Höchstadter Heimatverein tuckert im Erntewagen nach Schlüsselfeld

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Geselligkeit im Erntewagen des Höchstadter HeimatvereinsFotos: Waltraud Enkert
Geselligkeit im Erntewagen des Höchstadter HeimatvereinsFotos: Waltraud Enkert
Gemütlichkeit in Fetzelhofen
Gemütlichkeit in Fetzelhofen
 
Das Gespann für den Ausflug
Das Gespann für den Ausflug
 
Renate Herbert von der Hammermühle schenkt ihr "Mühlenfeuer" aus.
Renate Herbert von der Hammermühle schenkt ihr "Mühlenfeuer" aus.
 
Eduard Grau
Eduard Grau
 
Hermann Popp (l.) und Georg Römer beim Bieranstich
Hermann Popp (l.) und Georg Römer beim Bieranstich
 
Waltraud Enkert
Waltraud Enkert
 
Stets im Einsatz: Musiker Hans Häfnert
Stets im Einsatz: Musiker Hans Häfnert
 

Georg Römer vom Heimatverein lenkt den Cormick mit den 19 Gästen an Bord durch Wald und Flur.

Hoch auf dem gelben Wagen Der Erntewagen ist nicht gelb wie die Postkutsche im Lied, zu dem Rudolf Baumbach im Jahr 1879 den Text geschrieben hat. Beim Höchstadter Heimatverein ist der umgebaute Traktoranhänger braun mit weiß-rot gestreiftem Dach. Innen ist ein blauer Teppich ausgelegt. Die Sitzflächen links und rechts sind blau gepolstert. Rot ist das "Zugpferd", ein betagter Traktor der Marke Mc Cormick mit 24 PS.

Sitz ich beim Schwager vorn Mit Schwager meinte Songwriter Rudolf Baumbach damals den Postillon. Übertragen auf den Heimatverein ist das Georg Römer, der Vorsitzende. Ihm gehört auch der Traktor. Die 19 Gäste haben auf dem angehängten "Erntewagen" Platz genommen.

Vorwärts die Rosse traben Als der Cormick durch Thüngfeld fährt, zeigt eine Geschwindigkeitsanzeige 19 km/h. Das dürfte wohl der Durchschnittsgeschwindigkeit entsprechen. Insgesamt legt der Bulldog an diesem Samstag 44 Kilometer zurück. Die reine Fahrzeit beträgt rund fünf Stunden.

Lustig schmettert das Horn Tatsächlich geht es lustig zu. Dafür sorgt in erster Linie Hans Häfner mit seinem Akkordeon, der in der Wagenmitte an der Stirnseite Platz genommen hat. Denn der Erntewagen ist heute ausgebucht. Wirtshauslieder sind angesagt. Häfner hat kleine Liederbücher ausgeteilt, eigentlich gemacht für den Seniorenkreis St. Georg - so steht es zumindest auf dem Deckblatt. Tatsächlich, der Altersdurchschnitt der Teilnehmer liegt jenseits der 65. Die Mehrzahl ist nicht zum ersten Mal dabei. Vielleicht kennen die Senioren deshalb die Liedtexte so gut? So wie Siegfried Schwinge. Der 78-Jährige weiß auch die Strophen, die nicht ganz jugendfrei sind. Chauffeur Römer sagt: "Der Siggi kennt bei 60 Strophen den Text von 61." Der Siggi und der Häfners-Hans sind eingespielt. Siggi beginnt ein Lied zu singen - egal welches. Die Akkordeon-Begleitung folgt prompt.

Berge, Täler und Auen Start der Fahrt war in Höchstadt am Gasthof Zum Hirschen. Der Weg führt über Schirnsdorf, Kleinwachenroth, Lach, Elsendorf und Thüngfeld nach Schlüsselfeld. Der Heimweg geht über Gleißenberg nach Frickenhöchstadt zum Zwischenstopp Fetzelhofen. Auch Flurbereinigungswege sind dabei. Georg Römer kündigt rechtzeitig an: "In 2000 Meter erreichen wir die Therapiestrecke zur Nierensteinzertrümmerung. Bitte bei der Krankenkasse anmelden. Und trinkt euren Schnaps jetzt! Später verschüttet ihr alles!"

Leuchtendes Ährengold Was an diesem Samstag besonders leuchtet, ist die Sonne vom Himmel. Für die friedliche Natur abseits der Hauptverkehrswege wäre Leuchten vielleicht nicht das treffende Wort. Ruhe passt besser. Langsam fährt der Traktor dahin. Georg Römer sagt: "Ein Beitrag zur Entschleunigung. Man kann auch langsam von A nach B kommen - das ist viel schöner." Nur sei in der heutigen Zeit das Wissen darum verlorengegangen.

Ich möcht in Ruhe gern schauen Zum Schauen gibt es auf dieser Fahrt wahrlich genug. Die erste Station ist schon eine Stunde nach dem Start um 9 Uhr erreicht: Die idyllisch gelegene Hammermühle. Das Frühstück "in Form von Brennerzeugnissen" (Römer) bietet viel Auswahl, vom Apfellikör über den Mirabellenbrand bis zum Mühlenfeuer. Renate Herbert gibt eine kleine Führung durch die Brennerei, in der sonst ihr Sohn das Sagen hat. Er brennt auch für andere Leute, die ihre Maische vorbeibringen, berichtet sie.

In Thüngfeld ist Stopp an der St.-Bartholomäus-Kirche. Messner Josef Krug berichtet Eckdaten. Das interessanteste Kapitel für die Besucher ist wohl, dass die Altäre aus dem Aischgrund stammen. Genauer aus der Basilika, die einst auf dem Lauberberg bei Sterpersdorf stand. Im Zuge der Säkularisation war sie abgebrochen worden.

In Schlüsselfeld erwartet Bürgermeister Johannes Krapp (CSU) die "Georg-Römer-Traktorbrigade" aus dem Aischgrund. Er packt die Entwicklung der Stadt in Zahlen. Auch ein Blick in die Marienkapelle ist möglich, obwohl die sonst immer verschlossen ist. Der Grund dafür: Ein Engel wurde gestohlen - bis heute weiß niemand, wo er geblieben ist. Inzwischen steht eine Nachbildung in der Kirche. Der Bürgermeister bezeichnet den Bau liebevoll als "Schmuckstück". Krapp führt die Römer-Gruppe durch die historische Altstadt. Er ist Aushilfstrompeter bei den "Hornochsen". Die wiederum sind eine Musikgruppe, in der auch Heimatvereinsvorsitzender Römer aktiv ist. Ein Treffen unter Kollegen also.

Mittagessen bei der Metzgerei Herrmann, Eis am Schlüsselfelder Marktplatz, ein gemütliches Bier bei der Brauerei Scheubel. Museumsleiter Wilfried Auer hat das Stadtmuseum aufgesperrt und gibt den Besuchern aus Mittelfranken eine kleine Führung. Danach Kaffeetrinken. Wie schnell die Zeit doch vergeht. Die Gruppe tritt die Heimfahrt an.

Aber der Wagen, der rollt Die letzte Einkehr des Tages ist bei Herrmann Popp in Fetzelhofen. Popp sticht zusammen mit Georg Römer ein kleines Fass an und tischt eine echt fränkische Brotzeit auf. Eins geht noch, bevor der Erntewagen zurück nach Höchstadt rollt.

Kommentar:

Sanfte Therapie

ass auf den holprigen Wegen im Erntewagen die Nierensteine zertrümmert werden, wie es Heimatvereinsvorsitzender Georg Römer behauptet, ist natürlich ein Scherz. Grundsätzlich aber sollte der therapeutische Nutzen durchaus in Betracht gezogen werden. Denn bekanntlich wirken sich Geselligkeit und Freude positiv auf die psychische Verfassung aus. Teilnehmer Siegfried Schwinge (78) fasste es am Ende so zusammen: "Das war wieder schön heute. Da kann ich jetzt ein paar Tage davon zehren."

Und nicht zu vergessen: die Entschleunigung. Mal nicht schwer nachdenken, einfach Zeit haben, vielleicht bei den Liedern ein bisschen mitsingen, sich unterhalten über die einfachen Dinge des Lebens, dazu die Natur, Speis und Trank genießen. Das sollte fester Bestandteil

im Alltag eines jeden von uns werden. Es ist bestimmt genauso effektiv wie 30 Minuten joggen. So viel geschwitzt wie beim Joggen haben die Gäste auf dem Erntewagen auf jeden Fall - auch wenn das in erster Linie an den hohen Temperaturen gelegen haben mag.