Eine Vertriebene erzählt: Wie sie Kontakt mit ihrer alten Heimat in Böhmen hält

Etwas Tschechisch kann sie noch. Denn als Mädchen besuchte Magdalena Geißler ein Jahr lang die tschechische Schule. Dann flohen ihre Eltern aus Lichtenstadt. Der Ort liegt im böhmischen Erzgebirge im Bezirk Karlsbad und hatte in den 40er Jahren rund 1200 deutsche Einwohner. Durch die Flucht verteilten die sich auf die ganze Welt.
Das ist der historische Hintergrund, der die ehrenamtliche Arbeit der heute 85-jährigen Magdalena Geißler seit Jahrzehnten bestimmt. Nachdem die damals Elfjährige "nach langer Reise im Viehwaggon" am 17. September 1946 Forchheim erreichte, fanden ihre Eltern in Hagenau (Stadt Baiersdorf) eine neue Heimat.
Aber aus den Erzählungen von Magdalena Geißler wird deutlich, dass es mit dem Heimatbegriff so einfach nicht ist. Die ehemaligen Flüchtlinge sprächen unterschiedlich darüber. Für viele sei Lichtenstadt "die alte Heimat" geblieben. Magdalena Geißler dagegen grenzt sich von den "Ewig-gestrigen" ab und sagt: "Es ist nicht die alte Heimat, es ist die Heimat. Und Hagenau ist der Ort, an dem ich seit über 75 Jahren wohne."
Von hier aus hält sie Kontakt zu ehemaligen Lichtenstadtern in der ganzen Welt. Außerdem schreibt die 85-Jährige noch immer Artikel für die Karlsbader Zeitung. Wenn sie von Lichtenstadt erzählt, dann ist das ein Ort, in den sie gedanklich hineingeht, sie sagt "nei in die Heimat".
1986 habe sie diese Aufgabe als Gemeindebetreuerin von Lichtenstadt übernommen. Dazu gehört für sie auch, die Gedenktafel für die Toten zu pflegen und Busfahrten nach Böhmen zu organisieren.
Drei tschechische Bürgermeister hat Magdalena Geißler in den letzten 35 Jahren erlebt - und wiederholt ist sie von tschechischer Seite für ihr Engagement geehrt worden.
Versöhnungswille
Aber warum nimmt sie diese Arbeit all die Jahre auf sich? "Ich mach es meinen Eltern und Großeltern zuliebe", sagt die 85-Jährige. Sie ist froh, dass sich auch ihre Tochter Christina und deren Mann Daniel dafür interessieren.
Und noch ein Motiv treibt Magdalena Geißler an: "Ich will die Versöhnung." Einen beglückenden Moment der Versöhnung habe sie bereits in den späten 60er Jahren erlebt, als sie bei einer Reise in den damaligen Ostblock ihre tschechische Schulfreundin Martha wiedergetroffen hatte.
Kontaktpflege steht im Mittelpunkt der Versöhnungsarbeit. Die 85-Jährige zeigt den Karteikasten. Er sei das wichtigste Instrument ihrer Arbeit als Gemeindebetreuerin. Hier sind die Adressen und Geburtstage derjenigen notiert, die nach dem Krieg aus Lichtenstadt geflohen waren. Wie viele davon leben noch? "Net viele", sagt Magdalena Geißler: "Alle, wo ein Gummiband um die Karten rum ist, die sind schon gestorben." Um die allermeisten Karteikarten ist ein Gummiband gespannt.
Rund 20 Lichtenstadter seien es noch, denen sie zum Geburtstag gratuliere, erzählt die 85-Jährige. Auch die Zahl der Leser der Karlsbader Zeitung sei geschrumpft. "Es sind vielleicht noch fünfzig." Für die werde sie weiter schreiben, sagt Magdalena Geißler, die selbst im Corona-Jahr 2020 das Glück hatte, die Heimat besuchen zu können. "Das war Ende März, da konnt ich noch schnell nei."
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