Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Hermann Meißner entdeckte das Tagebuch eines damaligen Postamtsvorstehers.
Hermann Meißner aus Wimmelbach ist seit der Pensionierung vor 25 Jahren ein unermüdlicher Sucher und Forscher in Bezug auf die fränkische Postgeschichte. Er hat alle 104 Postämter der Fränkischen Schweiz und darüber hinaus erforscht und die Daten sauber und übersichtlich in Ordnern katalogisiert.
Obwohl er keinen Computer besitzt und alles mit der Hand in sauberer Druckschrift schreibt, hat er vieles ausgegraben, das ohne ihn schon längst vergessen wäre. Dabei fand er auch wichtige Daten, die nur nebensächlich mit der Post zu tun haben; beispielsweise das Ende des Zweiten Weltkrieges in Gößweinstein vor 75 Jahren aus Sicht des dortigen Postamtsvorstehers, der eine Art Tagebuch schrieb. Hier die Aufzeichnungen im Wortlaut:
"Unaufhaltsam geht die Front im Westen mit Riesenschritten ostwärts. Aus Postkreisen hört man, dass wichtiges, bewegliches Postgut der größeren Postämter zur Sicherstellung auf dem Lande verlagert wird. Auf dem Dienstweg wird angefragt, ob fragliche Gegenstände des Postamts Bamberg in Gößweinstein untergebracht werden können. Der Plan wird ausgeführt.
9. April 1945: In den Abendstunden treffen mit Postomnibus 20 plombierte Briefbeutel unter Begleitung der Polizeiinspektion Bamberg Stadt hier ein. Die Briefbeutel werden im Paketraum untergebracht.
Samstag, 14. April 1945: In den Vormittagsstunden wird bekannt, dass amerikanische Truppen die zehn Kilometer entfernte Ortschaft Waischenfeld erreicht haben, und den Marsch in Richtung Gößweinstein fortsetzen. Am Postschalter Gößweinstein wird weitergearbeitet. Die Schaltergäste stehen Schlange: Alle tätigen Rückzahlungen von ihrem Postsparkonto. Es ist gut, dass wir vom Postamt Bamberg 11 000 Reichsmark in bar erhalten haben. Nur so ist es möglich, dass alle Geldabheber befriedigt werden können. Um 20 Uhr ist Kassenabrechnung - sie stimmt.
Schwache deutsche Truppen befinden sich in Gößweinstein und Umgebung noch in Stellung. Die Einwohner verlassen größtenteils ihre Wohnungen und verbringen die Nacht in den naheliegenden Felsenkellern. Der Vorsteher des Zweigpostamtes verbringt die Nacht im Abfertigungsraum.
Sonntag, 15. April 1945: Amerikanische Panzer nähern sich aus Richtung Behringersmühle. Einzelne Gewehrschüsse von deutschen Soldaten fallen. Die Folge ist, dass ein Haus in der Nähe des Postgebäudes durch Artillerie in Brand geschossen wird. Bald darauf wird Gößweinstein den Amerikanern übergeben. Ein amerikanischer Offizier, begleitet von zwei Soldaten, betritt das Postamt und fragt den Postamtsorsteher, ob alles noch in Ordnung ist und gibt die Weisung, dass der gesamte Postverkehr bis auf Weiteres stillgelegt ist. Für die Durchführung dieser Anordnung macht er den Vorsteher verantwortlich. Hierauf werden am Nord- und Südeingang des Posthauses die Plakate angebracht, die auf Deutsch übersetzt lauten: Kein Eintritt für Militärpersonal und Zivilbevölkerung. Betreten der Räumlichkeiten verboten. In den letzten Kriegsjahren waren in Gößweinstein ständig bis zu 400 Schüler mit ihren Lehrkräften (im Zuge der Kinderlandverschickung) aus dem Raum Hamburg anwesend. Sie waren in den großen Gasthäusern untergebracht, was die Arbeit des Postamtes vermehrte, denn die Schüler wechselten häufig. Hinzu kam, dass alle Ressourcen für die Kriegsindustrie benötigt wurden, so dass beispielsweise der Kraftpostverkehr "aus Mangel an Benzin und weil die Fahrer zum Heeresdienst eingezogen waren, nun von Pferdefuhrwerken gemeistert werden musste".
Wie vorher in Hollfeld und Waischenfeld verlief die Besetzung Gößweinsteins durch die Amerikaner im Wesentlichen friedlich und unspektakulär. Der Ort hat von den Kriegszeiten sogar profitiert: viele der Kinder, die hier während der Bombardierung der Großstädte ausharrten, kamen später als erwachsene Urlauber wieder.