Den Gang in die 2. Liga scheint der HC Erlangen einfach auszublenden, Existenzfragen stellen sich nicht. Im Gegenteil: Die Franken basteln sich einen Top-Kader zusammen. Mit dem HSC 2000 Coburg und der DJK Rimpar schielen zwei weitere Klubs aus Franken in Richtung Oberhaus.
Die Uhren, so scheint es, ticken bei den Handballern des HC Erlangen in einem anderen Takt: Wo sich vielerorts eine Mischung aus Niedergeschlagenheit, Depression und Zukunftsangst breitmacht, ist beim Bald-wieder-Zweitligisten von diesen Begleiterscheinungen eines sportlichen Abstiegs überhaupt nichts zu spüren. Im Gegenteil, es wird geklotzt und gekleckert, und nun steht ein Kader, der wohl auch im Oberhaus des deutschen Handballs bestehen würde.
Nur ein Zwischenstopp Dass der Wiederabstieg nur ein kleiner Betriebsunfall und der Gang in die Zweitklassigkeit ein temporäres Übel ist, daran lässt der Verein überhaupt keinen Zweifel, und zwar in all seinem Handeln. Das Auftreten ist entsprechend selbstbewusst. "Die Entwicklung des HC Erlangen in den vergangenen Monaten ist an niemandem vorbeigegangen, die Zuschauer haben uns großartig in Nürnberg aufgenommen, unsere Sponsoren stehen voll hinter uns. Wir alle glauben felsenfest an das Projekt. Im zweiten Anlauf wollen wir den HC Erlangen endgültig in der Bundesliga etablieren", sagte Geschäftsführer Stefan Adam, der seinen Worten bereits Taten voraus sandte: Noch während der laufenden Bundesliga-Saison und einige Tage nach dem feststehenden Abstieg verpflichtete der Verein mit Pavel Horak (32) von den Füchsen Berlin eine internationale Größe.
Die Vorstellung des 1,98-Meter-Hünen fand nicht in irgendeinem Hinterzimmer statt, sondern am Nürnberger Flughafen, Abflugterminal 2. Also saß er da, lächelnd vor seinem Riesenposter, "Weltklasse im Anflug" stand darauf geschrieben, vielleicht etwas zu großspurig angesichts der sportlichen Situation. Aber eben auch ein Zeichen. Und Horak ist nur einer von zahlreichen vielversprechenden Neuzugängen. Es ist eine erstklassige Truppe, die Adam zusammengestellt hat, aber der Geschäftsführer verklausuliert es lieber: "Wir werden sicherlich keine schlechtere Mannschaft als vergangene Saison stellen."
Mit dem Abstieg aus dem Oberhaus sind allerdings erhebliche finanzielle Einbußen verbunden: Die TV-Einnahmen brechen nahezu komplett weg, auch der Ticketverkauf wird nicht das Niveau aus der Bundesliga erreichen.
Eine Frage der Geldgeber Es sind daher die Sponsoren, die in die Bresche springen müssen - und das mehr als zuvor. "Wir sind auf Mehreinnahmen aus dem Sponsoring angewiesen, um die vor allem aus den Ticket-einnahmen entstehende Lücke zu schließen", sagt Adam, der in der Szene als gut vernetzt gilt, einst als Manager beim THW Kiel arbeitete und auch im Aufsichtsrat der Brose Baskets sitzt: "Wir profitieren in der jetzigen Lage davon, in der Spitze eine sehr flache Sponsoren-Pyramide zu haben, insgesamt aber sehr breit aufgestellt zu sein. Viele unserer Partner sind uns nach dem Abstieg nicht nur treu geblieben, sondern haben ihr bisheriges Engagement sogar noch ausgebaut. Dafür sind wir außerordentlich dankbar."
Schon in wenigen Wochen, Anfang Juli, wird Trainer Robert Andersson seine neu formierte Mannschaft zur Mission Wiederaufstieg begrüßen. Der Schwede, im Winter gekommen, konnte den Abstieg zwar nicht verhindern, er bleibt aber der starke Mann an der Seitenlinie. Adam: "Robert hat einen tollen Job gemacht, er trägt unsere Philosophie voll mit. Die Gründe für den Abstieg liegen nicht bei ihm. Die Mannschaft war eben recht unerfahren, und gegen direkte Konkurrenten haben wir einfach zu oft gepatzt."
Während das Team noch ein wenig die Sommerpause genießt, ist Adam weiter im Auftrag des HCE unterwegs. Es stehen noch zahlreiche Sponsoren-Termine an, Geld muss in die Kasse. Die Frage nach Urlaub stellt sich aktuell nicht. "Urlaub? Nein, da muss ich mich leider enttäuschen", so Adam.
Erlangen, Rimpar, Coburg - drei Franken haben ein Ziel Stellen Sie sich das mal vor: Es steigen drei fränkische Handball-Vereine direkt auf, natürlich nicht irgendwohin, sondern in die Bundesliga, in die laut Eigenwerbung beste Liga der Welt. In einem Rutsch. Ein aberwitziges, weil unrealistisches Szenario? Keineswegs. Neben dem HC Erlangen haben mit dem HSC 2000 Coburg und der DJK Rimpar noch zwei weitere Vereine aus fränkischen Gefilden ein Auge auf die Belétage des deutschen Handballs geworfen. Ist man erstmal in der zweiten Liga angekommen, ist der Schritt nach oben im Grunde kein allzu großer mehr. Anders als etwa im Eishockey findet zwischen Ober- und Unterhaus ein reger Austausch statt: Die drei bestplatzierten Teams der Liga steigen direkt auf - ohne Relegation, Play-offs oder dergleichen.
HSC Coburg will es wissen Für das Star-Ensemble des HC Erlangen sind das keine unerreichbaren Ziele, genauso wenig wie für für den HSC 2000 Coburg. Die Oberfranken müssen zwangsläufig als ein ernstzunehmender Aufstiegsanwärter angesehen werden. Mit Wolfgang Heyder hat der Klub einen bestvernetzten Sportmanager und mit der HUK Coburg einen finanzkräftigen Hauptsponsor an seiner Seite. Das Ziel ist die Bundesliga, in Coburg wird das ganz offen kommuniziert. Von einem üppigen Millionenetat ist die Rede, den die Oberfranken ins Projekt pumpen. Und sich damit in etwa auf Augenhöhe mit dem HC Erlangen befinden.
Etwas weniger pompös sind die Verhältnisse bei der DJK Rimpar, dem Klub aus dem Würzburger Umland, der sich zur neuen Handball-Macht in Unterfranken aufgeschwungen hat. Über mehrere Spieltage thronte die Mannschaft vergangene Saison an der Tabellenspitze, bis zum vorletzten Spieltag war der Aufstieg noch möglich, am Ende wurde es Platz 5. Ob sich dieser Erfolg wiederholen lässt? Das Team ist zwar jung und die Strukturen bei Weitem nicht mit denen in Erlangen oder Coburg zu vergleichen, zu Topspielen ziehen die "Wölfe" aber gerne mal 3000 Zuschauer in die s.Oliver-Arena. Erfolgstrainer Jens Bürkle geht nun allerdings in die Bundesliga zum TSV Hannover-Burgdorf, mit dem einst auch vom HSC Coburg umworbenen Matthias Obinger hat der Verein nun einen Nachfolger gefunden - und damit Drittligist HSC Bad Neustadt den Trainer weggeschnappt.
TV Großwallstadt ist pleite Völlig gegensätzlich ist die Entwicklung ein paar Kilometer weiter in Richtung Westen: Über Jahrzehnte war der TV Großwallstadt einer der prägenden Vereine in der Bundesliga, ein Gründungsmitglied, und noch 2011 im Finale des EHF-Pokals. Doch es ging steil bergab: Vor zwei Jahren folgte der Abstieg in die 2. Liga, der Klub verschuldete sich immer mehr - und reichte nun einen Insolvenzantrag ein. Immerhin: Der Gang in die Niederungen bleibt dem TVG wohl erspart, er hat die Lizenz für die 3. Liga beantragt und erhalten.
Von Talenten und Routinier: Der erstklassige Kader des HC Erlangen Der frühe Vogel fängt den Wurm, so lautete offenbar das Motto des HC Erlangen bei der Kaderplanung für die Spielzeit in der 2. Liga. Wenige Tage nach Saisonende in der Bundesliga steht der Kader für die Mission Wiederaufstieg fest. Und klar ist schon jetzt, nur anhand der Namen: Mit dieser Truppe ist Coach Robert Andersson zum Wiederaufstieg verpflichtet.
Torhüter Dass Nikolai Katsigiannis den HC in Richtung THW Kiel verlässt, ist schon seit Monaten klar. Mit Mario Huhnstock haben die Franken auf dieser Position aber erstklassigen Ersatz gefunden: Der 29-Jährige spielte seit 2011 für den Bergischen HC in der Bundesliga. Gemeinsam mit Jan Stochl bildet der frühere Junioren-Nationalspieler künftig das Torhüter-Gespann.
Linksaußen Mit Eigengewächs Jonas Link und Neuzugang Denni Djozic verfügt Erlangen über zwei extrem schnelle und entwicklungsfähige Spieler für die Linksaußen-Position. Djozic kommt vom Ligakonkurrenten Balingen-Weilstetten. Von 2010 bis 2014 stand er bei den Rhein-Neckar Löwen unter Vertrag. Bastian Krämer beendet dagegen seine Karriere, Martin Murawski läuft künftig für den TV Saarlouis auf.
Linker Rückraum Im linken Rückraum holten die Mittelfranken mit dem international erfahrenen Pavel Horak (32) einen echten Hochkaräter von den Füchsen Berlin. Nikolai Link, der trotz mehrerer Angebote aus der 1. Bundesliga beim HC für zwei weitere Jahre unterschrieb, komplettiert mit Allrounder Christoph Nienhaus die Königsposition. Nicht mehr für den HC auflaufen wird dagegen Sigurbergur Sveinsson, der Isländer verlässt den Klub.
Rückraum Mitte Regie auf Rückraum-Mitte wird weiterhin Martin Stranovsky führen, der sich in der Bundesliga auf dieser Position schnell zu einem Spitzenspieler entwickelt hat. Auch Jonas Link soll verstärkt auf der Spielmacherposition eingesetzt werden und sich dort als "gefühlter Neuzugang" präsentieren.
Kreisläufer Am Kreis konnte der HCE seinen Weltmeister Sebastian Preiß davon überzeugen, auch im nächsten Jahr defensiv wie offensiv zu agieren. Ihm zur Seite steht mit Jonas Thümmler einer der besten deutschen Nachwuchskreisläufer. Er kam in der laufenden Saison aus Kiel. Kein Platz mehr ist für Stanko Sabljic. Der Kroate verletzte sich nach nur vier Spielen schwer und befand sich monatelang in der Reha. Sein Vertrag wurde nicht verlängert.
Rückraum rechts Im rechten Rückraum kann Andersson mit Nicolai Theilinger und Oliver Heß auf ein starkes Duo zurückgreifen, das womöglich auch Unterstützung von Neuzugang Kevin Herbst (HSV Hamburg) erfährt.
Rechtsaußen Auf Rechtsaußen wird Nationalspieler Ole Rahmel auf Torejagd gehen. Kevin Herbst ergänzt den Dritten der Torschützenliste auf dieser Position.
red