"Der Vogelhändler" scheint das Gen der ewigen Jugend zu besitzen. In wenigen Monaten wird diese Operette 125 Jahre alt und ist noch immer ein Erfolgsstück. Gastregisseur Volker Vogel verrät, was ihn an diesem Werk fasziniert.
Coburg — Inszenierungen am Landestheater sind für Volker Vogel fast schon Heimspiele. "Der Vogelhändler" ist bereits die vierte Coburger Produktion für den erfahrenen Theatermacher, der nach seiner erfolgreichen Karriere als Sänger längst auch als Regisseur Renommee gewonnen hat. "Der Vogelhändler" von Carl Zeller feiert am Samstag, 2. Mai, Premiere im Haus am Schlossplatz.
Im nächsten Jahr feiert "Der Vogelhändler" seinen 125. Geburtstag. Was kann dieses Werk aus der goldenen Ära der Operette den Theaterbesuchern heute noch sagen?
Volker Vogel: Es ist aufgebaut auf menschlichen Schwächen. Es geht um die Liebe und um alles, was aus der Liebe entsteht, wenn man sie falsch versteht. Wobei am Ende die Liebe siegt. Je mehr Operetten ich mache, desto mehr merke ich, dass eigentlich die Frauen immer extrem gut weggekommen dabei. Fast alle Männer sind in den Operetten ja Deppen. "Witwe", "Fledermaus", Csárdásfürstin": Immer führt das männliche Selbstwertgefühl zu Konflikten - und am Ende gibt es eine Lösung, weil eine Frau über sich selber hinaus wächst und der Mann dann vielleicht zwei Wochen so tut, als hätte er verstanden, worum es geht. Dann geht die ganze Geschichte wieder von vorne los. Im Grunde kann man das auf jedes Stück anwenden - ob das "Otello" oder "Der Vogelhändler" ist. Die Operette macht's mit Leichtigkeit, aber das Problem ist immer das gleiche.
Sind Sie in Ihrer Karriere als Tenor auch im "Vogelhändler" aufgetreten?
Im "Vogelhändler" nicht. Den Adam hätte ich gerne gesungen. Damals in Ischl standen "Vogelhändler" und "Pompadour" auf dem Programm. Und der dortige Intendant meinte, der Calicot in"Pompadour" wäre für mich passender. Anfangs war ich sauer, aber im Nachhinein muss ich sagen: "Hat sich doch alles gut gefügt."
Wie beeinflussen Ihre Erfahrungen als Sänger ihre Arbeit als Regisseur?
Meine Erfahrungen als Sänger kann ich nicht leugnen. Das geht so weit, dass ich innerlich jede Rolle ein Stück weit mitspiele. Das hilft sicher auch, dass ich den Kollegen den einen oder anderen Tipp geben kann, wobei es mir wichtig ist, immer auch den seelischen Vorgang sichtbar zu machen, der dahinter steht. Mir sind im Theater immer die seelischen Vorgänge wichtig, weil die am Ende immer auch den Körper und letztlich die Stimme beeinflussen.
Was stimmt Sie optimistisch beim Gedanken an die Zukunft der Gattung Operette?
Wenn es uns gelingt, über uns selber - nicht über andere - zu lachen - kann man aus der Operette noch Einiges lernen. Deshalb ist die Operette im Theater immer noch wichtig. Das Musical ist für mich viel oberflächlicher - wenn man mal von den Klassikern absieht wie "My Fair Lady".
Was sind Ihre Lieblingsstücke im "Vogelhändler"?
Woran ich sehr große Freude habe, ist die Prodekan-Szene, die ja oft ein wenig unter den Tisch gewischt wird. Das ist so ein Juwel, das ganz allein im Stück steht. Das Kirschbaum-Lied ist wunderbar. Aber im Grunde ist es das Ganze. Wenn ich nachts aufwache, ist immer irgendeine Melodie da. Manchmal ist es das Auftrittslied des Adam, manchmal ist es das Finale. Musikalisch ist das Werk wirklich gut. Man kann daraus viele Inspirationen für die Szene nehmen. Wenn man richtig rein hört, weiß man, wo es um wahre Gefühle geht und wo es heuchlerisch ist.
Wie erklären Sie sich die Erfolgsgeschichte des "Vogelhändlers", der seit fast eineinviertel Jahrhunderten ununterbrochen auf den Spielplänen steht?
Auf der einen Seite hat es sicher mit der folkloristischen Komponente zu tun - nicht nur von der Optik her. Es sind Melodien drin, die die Menschen noch heute berühren. Das "Ahnl"-Lied, "Rosen in Tirol". Es gibt viele Melodien, die man heute noch im Radio hört. Auch der Aspekt Naturverbundenheit spielt sicher eine Rolle.
"Der Vogelhändler" bietet allerlei Verwechslungs- und Verkleidungsspiele, wie sie für viele Operetten typisch sind. Wo sortieren Sie das Libretto qualitativ ein?
Es ist sauber und gescheit durchdacht. Das ist ein gutes Komödienbuch. Sicher gibt es, was die laufenden Gags betrifft, bessere Textbücher. Das ist kein Feydeau. Aber es ist sehr gut gemischt mit witzigen Szenen. Es ist in sich alles schlüssig, es gibt keine dramaturgischen Fehltritte.
Sie haben den "Vogelhändler" schon 2009 in Wien inszeniert in einer Koproduktion mit Innsbruck. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Für Brigitte Fassbaender
(Intendantin in Innsbruck, Anm. d. Red.) musste ich das Stück kürzen. Zuerst wollte ich das nicht, aber am Ende war es ein großes Erlebnis, weil ich gemerkt habe: Besser fünf Minuten zu kurz als eine Minute zu lang. Das tut den Werken gut - gerade in einer Zeit, in der ein Kriminalfall im Fernsehen in einer Dreiviertelstunde abgehandelt wird.
Wie lang wird der "Vogelhändler" in Coburg?
Zwei Stunden fünf Minuten reine Spielzeit - wenn die Leute nicht klatschen...
Volker Vogel inszeniert den "Vogelhändler" Premieren-Tipp Carl Zeller "Der Vogelhändler" - Samstag, 2. Mai, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg. - Aufführungen: 8. Mai, 19.30 Uhr, 10., 14., 21., 29. Mai, 6., 16., 24. Juni, 1. Juli, 19.30 Uhr
Volker Vogel studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Nach Engagements als Regieassistent, Regisseur, Sänger und Schauspieler ging er als Tenorbuffo nach Dortmund, Freiburg und an die Wiener Volksoper und war seit der Saison 1991/92 am Opernhaus Zürich engagiert. Gastengagements führten ihn beispielsweise an die Mailänder Scala und die New Yorker Metropolitan Opera. Seit 2009 arbeitet Vogel als freischaffender Regisseur. Am Landestheater inszenierte er bereits "Maske in Blau" (März 2011), "Die Csárdásfürstin" (Dezember 2011) und "Ein Maskenball" (Oktober 2013).
Carl Zellers "Der Vogelhändler" feierte seine Uraufführung am 10. Januar 1891 im Theater an der Wien. In der Titelrolle: Alexander Girardi.