Der Wimmelbacher Herrmann Meißner (81) ist ein Jäger und Sammler

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Hermann Meißner ist ein engagierter Forscher und Sammler heimatgeschichtlicher Zeitzeugnisse. Josef Hofbauer
Hermann Meißner ist ein engagierter Forscher und Sammler heimatgeschichtlicher Zeitzeugnisse. Josef Hofbauer

Hobbyforscher Hermann Meißner (81) aus Wimmelbach hat über Jahre hinweg unzählige heimatgeschichtliche Zeitzeugnisse gesammelt.

Im Telefonbuch steht als Berufsbezeichnung für Hermann Meißner "Technischer Fernmelde-Betriebsinspektor". Doch das war in seiner aktiven Berufszeit. Im Grunde seines Herzens ist Meißner ein Jäger und Sammler.

Die Leidenschaft, Dinge zusammenzutragen, begann mit einer Briefmarke, die das Motiv der Wartburg zeigte und dem damals Achtjährigen in die Hände fiel. "Da hatten wir in der Schule drüber gesprochen", erinnert sich Meißner, den die bunten Bildchen auf den Briefen und Postkarten faszinierten. Im Laufe seines Berufslebens sind so rund 150 Alben zusammengekommen. Sie beinhalten Postwertzeichen aus Deutschland und der ehemaligen DDR, dem Königreich Bayern, dem Saarland, Berlin und dem Deutschen Reich.

Hobbyforscher Herrmann Meißner: Sammeln ist seine Leidenschaft

Darüber hinaus sammelte Meißner Geldscheine aus dem Kaiserreich und der NS-Zeit, so genanntes "Not-Geld", Münzen, geordnet nach den verschiedenen Prägeanstalten und später auch Telefonkarten. Wichtig war ihm dabei immer der Bezug zu Forchheim, das nach der Ausweisung seiner Mutter und seiner Schwester aus Böhmen zu seiner Heimat wurde. So besitzt der in Wimmelbach lebende 81-Jährige eine nahezu komplette Sammlung von Freistempeln sämtlicher Forchheimer Firmen.

Als die ersten Postagenturen eingerichtet wurden, besorgte sich Meißner Stempel sämtlicher Filialen aus der Region, von Aufseß bis Kirchehrenbach, von Heroldsbach bis Gößweinstein. Als historisch interessierter Mensch war für den Post-Angestellten der Weg zur Postgeschichte nicht weit.

Im Telefonbuch steht als Berufsbezeichnung für Meißner "Technischer Fernmelde-Betriebsinspektor"

Seit seinem Ruhestand 1995 spürte der Lokalhistoriker der Geschichte der 104 Poststellen des Postamtes Forchheim sowie den Filialen in den Bezirken Erlangen, Bamberg und Bayreuth nach.

Er forschte, wo die Posthaltereien untergebracht waren, welche Postillione unterwegs waren und welche Dienstknechte sich um die Pferde und die Carriol-Kutschen gekümmert hatten. Meißner versuchte herauszufinden, wer die Briefe, Postkarten und Pakete unter welchen Umständen zugestellt hat.

Dazu durchforstete er die Forchheimer Zeitungen ab 1860, las die Ausgaben des Bamberger Tagblattes ab 1842 und vertiefte sich in die Lektüre des Höchstadter Aischtalboten ab 1885, des Wiesentboten ab 1898 und des Forchheimer Volksblattes. Dabei entging ihm kein Jubiläum, keine Beförderung und keine Todesanzeige.

Um die Postgeschichte nachzeichnen zu können, suchte Meißner Nachfahren der in den Zeitungsartikeln genannten Personen auf, fragte nach alten Fotos und bewahrte so die Erinnerungen und Anekdoten vor dem Vergessen. Wochenlang vergrub sich Meißner bei seiner Quellensuche im Archiv der Stadt Bamberg, dem Bayerischen Staatsarchiv und der Bayerischen Staatsbibliothek.

82 DIN-A4-Ordner füllen Meißners Aufzeichnungen zur Postgeschichte

Ebenso studierte er die Jahrbücher des Postarchives Nürnberg, in denen die Namen sämtlicher Postbediensteter in Bayern aufgelistet sind. Wieder galt das besondere Interesse den (ehemaligen) Beschäftigten der Poststellen im Raum zwischen Baiersdorf, Forchheim und Strullendorf. Stolze 82 DIN-A4-Ordner füllen Meißners Aufzeichnungen zur Postgeschichte.

Weil aber Post und Bahn einst zusammengehörten, sammelte der Hobby-Heimatforscher auch alle Aufzeichnungen und Namen von Personen, die mit der Geschichte der Eisenbahn zu tun hatten.

Gleis- und Baupläne für die Nebenbahnen von Forchheim nach Höchstadt und Ebermannstadt hat er ebenso aufgespürt wie ein handgeschriebenes Fernsprechbuch aus dem Stellwerk Forchheim, das zwischen dem 24. August und dem 3. Oktober 1944 verfasst wurde. Ganz nebenbei entstand in Zusammenarbeit mit Wolfgang Bleiweiß ein Buch über die Geschichte der Lokalbahn Forchheim - Heiligenstadt, den Schienenweg entlang von Wiesent und Leinleiter.

Meißner hat den ICE-Ausbau dokumentiert

Apropos Schienen: Acht Leitz-Ordner füllt Meißners Dokumentation des Aus- und Umbaues, die der Forchheimer Bahnhof im Zuge des ICE-Ausbaues erfahren hat. Auf rund 400 Fotos hat der Heimatforscher sämtliche Arbeitsschritte vom Abbau der alten Schienenstränge bis zum Verlegen der neuen Gleise und dem Abschleifen festgehalten.

Akribisch hat er darüber hinaus den Bau der Schienenstrecke zwischen Nürnberg und Bamberg, beginnend am 18. Oktober 1837, festgehalten. So hat er beispielsweise in Erfahrung gebracht, dass für den Grunderwerb im Bereich Forchheim 19 141 Gulden bezahlt wurden. Für den Hochbau des Bahnhofsgebäudes und die Gestaltung des Vorplatzes waren 20 320 Gulden veranschlagt. Ebenfalls bemerkenswert: Für den Bau der Bahnlinie wurden fünf Steinbrüche in der Region eröffnet. Und Meißner kennt auch alle Namen der Eisenbahn-Vorstände der Region seit 1844.

Seinen Aufzeichnungen ist auch zu entnehmen, dass der erste Zug auf der zunächst eingleisigen Strecke zwischen Nürnberg und Bamberg am 25. August 1844 um 7 Uhr morgens zu einer Probefahrt startete. Am 3. März 1845 kam die in Nürnberg gestartete Dampflok namens Forchheim in der Königsstadt an. Anlass für den Magistrat, den Beschäftigten der Eisenbahn ein Gabelfrühstück mit Wein auf Kosten der Gemeindekasse zu spendieren.

Brunnen, Schöpfräder, Kanal

Damit nicht genug. Meißner erforschte die Standorte sämtlicher Brunnen, die es jemals im Forchheimer Stadtgebiet gab, und suchte nach Aufzeichnungen über den Bau der Wasserleitung und der Stromversorgung von Forchheim.

Er forschte nach Relikten und Dokumenten über den Verlauf des Ludwig-Main-Donau Kanales zwischen Baiersdorf und Bamberg und trug alles zusammen, was er über die ehemaligen Wasserschöpfräder zwischen Burk, Hausen, Baiersdorf und Möhrendorf in Erfahrung bringen konnte. Noch unvollständig sind seine Forschungen über die Mühlen entlang von Wiesent, Aufseß, Trubach und Leinleiter. Seit sieben Jahren ist Meißner auch auf Spurensuche in seinem Heimatdorf nahe Broumov (Braunau in Böhmen).

"Früher durfte ich nicht. Als Fernmeldetechniker zählte ich zu den Geheimnisträgern, denen es verboten war, in den früheren Ostblock zu reisen", erzählt Meißner. Erst seit diese Regelung aufgehoben wurde, fährt der Wimmelbacher regelmäßig in das Grenzland zwischen Tschechien und Polen.

Erinnerungen an die Heimat

Obwohl der Heimatvertriebene erst sechs Jahr alt war, als er den Ort verließ, fand er sich nach über 70 Jahren sofort wieder zurecht. Er wusste die Hausnummer des Backsteingebäudes, in dem seine Großmutter gelebt hatte, entdeckte die Plätze, wo er als Kind gespielt hatte, und durfte sogar das Haus seiner Großmutter besichtigen. "Abgesehen von den neuen Möbeln war alles so, wie ich es in Erinnerung behalten hatte", erzählt Meißner.

In der Pfarrkirche St. Peter und Paul fand er auch den Taufstein, an dem er am 5. Februar 1939 von Pater Odo Hlawatschka getauft wurde. Ein Foto und ein Dokument, überreicht vom Braunauer Bürgermeister Jaroslav Bitnar, hütet Meißner wie einen Schatz.

Er fand auch den Taufstein, an dem er dieses Sakrament empfangen hatte. Eine deutsch sprechende Bewohnerin zeigte Meißner ein Bild ihrer Jugendfreundin, die 1945 ebenfalls nach Deutschland ausgewiesen wurde. Ihre Bitte: Meißner möge doch nach ihr suchen. Wie durch ein Wunder spürte er sie in einem Forchheimer Seniorenheim auf. Gerade noch rechtzeitig. Drei Monate später ist sie gestorben.