Wenn die Not am Fuß groß ist

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Podologin Julija Prosch kämpft für den Nachwuchs in ihrem Berufsstand.
Podologin Julija Prosch kämpft für den Nachwuchs in ihrem Berufsstand.
Christiane Lehmann

Es gibt zu wenig Podologen. Die Nachfrage ist groß. Es gibt immer mehr Patienten. Doch der Nachwuchs hat es schwer.

Kenn ich nicht. Hab ich noch nie gehört. Wer soll das sein? Was macht der? Der Podologe ist als Gesundheitsfachberuf noch nicht wirklich in unserer Gesellschaft angekommen. Doch die Nachfrage steigt jährlich. Im Gegensatz zum medizinischen Fußpfleger ist ein Podologe in der Lage so genannte Risikopatienten wie Diabetiker, Bluter und Rheumatiker entsprechend ärztlicher Verordnung fachgerecht zu behandeln. Die medizinische Fußpflege ist die präventive, therapeutische und rehabilitative Behandlung am gesunden, von Schädigungen bedrohten oder bereits geschädigten Fuß.

Zwei kassenärztlich zugelassene Podologen gibt es in Coburg und zwei, die bewusst auf eine Kassenzulassung verzichtet haben. Eine davon ist Julija Prosch aus Großwalbur. Ihre Auftragsbücher sind voll. "Ich kann eigentlich kaum noch Kunden aufnehmen", sagt sie und macht sich Sorgen um Patienten, die dringend Hilfe bräuchten - aber auch um den Nachwuchs in ihrem Beruf.

Damit ist sie nicht allein. Matthias Bögel, Leiter des Seniorenzentrums Löwenquell in Bad Rodach bestätigt die Notlage. "Tatsächlich arbeiten wir derzeit nur mit einer Podologin zusammen. Ganz einfach, weil uns auch keine anderen verlässlich zur Verfügung stehen. Es gibt viel zu wenige, obwohl die Kooperation mit Podologen ein absolutes Qualitätsmerkmal für ein Pflegeheim ist. Immerhin ist die Gesundheit der Füße unserer Bewohner ein Prüfungskriterium beim Medizinischen Dienst. Die Zahl der kranken Füße (Diabetisches Fußsyndrom) nimmt immer mehr zu, medizinische Fußpfleger sind für die Behandlung nicht ausreichend ausgebildet."

Qualitätsmerkmal in der Pflege

Die Diabetikerversorgung ist einer der wichtigsten Aufgabenbereiche der Podologie. Das Problem: Bei rund acht Millionen Diabetikern deutschlandweit ist eine flächendeckende podologische Versorgung bei weitem nicht gewährleistet. Den Beruf des Podologen gibt es seit 2002. Seitdem wurden jährlich deutliche Zuwächse im Bereich Ausbildung und therapeutische Versorgung der Patienten verzeichnet. Zeitgleich nahmen in podologisch gut versorgten Regionen Amputationen bei Betroffenen mit Diabetischem Fußsyndrom nachweislich ab, schreibt das Fachmagazin "Der Fuß".

Laut des Magazins bestätigt eine Umfrage die hohe Auslastung und die derzeit ungenutzten Steigerungspotenziale in der Patientenversorgung. "Wird die Zunahme des Diabetischen Fußsyndroms bei vielen älteren Menschen einkalkuliert, brauche es deutlich mehr Podologen - auch um die Amputationsrate auf gleichem Niveau zu sichern und weiter zu reduzieren, muss die podologische Versorgung ausgebaut werden", fordert Julija Prosch.

Doch wer sich dazu entschließt, die zweijährige Ausbildung zum Podologen zu machen, komme schnell an seine Grenzen. Das wissen Claudia Springer und Miriam Dill, zwei Frauen, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben. "Der Weg ist sehr steinig", sagt Claudia Springer. Allein die Tatsache, dass während der Ausbildung sieben verschiedene Praktika bei Fachärzten absolviert werden müssen, erweise sich oft als schwer umsetzbar, weil kaum ein Facharzt Zeit und Kapazitäten hat, um sich um die jeweilige Praktikantin zu kümmern. Denn das Wissen, das während dieser Zeit vermittelt werden muss, zählt zum Prüfungsstoff.

Bayernweit gibt es nur zwei Fachschulen - in Schwabach und Würzburg. Geld verdient man während der Ausbildung nicht. Fahrt- und Materialkosten müssten selbst getragen werden.Für Miriam Dill heißt das gerade: "Ich werden wohl hinwerfen. Denn ich muss Geld verdienen." JulijaProsch versteht den Frust der Auszubildenden. So gern und leidenschaftlich sie ihren Beruf ausübt, ist sie sich doch klar darüber, dass die Behandlung von diabetischen Füßen und gefährlichem Nagelpilz nicht jeder oder jede machen möchte. Um so bedauernswerter findet sie es, dass es Frauen, die sich das zutrauen möchten, so schwer gemacht werde.

Ein anderer problematischer Aspekt sei auch die Kostenerstattung der Behandlung durch die Krankenkassen. Seit 1. Juli 2020 kann das Diabetische Fußsyndrom und sensible oder sensomotorische Neuropathie auf Kassenrezept verordnet werden. Bekommt der Patient jedoch keinen Termin bei einer kassenärztlich zugelassenen Podologin wird es schwierig, wenn er eine Rechnung von einem anderen Podologen vorlegt.

Kasse erkennt Not

Die Siemens Betriebskrankenkasse zeigt sich in solchen Fällen derzeit kulant. Wie Elke Schwab, Geschäftstellenleiterin in Neustadt, sagt: "Liegt eine medizinische Diagnose vor, zahlen wir analog der Kassenleistung." Hintergrund ist auch da, dass die Not erkannt wurde. "Die beiden Coburger Podologen sind voll bis zum Anschlag. Die Menschen werden immer älter. Die Krankheitsbilder nehmen deutlich zu", weiß Elke Schwab. Es brauche individuelle Lösungen, schließlich könne der Patient ja nichts dafür, dass es zu wenig Podologen gibt.

Das unterstreicht auch Matthias Bögel: "Leider gibt es von Seiten der Krankenkassen kein einheitliches Abrechnungssystem. Das müsste sich dringend ändern."

Wer podologisch behandelt werden kann

Behandlung Eine podologische Komplexbehandlung ist eine medizinische Fußpflege, bei der eine Hornhautabtragung und eine Nagelbearbeitung gleichzeitig durchgeführt werden. Ein solches, vom Arzt verordnetes Heilmittel erhalten oft Diabetiker, die unter einem diabetischen Fußsyndrom (DFS) leiden. Neuerdings können aber auch Querschnittspatienten oder Menschen mit einer sensomotorischen Nervenerkrankung eine podologische Komplexbehandlung verordnet bekommen.

Grundvoraussetzung ist zunächst, wann einem Menschen eine auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse verordnete medizinische Fußpflege (Podologie) überhaupt zusteht. HeilM-RL §27 (2): "Die podologische Therapie kommt nur in Betracht bei Patientinnen und Patienten, die ohne diese Behandlung unumkehrbare Folgeschädigungen der Füße erleiden würden, wie sie durch Entzündungen und Wundheilungsstörungen entstehen können." Risikofaktoren sind unter anderem Durchblutungsstörungen, Wundheilungsstörungen oder ein Geschwür am Fuß auf Grundlage einer Deformität oder Fußschädigung.

Quelle: Deutschen Medizinrechenzentrum