Wer morgens um 6 Uhr in den Straßen lärmt, bekommt im Normalfall Ärger. Doch die Ratschenkinder dürfen das - denn sie haben eine Mission.
Werden Sie gerne samstags um 6 Uhr früh geweckt? Wahrscheinlich nicht. Es sei denn, Sie sind gläubiger Katholik und es ist Ostern. Denn dann sind die Glocken Richtung Rom geflogen und es erinnert kein Läuten daran, dass der Gottesdienst ansteht.
Hier kommen die Ratschen ins Spiel. Von Kindern betätigt, vertreten sie die Glocken und wecken die Christen, damit sie zur rechten Zeit in der Kirche erscheinen.
Meist übernehmen Ministranten diese ehrenvolle Aufgabe. Über Ostern stiefeln sie mit ihren hölzernen Krachmachern durch die Straßen der Ortschaften und lärmen, was das Zeug hält. Auch im Höchstadter Ortsteil Nackendorf hat sich dieser Brauch über Generationen hinweg bis heute erhalten. "Allerdings", erklärt Mesner Robert Eitel, "gibt es hier nicht mehr genug Ministranten.
Daher dürfen auch andere Kinder aus dem Ort mitmachen".
Dreimal am Tag müssen die Krachmacher ran, das erste Mal um 6 Uhr früh. "Um 5 Uhr aufzustehen ist natürlich schon hart für die Kinder", sagt Eitel. Da stimmen ihm Theresa, Lukas, Maximilian, Manuel, Jonas, Jan, Fabian und Katrin zu: So früh aufstehen ist doof.
Karfreitags-Gratschen by Infranken.de
Dennoch haben sich die Ratschenkinder allesamt freiwillig gemeldet - denn trotz des frühen Aufstehens macht das Krachmachen richtig Spaß. "Das ist schon cool, wenn man auch mal die anderen aus dem Bett klingeln darf", sagt Fabian mit einem schelmischen Grinsen. Um 12 Uhr mittags und 19 Uhr abends ist das mit dem Aufstehen dann kein Problem mehr.
Doch es wird nicht nur geklappert. Nebenbei versehen die Kinder ihren Lärm mit einem Sprüchlein, das sich zunächst auf das Ansagen der Uhrzeit beschränkt.
Doch am Vormittag des Karsamstags erbitten sich die Kinder von den Einwohnern eine milde Gabe für ihre Mühen. Dann schallt es wie folgt durch den Ort: "Eier raus, Eier raus! Ist a gute Fra im Haus, gibt sie a Dutzend Eier raus!" Auch diese unmissverständliche Bitte wird natürlich von einem entsprechenden Lärmpegel begleitet.
Auch Mesner Robert Eitel hat in seiner Kindheit mitgemacht. "Das Gratschen - so nennt man das Ratschen in Nackendorf - gehört einfach mit dazu", sagt er. Wer sich vor dem frühen Aufstehen drückt, der bekommt am Schluss weniger Ostereier. "Mein Sohn hat damals immer gesagt: ,Sollen sie mir doch ein paar Eier abziehen - um fünf Uhr früh steh' ich nicht auf'", sagt Eitel.
Das Bauen der Ratschen ist indes eine Kunst für sich, wie der Mesner erklärt.
"Das können nur noch wenige Leute und einige Schreiner." Und die hölzernen Lärm-Instrumente sind auch gar nicht so billig - zwischen 50 und 80 Euro muss man dafür hinblättern. Dennoch hat in Nackendorf jedes Kind seine eigene Ratsche - oder wie die sechsjährige Theresa einen sogenannten Kläpperer. Das ist ein kleiner, hölzerner Hammer auf einem Brett, das an einem Stil befestigt ist. Er funktioniert ähnlich wie bei einer Klingel.
"Früher wurden die Ratschen noch von Generation zu Generation weitergegeben", erläutert Eitel. Doch die hölzernen Krachmacher seien einer gewissen Belastung ausgesetzt und würden daher auch nicht ewig halten. Nur eine "Gratsche" ist hier schon etwas betagt: sie ist seit fast 50 Jahren in Familienbesitz und hat schon an einigen Osterfesten gute Dienste geleistet.
Auch wenn der frühmorgendliche Lärm nicht jedermanns Sache ist: Beschwerden, sagt Eitel, seien noch nie vorgekommen.