Gößweinstein zählte in den 1920er-Jahren mehr Besucher als Bamberg oder Rothenburg. Der Wallfahrtsort profitierte von einer päpstlichen Entscheidung - und dem gewaltsamen Tod des letzten Schlüsselbergers.
"Wer dich, o Goswinstein erbauet, verbrauchte manch Pfund Heller ...", schrieb Victor von Scheffel 1859 in seinem berühmten "Exodus Cantorum", der Bambergischen Domchorknaben Sängerfahrt, mit der er die Wanderung mittelalterlicher Scholaren durch das Juragebirge schildert. Wahrscheinlich meinte er die Basilika minor, die für einen Ort dieser Größe eher ungewöhnlich ist und barock verziert auch den Reichtum der Kirche zeigt.
Deshalb war für den Reiseschriftsteller Joseph Heller der ganze Ort schon 1829 "in verschiedener Beziehung merkwürdig und verdient von Fremden, welche das Muggendorfer Gebürg besuchen, beachtet zu werden".
Damit ist im Prinzip schon das Wichtigste gesagt: Die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit ist der Anziehungspunkt für Wallfahrer und Gäste, damals, wie heute. Kein Wunder also, dass sich schon vor 1865, ganz genau weiß es keiner mehr, ein "Verkehrs- und Heimatverein" gründete.
Der gab sogar einen eigenen Reiseführer für die Fränkische Schweiz heraus und kümmerte sich damit vor allem um die Gäste.
Lukratives Gewerbe In diese Zeit fiel auch die Gründung einer "Badeanstalt" des Gößweinsteiner Wundarztes Andreas Belzer, in der Erholungssuchenden "Molken- und Kräutersäfte, alle Sorten Bäder" angeboten wurden. Gößweinstein folgte damit einem Trend, der schon 1840 in Streitberg und etwas später auch in Muggendorf gepflegt wurde: die Forcierung des Fremdenverkehrs durch "Kuraufenthalte", bei denen die Gäste in Molke aus Ziegenmilch gebadet wurden.
Immerhin, so bemerkte Reiseschriftsteller Edwin Müller in seinem Buch von 1850, "beträgt die jährliche Zahl der Kurgäste in Streitberg rund 400". Da diese jeweils ein paar Wochen bleiben, war die Kur ein für damalige Verhältnisse lukratives
Geschäft. Mit den Kuren begann der professionell organisierte Tourismus in der Fränkischen Schweiz und Gößweinstein war von Anfang an dabei. Die erste urkundliche Erwähnung von Gößweinstein fällt auf das Jahr 1076, als Bischof Burchard von Halberstadt auf Burg "Goswinesteyn" gefangen gehalten wurde und von dort fliehen konnte, berichtet Ortschronist Ludwig Helldörfer. Im 13. Jahrhundert waren die Herren von Schlüsselberg, die auch Waischenfeld und Ebermannstadt besaßen, die Eigentümer von Gößweinstein.
Ein Segen für Gößweinstein In der Zeit, so die Einschätzung des Ortschronisten Helldörfer "gediehen Burg, Ort und Kirche zu ihrer höchsten Blüte.
Was die Burg in diesem knappen Jahrhundert an aristokratischer Prachtentfaltung und höfischen Glanz erlebte, kehrte in ihrer Geschichte niemals wieder".
Im Nachhinein betrachtet war der gewaltsame Tod Konrads II. von Schlüsselberg im Jahre 1347, der letzte männliche Erbe des Familienvermögens, ein Segen für Gößweinstein. Es fiel danach (im Jahre 1349) an das Hochstift Bamberg. Und damit wurde es möglich, dass der Ort 400 Jahre später eine neue große Kirche bekam. 1730 im Juni war die Grundsteinlegung für die neue heutige Wallfahrtskirche, die neun Jahre später vom Bamberger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn feierlich eingeweiht wurde. Sie entwickelte sich zu einem spirituellen Zentrum.
Noch heute profitiert der Tourismus von dieser wegweisenden Entscheidung in zweifacher Weise: Einerseits besuchen jährlich rund 30 000 Wallfahrer den Gnadenort der Heiligen Dreifaltigkeit, der 1948 durch Papst Pius XII. den Ehrentitel einer päpstlichen Basilika minor (kleinere Basilika) verliehen bekam. Der Titel bedeutet laut Onlinelexikon Wikipedia "die Stärkung der Bindung der einzelnen Kirchen an den römischen Bischof und soll die Bedeutung dieser Kirche für das Umland hervorheben".
Barocke Pracht Neben den Wallfahrern kommen auch sehr viele Urlauber und Tagestouristen nach Gößweinstein, um die Basilika als weltliche Sehenswürdigkeit mit all ihrer barocken Pracht zu erleben und zu bestaunen.
Die Bedeutung des Fremdenverkehrs in dem kleinen Juradorf Gößweinstein macht die Statistik deutlich.
Im Jahre 1925 zählte man 32 000 "Fremde" die 47 000 Übernachtungen generierten. Im Vergleich dazu hatte Bamberg im gleichen Jahr 25 000 Gäste mit 54 000 Übernachtungen. Damit stand Gößweinstein bayernweit an 15. Stelle bei den Gästeankünften und übertraf damit Orte wie Passau, Rothenburg, Mittenwald, Füssen.
Selbst Behringersmühle mit 13 210 Fremden (32. Stelle in Bayern) schlug Kurorte wie Tegernsee, Bad Wörishofen und Prien. Vier Jahre später stand Gößweinstein fast an der Tourismus-Spitze, vermeldet der Verkehrsverband Nordbayern, der heutige Tourismusverband Franken.
"Der Sommer-Erholungsverkehr (1929) ist so bedeutend, dass Gößweinstein mit seinen 57 461 Besuchern in Bayern nur von München, Nürnberg, Altötting, Lindau, Würzburg und Regensburg übertroffen wird."
Serie
"Postkarten erzählen von früher" Stiche und Postkarten waren lange Zeit die einzigen Bilder, die es von einem Ort gab; über Kameras oder Maler verfügten nur betuchte Leute.
Auswahl Je bedeutender der Ort im touristischen Sinne war, desto mehr verschiedene Motive gab es. Diese zeigten in der Vergangenheit vor allem Sehenswürdigkeiten: Kirchen, Burgen und besondere Plätze. In einer Serie wollen wir diese Sehenswürdigkeiten zeigen und darstellen, was aus den Orten seit dem 19. Jahrhundert geworden ist.