Ein 51-jähriger Trödelhändler hat nach seiner Aussage kein Einkommen. Er erhält allerdings auch kein Geld vom Staat, weil er angeblich keinen Bedarf für sich und seine Familie nachweisen kann.
Langsam steigt Trödelhändler H. die enge Treppen des zweistöckigen Hauses am Schlossberg 1 in Pretzfeld hinauf, um das Warenangebot zu zeigen. Die beiden Stockwerke sind voll gestopft mit allerlei Liebenswertem aus Großmutters Zeiten. Doch Wiederverkäufer haben die oberen Stockwerke seit Monaten nicht mehr gesehen. "Weil keine neue Ware nachkommt", sagt H., der mit seiner thailändischen Frau - die Geschäftsinhaberin - und zwei kleinen Kindern ohne Heizung zwischen Kisten und Kommoden lebt.
Verantwortlich für seine Lebenssituation macht der 51-jährige das Job-Center. "Ich bekomme nicht einmal Hartz IV. Offenbar interessiert es keinen, wenn wir hier verrecken", empört sich der Trödelhändler.
Sauerkraut-Dose als Heizing Nach der Zwangsräumung der Wohnung in der Schulstraße in Pretzfeld ist H. froh, in dem 1718 errichteten ehemaligen Gasthaus, das er als Lagerplatz gemietet hat, überhaupt eine Bleibe gefunden zu haben. Das Angebot der Gemeinde, die ihn und seine Familie in ein leer stehendes Feuerwehrhaus einquartieren wollte, empfand er als Zumutung. Doch auch die jetzige Situation ist nur eine Übergangslösung. Der Gebrauchtwarenhändler schüttet Ethanol in eine leere Sauerkraut-Dose und zündet den Brennstoff an. "Das ist meine Heizung, außergewöhnliches Design, Luxus pur", übt sich H. in Sarkasmus.
Bürgermeisterin Rose Stark (SPD/Ökologen) sieht keinen Grund, hier tätig zu werden. "Wenn jemand an unsere Tür klopft und erklärt, dass er obdachlos ist, werden wir eine Bleibe für ihn suchen", versichert die Rathaus-Chefin. Den Begriff "Wohnung" vermeidet Stark. "Es ist ein Dach über dem Kopf mit Heizung, eine Notunterkunft, mehr nicht."
Zu überprüfen, in welchem Zustand das Wohnquartier ist, sei nicht Aufgabe der Gemeinde. Komme jemand finanziell nicht zurecht, sei das Jobcenter erster Ansprechpartner. Das Jugendamt schreite nur ein, wenn Indizien vorlägen, die auf eine Gefährdung des Kindeswohles hindeuteten. Dafür gebe es derzeit keinerlei Hinweise, weder vom Kindergarten, noch von der Grundschule. "Mit beiden stehe ich in regem Kontakt", versichert Rose Stark.
MIt Jobcenter auf Kriegsfuß Mit dem Jobcenter steht der ehemalige Abbruchunternehmer, der aus gesundheitlichen Gründen auf Gebrauchtwarenhandel umgesattelt hat, auf Kriegsfuß. Seit er vor drei Jahren den Gebrauchtwarenhandel als Nebenerwerb auf den Namen seiner Frau angemeldet habe, sei er im Stich gelassen worden. Keine Beratung, kein Startdarlehen, nichts. "Wir sind kein Auskunftsbüro", zitiert H. den damaligen Sachbearbeiter.
Auch ohne Hilfe versuchte er sich mit seinen Second-Hand-Artikeln eine Existenz aufzubauen. Fast jeden Euro, den er eingenommen habe, habe er in neue Ware investiert, schildert der Gebrauchtwarenhändler seine Bestrebungen.
Den Geldhahn zugedreht Anfangs habe er noch Leistungen vom Arbeitsamt, dann vom Jobcenter bekommen. Bis Dezember 2010. Dann wurde der behördliche Geldhahn zugedreht. Warum? "Weil wir nach Thailand geflogen sind", erklärt der Trödler, der sich ungerecht behandelt fühlt, weil er diese Reise der Behörde rechtzeitig angezeigt habe. H. fühlt sich schikaniert, denn niemand sei für ihn zuständig. "Da ist beim Jobcenter jedes Mal ein anderer da, der von mir Einkunftsprognosen für das nächste halbe Jahr verlangt. Aber ich bin kein Hellseher. Woher soll ich wissen, ob ich was verkaufen kann", erregt sich der Trödler.
Seine Einkünfte und Ausgaben hat er in einem DinA4-Heft aufgeschrieben. "Lückenlos seit 2010", betont H., doch mehr als 300 Euro blieben im Monat nicht übrig.
Die Folge: Er ist mit der Miete im Rückstand, hat seit Monaten keine Stromrechnung mehr bezahlt, geschweige denn Krankenkassen-Beiträge. "Ich habe mir überall Geld geliehen und weiß nicht, wovon ich die Schulden zurückzahlen soll."
Fast alles verloren Am meisten in Rage gebracht hat den Gebrauchtwarenhändler aber die Tatsache, dass die Mitarbeiter des Forchheimer Jobcenters nach dem Tod seines Vaters, sein Erbteil eingeklagt haben. "Mir stand nichts mehr zu", beteuert H. "Dennoch wurde meine Mutter verklagt. So habe ich mein Zuhause, den Rückhalt meiner Mutter und den Lagerplatz verloren", empört sich der 51-jährige.
Und wie soll es weitergehen? H., der nach eigenen Angaben außer seinem roten Arbeitsanzug keine tragfähige Kleidung besitzt, zuckt mit den Schultern. Ein Würzburger Rechtsanwalt kämpft für ihn um die Anerkennung seiner Leistungsansprüche gegenüber dem Jobcenter.
"Derzeit erhält Herr H. nichts. Ein Gerichtsverfahren läuft", räumt Roland Dauer, Leiter des Jobcenters ein. Über den aktuellen Stand hält sich der Behördenleiter bedeckt. Nur so viel: "Die Akten dieses Falles sind drei Meter dick." Der seit drei Jahren in Pretzfeld lebende Trödler habe es bislang versäumt, seine Bedürftigkeit nachzuweisen.
Sachbearbeiter des Jobcenters bezweifeln die Angaben des Gebrauchtwarenhändlers. Vor allem seine Reisen nach Thailand sind der Behörde ein Dorn im Auge. Der Chef des Jobcenters ist überzeugt: "Herr H. will uns für dumm verkaufen." Deshalb bleibt der Behördenleiter hart: "Ohne Einkommensnachweis, kein Geld", verdeutlicht er die Marschroute des Jobcenters.
Auch wenn Frau und Kinder darunter leiden? "Was sollen wir tun." Die Familie sei eine Bedarfsgemeinschaft, die von H. recht patriarchalisch regiert werde, formuliert Dauer die Situation. Würde sich die Frau mit den Kindern von H. lossagen, wäre das etwas anderes.
Kampf geht weiter Der Trödler indes beharrt auf der finanziellen Hilfe, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Er hat sogar auf die Hilfe von der TV-Sendung "Akte 2012" gehofft. Vergeblich! "Zu überlastet", hieß es in dem Antwortschreiben des Senders. So ruht die Hoffnung des 51-jährigen momentan auf dem Würzburger Rechtsanwalt, der vor Gericht um staatliche Hilfen kämpft. Einer von vielen, wie sein Klient einräumt. Er hat bereits mehrere Juristen verschlissen. Mit unterschiedlichem Erfolg. Mal hat H. ein Verfahren gewonnen, mal eines verloren. Fortsetzung folgt.
Freie Berufswahl - zählt anscheinen nicht mehr.
@Markus1971
Ich kenne diesen Mann. Wer sich über Jahre ein Geschäft aufbaut der gibt das auch nicht so leicht auf.
Sollte jemand in die Lage kommen gesundheitlich sein Gewerk nicht mehr betreiben zu können dann müssen natürlich die Eltern und der Erbteil dafür herhalten. Er hat ja davor keine Steuern an diesen Sozialstaat bezahlt.
Das Plakat war eine Schenkung von Freunden und seinen Zweck hat’s wohl erfüllt - es wird geredet und es wurde auf seine Situation aufmerksam gemacht. Vielleicht sollte man ihn Umschulen als Leiter des Jobcenters - dann sollte der Alte sich aber ganz warm anziehen
@Patrick Schroll
Wenn Leute von diesem Staat so in die Enge getrieben und sitzen gelassen werden, sollte man sich nicht wundern, dass die Rechten mit ihren Versprechungen immer mehr Zulauf bekommen. Vielleicht ist ja das Plakat sogar für den ein oder anderen Kunden gerade der Grund bei Ihm zu kaufen. "Deutsche - kauft nicht bei NPD´lern" Und noch hinterher - ich selber bin kein Brauner!
Politische Zugehörigkeiten oder Anhänger bestimmter Parteien sollten also gemieden werden - O freies Deutschland 1935 lässt Grüßen. Diesmal leider aus nem anderem Lager.
Zitat:
Auch wenn Frau und Kinder darunter leiden? "Was sollen wir tun." Die Familie sei eine Bedarfsgemeinschaft, die von H. recht patriarchalisch regiert werde, formuliert Dauer die Situation. Würde sich die Frau mit den Kindern von H. lossagen, wäre das etwas anderes
Da hab ich ja noch mal Glück gehabt mit meiner Förderung als Existenzgründer - ich hab meine Lebensgefährtin und Kind noch! Aber es war nicht einfach das ohne Rechtsanwalt durchzuziehen. Kleiner Tipp an Rande für alle in der Förderung:
Fliegen Sie mit Ihren erwirtschafteten Geldern nach Thailand - nicht in Maschinen und Geräte investieren - nicht bevor das erste Jahr abläuft - nicht mit den Geldern der ARGE investieren sondern "VERPRASSEN" sonst ist es ein NICHT TRAGFÄHIGES UNTERNEHMEN
Vielleicht hat auch die von außen einsehbare Werbung für die NPD mit entsprechenden Plakat den ein oder anderen potenziellen Kunden verschreckt. So ging's mir jedenfalls.
Jeder ist seines Glückes Schmied. Wenn mein Geschäft nicht mehr läuft, muß
ich mir auch etwas Neues suchen, womit ich Geld verdienen kann. So ist das
leider auf diesem Planeten.
Das Trödelgewerbe ist sehr gut geeignet, um Einkünfte sehr undurchsichtig nach
außen darstellen zu können.
An Essen scheint es zumindest nicht zu mangeln. Das Geld für das Plakat
hätte man sicher auch sinnvoller verwenden können.
kann aber mit Familie nach Thailand in Urlaub fliegen.