Brüder verkaufen jahrelang Drogen und werden zufällig gefasst

5 Min
Symbolfoto: Christopher Schulz
Symbolfoto: Christopher Schulz

Als sie 2014 kontrolliert wurden, gerieten zwei Brüder aus dem Raum Forchheim ins Visier der Ermittler. Vor Gericht müssen sich die Dealer nun verantworten.

Zwei Brüdern aus dem Raum Forchheim werden mehrere Rauschgiftgeschäfte im großen Stil vorgeworfen. Anton und Benno S. (Namen geändert) verkauften viele Jahre Crystal im hiesigen Raum und importierten das Methamphetamin direkt aus Tschechien.

Seit Ende Januar verhandelt deswegen die Große Strafkammer des Landgerichts Bamberg. Am dritten Verhandlungstag vernahm das Gericht unter Vorsitzendem Manfred Schmidt Zeugen zu drei Tatkomplexen. Um die größte Menge Geld ging es im Oktober 2014. Mit über 70 000 Euro wurden die beiden Brüder aus dem Raum Eger kommend von der Polizei in Grenznähe kontrolliert.

Stimmen frühere Angaben des älteren Bruders Anton, waren die beiden auf der Rückfahrt, weil ein Kauf gescheitert war. Die asiatischen Dealer sollen sie für verdeckt operierende Polizisten gehalten haben. Aus der Sicht eines Waldsassener Polizeibeamten, der als Zeuge vernommen wurde, stellte sich der Vorfall so dar: "Es war reiner Zufall, dass wir dieses Auto kontrollierten." Üblicherweise treten er und ein Kollege an die Seitenfenster und sprechen die Insassen an. Da ihnen deren Angaben merkwürdig vorkamen, machten sie einen Wischtest auf Drogen. Er war positiv.


Woher kommt das viele Geld?

Der Test schlägt an, wenn jemand Amphetamin berührt hat oder wenn sein Schweiß Drogenrückstände absondert. Die Polizisten zogen einen Hundeführer mit seinem Rauschgifthund hinzu. Das Tier schlug beim Handschuhfach an. Darin fanden die Beamten kein Crystal, sondern jede Menge Geldscheine in Frischhaltefolie eingewickelt - exakt 59 500 Euro. "War das keine Fehler vom Hund?", fragte der Vorsitzende ironisch.
In den Geldbörsen der beiden Brüder waren je weitere 5000 Euro zu finden. Benno, der jüngere von beiden, hatte zehn 500er-Scheine einstecken.

Der Tatverdacht Rauschgiftgeschäft war damit zwar hinfällig, aber die Waldsassener dachten an Geldwäsche und schalteten deswegen ihre Fachkollegen vom Zoll ein. Die befragten die beiden Brüder getrennt und erhielten zwei vollkommen unterschiedliche Erklärungen.

Benno behauptete, es seien seine Ersparnisse aus einer beruflichen Abfindung, die er jahrelang im Auto versteckt habe. "Ich wusste, dass so viel Geld meldepflichtig ist, dachte aber bei der Fahrt gar nicht an das verbaute Geld." Laut Anton stammte die Summe aus einer Erbschaft eines Bekannten, der vorübergehend bei ihm gewohnt habe.

Diesen Mann gibt es wirklich, er sagte vor Gericht als Zeuge aus. Auch wenn dem Vernehmungsbeamten vom Zoll beide Versionen unglaubwürdig erschienen. Nach dem Tod seines Vaters - etwa zwei Monate vor dem Vorfall in Waldsassen - erbte der arbeitslose Grafiker die Hälfte einer Eigentumswohnung. Sie wurde verkauft und wunschgemäß zahlte ihm der Käufer seinen Anteil von 72 000 Euro in einer Bank im Landkreis Forchheim in bar aus. In 500-Euro-Scheinen. Deswegen hatten der Erbe und Anton einen Koffer dabei und nahmen ein Taxi für den Geldtransfer.

Der Erbe bezahlte etliche private Schulden und übergab den Rest Anton zur Aufbewahrung, weil er angeblich bei keiner Bank wegen seiner wirtschaftlichen Lage ein Konto erhielt. Schnell merkte er, dass er merkwürdig angeschaut wurde, wenn er mit den großen Geldscheinen zahlen wollte. Also wechselte er einige Tausender bei Banken um. Auch Anton handelte so. Er bunkerte - vermutlich im Garten - das Geld in großen und gängigen Scheinen und gab dem Erben bei Bedarf die gewünschte Summe. Das Versteck oder die Verstecke hat Anton angeblich gewählt, weil eine Exfreundin von ihm schon mal bei ihm lange Finger gemacht habe.

Von der Fahrt nach Tschechien will der Erbe erst später erfahren haben. Er wollte sein beschlagnahmtes Geld zurückhaben und klagte deshalb beim Verwaltungsgericht. Doch das entschied: Es bleibt sichergestellt zur Gefahrenabwehr.
Ganz astrein erschien dem Vorsitzenden diese Geschichte nicht, noch dazu weil keiner der zwei Angeklagten erklärte, das in Waldsassen einkassierte Geld gehöre dem Erben. "Das wäre doch auch eine Geschichte", sagte Schmidt, "wenn abgemacht worden wäre, wir kaufen für 60 000 Euro Crystal und vervier- oder verfünffachen so das Erbe". Doch der Erbe konnte nicht sagen, ob Benno überhaupt von seiner Gelddeponie bei Anton wusste.

Letztlich sei es 2014 Zufall gewesen, dass der Polizeibeamte aus Waldsassen auf die beiden traf. Genauso zufällig kam es zur Festnahme im April vergangenen Jahres. Seither sitzen Anton und Benno S. in U-Haft. Ende März 2016 griffen Polizisten bei Waldsassen eine Frau auf, als sie die Landesgrenze mit 25 Gramm Crystal zu Fuß passieren wollte. Sie ist eine gut verdienende Industriemechanikerin aus Erlangen, die schon länger verschiedene Drogen konsumiert. Die Frau packte in ihrem Verfahren aus. Inzwischen wurde sie zu einer Bewährungstrafe verurteilt.

"Es war sozusagen das erste Mal, dass ich selber direkt Crystal holte", sagte sie als Zeugin in Bamberg aus. Ihre Forchheimer Bezugsquelle - eine Frau, die die Drogen über fünf Jahre von den beiden Brüdern bezog - war ein Weile zuvor versiegt. Immer am Ersten eines Monats holte sie bei ihr vier, fünf Gramm - und nicht selten in der Monatsmitte noch einmal Nachschub. Dabei traf sie auch mit Benno zusammen. Auch die Forchheimerin sagte über ihre Bezugsquellen bei der Polizei und dem Zoll aus und setzte damit die Ermittlungsmaschinerie in Gang.
Eine Handyortung ergab, dass sich Anton S. Ende März einige Stunden in Tschechien aufgehalten hatte, eine Prepaidnummer mehrfach kontaktiert und per WhatsApp Kontakt mit seinem Vermieter aus dem Landkreis hatte, der - das ergab die Auswertung der Handydaten - auch im Grenzgebiet unterwegs war. Der Beamte vom Zollfahndungsamt konnte daraus die genaue Fahrtroute rekonstruieren.


Morddrohung ausgesprochen

Am 5. April schlugen die Zöllner zu. Um 5.30 Uhr standen sie bei Anton und zeitgleich bei Benno vor der Tür. Der Leiter der Durchsuchung listete akribisch auf, was und wen sie in Antons Wohnung gefunden hatten: einen wachen Anton und eine Verwandte des Vermieters, die in ihren persönlichen Sachen eine Haschpfeife und eine Bong dabei hatte; ein benutztes Schnupfröhrchen und ein leeres Tütchen unter dem Tisch.

Im Schlafzimmer fanden die Ermittler in einer Blechdose offen auf einer Kommode über 200 Gramm Crystal und in einem Stoffbeutel einen geladenen Revolver und weitere Munition. In einem Mantel und einer Jacke entdeckten sie gefüllte Drogentütchen, im Küchenschrank eine szenetypische Feinwaage. Anton wurde verhaftet.
Bei Benno verlief es ähnlich: Im Keller entdeckten die Beamten eine große Menge pyrotechnisches Material. Ein Fachmann für Sprengstoffe wurde hinzugezogen. Erst er entdeckte das dort versteckte Rauschgift. Der Zeuge vom Zoll bestätigte: "Er ist kein verkappter Terrorist; das war nur für sein pyrotechnisches Hobby." Aber sie fanden auch Informationen über Cannabisanbau und Samen und eine große Menge Crystal sowie eine 100-Gramm-Platte Hasch.

In U-Haft schrieb Anton unter anderem auf, dass er im März 2016 mit seinem Vermieter 560 Gramm Crystal gekauft und geschmuggelt habe. Der Vermieter ist ebenfalls in Haft und wartet auf seinen Prozess.
Über Umwege nahm Anton auch Kontakt zu der Zwischenhändlerin in Forchheim auf: Er werde sie wegräumen, wenn sie nicht Kontakt zu seinem Anwalt aufnähme, ließ er ausrichten. Die 56-Jährige war verwundert, da sie seit drei Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Aus persönlichen Gründen - oder, weil Anton das Crystal laut der Erlangerin gestreckt habe - , hatte sie auf seinen Bruder Benno als Lieferanten gewechselt. Eine Mittelperson überbrachte ihr die Drohung, Anton werde sie und sich umbringen. Am 2. März geht die Verhandlung weiter.