Der gebürtige Forchheimer Lorenz Schramm ist mit der Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) Seawatch unterwegs, um Menschen aus dem Mittelmeer zu bergen.
Wenn ihm die Seeluft um die Nase weht und es auf die Brücke des Schiffes geht, dann kribbelt es bei Lorenz Schramm förmlich im ganzen Körper. Das Gefühl, jeden Moment könne es zu einer Entdeckung auf dem Meer kommen, fesselt ihn. Lorenz Schramm ist aber nicht auf der Seawatch unterwegs, weil er gerne auf dem Wasser schippert, er ist dabei, weil er Menschenleben retten möchte.
Der 28-jährige Schramm arbeitete bereits zwei Mal als Freiwilliger auf der Seawatch. Die Seawatch ist das Schiff des
gleichnamigen Vereins, der 2015 gegründet wurde, um im Mittelmeer in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten. Bei seiner Arbeit auf dem Schiff kam dem Forchheimer seine Ausbildung zu Gute: Als gelernter Krankenpfleger war er gemeinsam mit drei anderen medizinischen Fachkräften für die Versorgung der Flüchtlinge zuständig.
Keine Erfahrung vorab
Insgesamt sind auf dem Schiff 20 Crewmitglieder. "Alle Lösungen, die es auf dem Schiff braucht, kommen von uns oder sie kommen gar nicht", erzählt Lorenz Schramm. Das sei eine ganz besondere Erfahrung gewesen. Nur die Hälfte der Crew hatte vor der Abfahrt bereits Erfahrungen auf See. "Deshalb war meine Aufgabe am Anfang auch, die Seekrankheit der Kollegen zu behandeln", sagt Schramm lächelnd, "und auch meine eigene."
Zu dem Einsatz auf dem Schiff war Schramm über einen Umweg gekommen. Er war mit ein paar Freunden als Kochteam in der Werft tätig, in der die Seawatch seetauglich gemacht wurde. Da der 28-Jährige schon immer politisch interessiert und engagiert war, und ihn die Arbeit für eine Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) reizte, meldete er sich als Freiwilliger und war nur wenige Tage später im Bootsteam.
Lange Anfahrt
Bevor es aber losgehen konnte, absolvierte die Besatzung ein dreitägiges Training im Hafen. Dort wurde zum Beispiel geübt, was passiert, wenn das Schiff verlassen werden muss oder wie mit einer Angriffssituation umzugehen ist.
Danach ging es vom Hafen in Malta aus los. 24 Stunden dauerte die Fahrt, bis die Seawatch mit ihrer Besatzung vor der libyschen Seegrenze war. Der eigentliche Plan war dann, dass immer abwechselnd Ausschau gehalten werden sollte. Doch dazu kam es nicht.
Bereits bei Ankunft an der Seegrenze entdeckten die Besatzungsmitglieder das erste Flüchtlingsboot, dann ging die Arbeit los. Zurückblickend auf seine zwei Einsätze auf der Seawatch sagt Lorenz Schramm: "Es sind Gefahren, die ich aus meinem eigentlichen Leben nicht kenne." Es war Angst vor Beschlagnahmung, vor der Küstenwache, davor, beschossen zu werden und auch davor, dass Menschen sterben könnten. "Aber die Hoffnung der Menschen zu spüren hilft mir, die Situation zu meistern."
Mittlerweile war Lorenz Schramm bei zwei Einsätzen bereits dabei. Im Herbst folgt der dritte Einsatz. Dabei setzt sich das Team, das hauptsächlich aus freiwilligen Mitarbeitern besteht, immer selbst auch Gefahren aus. Deshalb ärgert sich Schramm über Vorwürfe, die Seenotrettung würde das Geschäft der Schlepper unterstützen.
"Es hat seine Gründe, dass die Menschen so verzweifelt versuchen, aus Libyen zu fliehen, angefangen bei Folter bis hin zu Sklaverei. Mit solchen Strukturen haben wir nichts zu tun, wir arbeiten uns genau genommen an deren Konsequenzen ab, indem wir versuchen dafür zu sorgen,
dass die Leute nicht im Mittelmeer sterben müssen", betont Schramm. "Die Menschen riskieren es, lieber zu ertrinken, als nur einen Tag länger dort zu bleiben. Ich denke, das sagt bereits genug über die Zustände vor Ort aus."