Wie Alexander Müller-Elmau Richard Wagners "Walküre" in Corona-Zeiten als Neuinszenierung auf die Bühne des Landestheaters Coburg bringen will.
Neuinszenierungen von Richard Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" sind bis heute Herausforderungen für jedes Theater - auch für üppig ausgestattete Staatstheater, besonders aber für mittlere und kleinere Häuser wie das Landestheater. Kein Wunder, dass die letzte komplette "Ring"-Produktion am Landestheater weit über ein halbes Jahrhundert zurückliegt und auf die Saison 1964/65 datiert.
Daniel Carter auf Spurensuche
"Selbst Staatsopern reduzieren oftmals die Orchesterbesetzung", sagt Coburgs Generalmusikdirektor Daniel Carter, der vor seinem Wechsel ans Landestheater an der Deutschen Oper Berlin deren Generalmusikdirektor Donald Runnicles bei einer "Ring"-Neuproduktion assistierte. Nach dem "Rheingold", mit dem Coburgs Intendant Bernhard F. Loges sein ehrgeiziges "Ring"-Projekt eröffnete, soll nun endlich "Die Walküre" auf die Bühne kommen - wegen der Corona-Krise freilich mit gut einer Spielzeit Verzögerung.
Wieder wird Alexander Müller-Elmau nicht nur Regie führen, sondern auch als sein eigener Bühnenbildner den szenischen Rahmen schaffen - unter erschwerten Bedingungen. Denn noch immer schwebt hinter dem von Anfang Februar auf den 27. März verschobenen Premieren-Termin ein Fragezeichen. Der Auftrag an Müller-Elmau war deshalb klar: seine "Walküre" muss vom Bühnenbild her so konzipiert sein, dass sie im Zweifelsfall auch im noch im Bau befindlichen "Globe" gespielt werden kann.
Vom Konzept in Regie und Bühnenbild will Müller-Elmau dem Ansatz im "Rheingold" treu bleiben. Die familiären Verstrickungen der Götterwelt sollen im Zentrum der Inszenierung stehen, platziert "in Räumen, die mythische Zeiten und die Sagenwelt herbei zitieren". Freilich soll die Sagenwelt nicht vordergründig realistisch geraten. Vielmehr sollen die wiederum von Julia Kaschlinski entworfenen Kostüme den beginnenden Niedergang der Götterwelt in vielen Details sichtbar werden lassen.
Wer am Landestheater Coburg den "Ring" auf das Programm setzt, kommt an der Frage der zu wählenden Orchesterfassung nicht vorbei. Die sogenannte Coburger Fassung, die ein Kapellmeister des damaligen Hoftheaters anfertigte, wird es in diesem Fall nicht sein, erklärt Daniel Carter.
Coburger Fassung
Denn in dieser Coburger Fassung seien "zwar viele gelungene Stellen zu finden", aber auch manche Passagen, die aus heutiger Perspektive "eher seltsam" wirken. Carter wird deshalb auf jene Fassung zurückgreifen, die von jeher bei kleineren und mittleren Häusern bevorzugt auf den Notenpulten liegt - die Fassung von Gotthold Ephraim Lessing, die in den Kriegsjahren 1942/43 entstand. Allerdings werde er an einzelnen Stellen Elemente der Coburger Fassung einfließen lassen, kündigt Carter an.
In der reichhaltigen Musikaliensammlung der Landesbibliothek Coburg hatte sich Carter im Vorfeld der Neuproduktion gemeinsam mit Musikdramaturgin Dorothee Harpain auf Spurensuche begeben und in den original erhaltenen Orchesterstimmen historisch interessante Einträge gefunden. "Ich hatte eine Cellostimme aus der Landesbibliothek vor mir", erzählt Carter: "Dort gab es ein Kreuz im Vorspiel zum 2. Akt. Dahinter stand 9.3.1888: ,Hier wurde die Probe unterbrochen vom Intendanten, er überbrachte dem Orchester die Nachricht vom Tod Kaiser Wilhelm I.' Wenn man so etwas liest, denkt man: Wow, was ist das denn?"