Wer springt ein, wenn das Virus den Hof erreicht? Parallel will die Staatsregierung Beschäftigte in der Landwirtschaft zu Mehrarbeit verpflichten. Warum die Bauern darüber nur müde lächeln.
Normalerweise steht Harald Hartung schon vor sechs Uhr im Stall bei seinen Kühen, Feierabend ist dann meist erst spät am Abend. Doch vor ein paar Wochen ging es plötzlich nicht mehr. "Zuerst dachte ich, dass ich eine Grippe habe. Als es aber schlimmer wurde, habe ich doch einen PCR-Test gemacht", sagt Hartung. Das Ergebnis kam schnell: Corona-positiv.
Die ersten Tage nach der Diagnose konnte er den Betrieb noch selbstständig führen. Zwar langsamer als sonst, aber noch allein. Die Kühe einfach stehen zu lassen, wäre keine Option gewesen. Nach vier Tagen war aber auch das vorbei. "Ich habe morgens auf dem kurzen Weg in den Stall geschwitzt, dass das Wasser in den Stiefeln stand. Dann wurde mir auch noch schwindelig und es hat sich alles gedreht." Er wusste, er braucht Hilfe aber von wem?
Ein Anruf beim Maschinenring konnte ihm erstmal auch nicht weiterhelfen. Hier waren fast alle Betriebshelfer bereits unterwegs und auf anderen Höfen eingebunden, also musste er weitersuchen. "Zum Glück habe ich einen befreundeten Betrieb, der mir in dieser Situation unter die Arme gegriffen hat", sagt Hartung. Vom Bett aus und per Telefon wurden dann Anweisungen an die zwei Helfer , Hannes und Sebastian Porzelt, verteilt. Arbeiten wie Futter mischen, Kühe melken oder Kälber tränken mussten von den Betriebshelfern jeden Tag zwei Mal gemacht werden. Parallel musste aber auch der Betrieb der Familie Porzelt reibungslos weitergeführt werden. Mehr als 80 Stunden Arbeit pro Mann waren in diesen Wochen keine Seltenheit mehr. Nur wenn nachts die Kühe geschrien haben, musste Hartung selbst in den Stall schauen: "Solange man den Kopf nicht unter dem Arm trägt, schaut man doch mal, ob alles in Ordnung ist."
Nicht nur alltägliche Arbeit
Leider blieb es aber nicht bei den alltäglichen Aufgaben für die Helfer. An einem Tag gab es ein Hochwasser im Jungviehstall, ausgelöst durch einen Wasserschaden. Den konnten die Betriebshelfer zum Glück schnell beseitigen. In der nächsten Nacht war es aber so kalt, dass die Wassertränken der Kühe eingefroren sind und der Kälbetränkeautomat auch nicht mehr funktionierte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Firmen auch im Weihnachtsurlaub, so dass die Teile nicht bestellbar waren. Ein Mehraufwand, der für die Betriebshelfer zur Belastungsprobe wurde. Denn neben den fast 70 Wochenstunden auf dem eigenen Betrieb, kamen nun noch mehr als 20 Stunden auf dem Hof von Harald Hartung dazu. "Wäre ich noch länger außer Gefecht gesetzt gewesen, dann wäre es schwierig geworden", sagt Hartung. Zum Glück ging es ihm nach zehn Tagen wieder besser.So konnte er sich frei testen und den Hof und seine Kühe wieder selbstständig versorgen.
Die Staatsregierung will Beschäftigte in einer ganzen Reihe von Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur verpflichten, längere Arbeitszeiten zu akzeptieren, wenn Corona zu große Lücken in die Schar der Mitarbeiter reißt. So soll ein funktionierendes Gemeinwesen gesichert werden.
"Wie insbesondere das Beispiel Großbritannien zeigt, ist die Gefahr eines Zusammenbruchs oder jedenfalls einer nur noch eingeschränkten Funktion der kritischen Infrastruktur aufgrund zahlreicher Infektionen mit der hochansteckenden Omikron-Variante des Corona-Virus eine reale Gefahr", heißt es in einem Text, der von den Bezirksregierungen in ihren Amtsblättern veröffentlicht wurde.
Unter anderem sollen dann Beschäftigte im öffentlichen Dienst, der Feuerwehr, der Verkehrsbetriebe, des Transportgewerbes, der Justiz, des Katastrophenschutzes, in den Bereichen Wasser, Abwasser und Energieversorgung, bei Presse und Rundfunk oder in der IT Technik von ihren Arbeitgebern verpflichtet werden können, bis zu zwölf Stunden täglich, auch am Wochenende und maximal 60 Stunden in der Woche zu arbeiten, wie dpa berichtet.