Milan Schirowski hat es in Baiersdorf mit einer gewagten Messerübung zum Sifu geschafft. Der 25-Jährige hat von seinem Lehrer Sigung Walter nicht nur viel über den Körper, sondern auch über das Leben gelernt.
Mit einem tiefen Stoßseufzer sammelt sich Milan Schirowski noch einmal, bevor er mit seinem Meisterstück beginnt. Das soll ihn nach zwölfjähriger Ausbildung in der Kampfkunst Kung Fu als sogenannten Sifu und damit als Lehrmeister ausweisen. Der 25-Jährige hat das schwarze Oberteil des Schülers abgelegt und ein rotes übergestreift, das er jetzt in seiner neuen Funktion zu tragen berechtigt ist.
Dann tritt der zarte, beinah schmächtige Mann mit dem schmalen Gesicht und den feingliedrigen Händen vor das Publikum in der Halle des Baiersdorfer Sportvereins (BSV) und erklärt, dass er die "Blumenfaustform" oder "rotierende Faustform" beabsichtige, "in Waffen zu überführen". Die von ihm neu geschaffene Doppelmesserform stellt er hiermit erstmals öffentlich vor.
Alsbald zeigt sich, dass die Sorge des zugleich mit Sifu Milan zum Großmeister (Sigung) Walter Herz (59) durchaus berechtigt ist: "Wir wollen nicht, dass du hier alles zerstückelst."
Äußerste Körperspannung Ein Messer in jeder Hand wirbelt der sonst eher verhalten agierende junge Kampfkünstler mit geballter Kraft, äußerster Körperspannung und einer Behendigkeit, der die Augen kaum noch folgen können, durch den Raum.
Er schwingt die Messer um sich, springt um die eigene Achse, stürmt mit ungebremster Wucht auf die überwiegend von Kindern besetzte erste Reihe des Publikums zu, um im letzten Moment elegant wegzuschwenken.
Dabei stößt er im Wechsel zwei Laute aus: ein zischendes "Sss" und ein herrisches "Hmm". Großes Lob spendete ihm hernach der Großmeister: "Ich bin froh, dass du zu deiner Atmung und den Tönen gefunden hast, nachdem wir sehr stark an deinem Ausdruck gearbeitet haben."
Mit einer traditionellen chinesischen Teezeremonie wird Milan Schirowski anschließend in den Inneren Kreis der Kampfkunstbewahrer aufgenommen. In einer verkürzten Form folgten die Beteiligten damit dem Kung Fu Tee-Weg, der in der Provinz Fujian in Südchina seit weit über 1000 Jahren praktiziert wird. Vor dem Großmeister kniend reicht Schirowski diesem eine Schale mit schwarzem Tee, den er zuvor in einem vorgeschriebenen Ritual aufgebrüht hat. Anschließend nimmt er links vom Großmeister Platz. Beide schlürfen den heißen Sud.
Ebenfalls in kniender Haltung übergibt Schirowski anschließend den breiten schwarzen, mit weißen chinesischen Schriftzeichen verzierten Großmeistergürtel an Herz, den dieser dann umlegt.
Ehrerbietung und Loyalität gegenüber dem Meister sollen darin genauso zum Ausdruck kommen wie auch die Bereitschaft, das erlernte Kampfkunstsystem zu wahren und zu verbreiten. Auf symbolischer Ebene wird damit zugleich verdeutlicht, dass das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer jetzt auf eine andere Ebene übergeht. Bereits im Alter von elf Jahren hatte Schirowski den Entschluss gefasst, die Kampfkunst zu erlernen. Die Manga-Serie "Dragon Ball" sei dafür der Auslöser gewesen, denn er habe sich erhofft, mit Kung Fu zu lernen, "wie man fliegt, zwanzig Schritte in der Luft macht und mit einem Energiestrahl aus der Hand Feinde vernichtet". Im Rückblick räumt der 25-Jährige ein: "Wie die meisten Elfjährigen habe
ich damals wenig Ahnung von Kung Fu gehabt."
Erst sein Lehrer Walter Herz, der für ihn in all den Jahren ein Vorbild, ja ein Idol gewesen sei, habe ihm ein anderes Bild der Kampfkunst vermittelt. Wie ein Vater sei der Lehrer für ihn gewesen.
Sifu Milan kennt keine Zweifel: "Hätte ich nicht unter seiner Anleitung die Kampfkunst erlernt, so wäre es mir nicht möglich gewesen, so zielstrebig durch das Leben zu gehen und so früh Verantwortung zu übernehmen."
Die jugendliche Wut in Grenzen zu halten, die Mitmenschen besser zu verstehen und das Leben insgesamt gelassener zu nehmen - darin sei er von Herz bestärkt worden.
Sigung Walter selbst ist voll des Lobes über seinen gelehrsamen Schüler. Der habe sich nicht nur als bewegungsfreudig, sondern auch als sehr talentiert erwiesen.