber. Entsprechend seriös und sachlich parierte er die Kritik am Bestehenden, die sich hinter den Fragen der Jugendlichen immer auch verbarg. Huber nahm die Jugendlichen ernst und redete ihnen doch nicht nach dem Mund. Eine am praktischen Leben orientierte Schulbildung nannte er wichtig, grundlegende Kenntnisse in Mathematik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften aber noch wichtiger.
Paradoxe Ansprüche
Im Einklang mit den Jugendlichen hielt Huber die Elektromobilität für zukunftsweisend, entscheidende Fragen aber noch für ungeklärt: "Woher kommt der dafür nötige Strom?"
Lediglich bei der Frage nach Joint und Plastiktüte gewann Hubers Stimme an Schärfe: "Der Konsum von Marihuana kann euch die Gesundheit kosten. Das können wir nicht zulassen", sagte Huber. Es wäre von Huber interessant gewesen zu erfahren, ob er eine solche Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern auch in Sachen des Umweltschutzes anerkennt. Leider blieb die entsprechende Frage ungestellt. So beglaubigte die Marihuana-Episode für Huber nur das, was er die "oft paradoxen Ansprüche" nennt: "Die Bürger fordern auf abstrakter Ebene einen Staat, der vieles verbietet. Wenn sie die Verbote aber konkret spüren, fühlen sie sich gegängelt."
Deshalb auch strich Huber das "Frei" im "Freistaat" besonders hervor: "Wir treten ein für Freiheit, Demokratie und einen lebenswerten Freistaat." Spätestens jetzt hatten sie gemeinsamen Boden unter den Füßen: die Jugendlichen und der Berufspolitiker.