3. Lesungen
Es gibt zwei Lesungen. Sie werden vorgetragen von einer Dame, einer der liturgischen Lektoren. Die erste, die Epistel, stand im zwölften Kapitel der Offenbarung des Johannes und widmete sich erneut, dem Michaelistag angemessen, dem Erzengel Michael. Das Evangelium des Tages stand bei Lukas, im zehnten Kapitel. Die Besucher antworten auf diese Lesung mit dem gemeinsamen Bekenntnis ihres christlichen Glaubens.
4. Predigt
Die Predigt ist mit mehr als 25 Minuten viel zu lang. Sie steigt ein mit dem Lied "Der Mond ist aufgegangen", welches der Pfarrer als Gleichnis versteht. Man solle den sichtbaren und unsichtbaren Teil der Welt gleichermaßen wahrnehmen. Mit dieser Aufgabe und der mehrfach betonten Erkenntnis, wie schlecht die Welt teilweise ist, lässt einen der Prediger leider zurück, ohne aktuelle Bezüge klar herzustellen oder gar moralische Handlungstipps zu geben. Vielmehr gleicht die Predigt einem Vortrag evangelischer Glaubenstheorie. Das ist schade, scheint den Anwesenden aber egal zu sein. Während der Pfarrer spricht, kleben die Gläubigen andächtig an seinen Lippen.
5. Abendmahl
Es gab an diesem Tag kein Abendmahl.
6. Segen
Der Segen fällt sehr umfangreich aus. Nicht nur die Anwesenden, "unser Volk" sowie alle Dekanate sollen Gottes Segen empfangen, sondern auch die Partner-Diözese in Afrika. Was dem restlichen Gottesdienst an Politischem abging, findet in der Bitte Ausdruck, keinen auf Grund seiner Hautfarbe oder Herkunft auszugrenzen. Nach dem Vaterunser und weiteren gesungenen Gebeten schließt ein kurzes Orgelstück den Gottesdienst.
7. Ambiente
Der kleine Innenraum der Christuskirche wirkt einer evangelischen Gemeinde angemessen schlicht, aber gemütlich. Das innen mit Holz verkleidete Spitzdach zaubert ein Gefühl von Luftigkeit in einen Saal, der sonst beengt wirken könnte. Vor allem, da die Orgel sehr tief über dem Eingangsbereich hängt. Die Kirche wirkt sauber und liebevoll gepflegt, nur außen hat der Bau aus den 1960er Jahren gelitten. Dies ist dem Kirchenvorstand bewusst, in den kommenden Monaten soll Hand an Fenster, Außenanlage und Turm gelegt werden.
8. Kirchenbänke
Die Bänke sind äußerst unbequem. Sowohl die kurze Sitzfläche als auch die weit nach vorne stechende Lehne befreien nur die Rücken jener von Schmerzen, die aufrecht sitzen können oder wollen. Demut vor Gott lässt sich sicher ergonomischer herstellen.
9. Beleuchtung
Die Beleuchtung erhellt, ohne zu blenden. Durch die bodentiefen, unverzierten Bleiglasfenster auf beiden Seiten des Kirchenraumes fällt viel natürliches Licht herein. Tagsüber kein Problem. Einige Kerzen an der Altarseite und etwas künstliche Beleuchtung tauchen die Kirchenbänke aber sicher auch in den Abendstunden in einen gemütlichen Schein.
10. Sinne
Die Kirche wirkt kaum aus sich selbst heraus. Durch die Schlichtheit und die natürliche Beleuchtung helfen anfangs lediglich die Kirchenbänke, den Raum als sakralen zu erkennen. Das muss aber nicht von Nachteil sein. So bleibt dem Besucher die Möglichkeit, sich zu Beginn des Gottesdienstes auf sich selbst zu besinnen und nicht von schnödem Prunk abgelenkt zu werden.
Warum ein Gottesdiensttest?
Wir wollen mit unserem Gottesdienst-Test die Kirchen ein wenig mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken. Unter Kirchgängern, Geistlichen und Lesern soll eine Diskussion darüber entstehen, was einen guten Gottesdienst ausmacht. Dieses in der Regel sonntägliche Treffen hat für evangelische wie katholische Christen ja bis heute eine große Bedeutung. Soll lebender Ausdruck des Christseins sein. Wir haben uns für eine Bewertung nach objektiven Kriterien theologische Hilfe geholt bei den Professoren Martin Stuflesser (Würzburg), er ist auch Berater der deutschen Bischofskonferenz, und Martin Nicol (Erlangen), der mit seinem Buch "Weg im Geheimnis" ein Plädoyer für den evangelischen Gottesdienst abgibt. Ergänzt werden objektive Kriterien um die subjektiven Eindrücke, die unsere Kollegen gewonnen haben.
Alle Berichte unserer Serie finden Sie auf unserer Übersichtsseite zum Gottesdiensttest
Dort finden Sie auch ausführliche Infos.