Das Landestheater Coburg zeigt mit der Dramatisierung von Michael Endes Roman "Die unendliche Geschichte" unter der beseelenden Regie von Yvonne Schwartz, dass auch Laien die Faszination lebendigen und unmittelbaren Theaterspiels hervorrufen können.
"Bei Sonnenaufgang wirst Du das Nichts erblicken". Das bleibt den Premierenbesuchern der staunenswerten "Unendlichen Geschichte" am Landestheater Coburg erspart. Im Gegenteil: Was diese kluge und packende Dramatisierung von Michael Endes großem Fantasy-Roman in einem "generationenübergreifenden, integrativen und internationalen Projekt" unter der Regie von Yvonne Schwartz bietet an traumhaften Bildern, an Einfallsreichtum, an Atmosphäre und die Zuschauer fesselnder Spielfreude, ist schlichtweg fulminant: Wieder einmal Beweis dafür, dass der Zauber des Theaterspiels auch von Laien ausgelöst werden kann.
Genau darauf setzend, hat Intendant Bodo Busse vor zwei Jahren dem ambitionierten "Bürgerprojekt" mit hundert Beteiligten, Jugend- und Seniorenclub, Schulklassen, Behinderten und Nichtbehinderten, Einheimischen und aus aller Welt Zugezogenen, die Tore für das Große Haus geöffnet; keine verschämte Sozialaktion also, sondern
strahlendes, fantasievolles Theater.
Unendlich verflochten Versonnene Klänge führen uns mit dem einsamen, gemobbten Jungen Bastian Balthasar Bux (Birk Menzel) ins Dunkel, wo ihn ein geheimnisvolles Buch nach Phantásien zieht. Dort zieht wiederum ein kleiner, heldenhafter Junge - der beeindruckend souveräne, in der Vielvölkerwelt Phantásiens völkerverbindend englisch sprechende Luca Schenk als Adréju, aus, mit dem Glücksdrachen Fuchur (Horst Gründel), die Rettung für die sterbende Kindliche Kaiserin (Emilia Peschla) zu suchen.
Aus ihrer Allmacht allein existiert Phantásien, sie wiederum lebt allein aus der namengebenden Vorstellungskraft der Realwelt. Beide leben von einander, und können sich gegenseitig heilen.
So muss Bastian nach Phantásien, wo er in seiner Traumgestalt als Prinz, nun gespielt von Kevin Pojani, allerdings sofort der dem Menschen ebenfalls ureigenen Anmaßung und zerstörerischen Selbstüberhebung verfällt, verführt von der bösen Zauberin Xayide (Hannelore Schönlau). Er errichtet eine Diktatur und vergisst, verliert sich selbst.
In der raffinierten und witzigen Ausstattung von Bianca Fladerer, die sich von Schülern der Jean Paul-Schule und der Neustadter Realschule hat inspirieren lassen, erleben wir viele der fantastischen Wesen aus Michael Endes Roman, im Haulewald aus weißen, unregelmäßigen Streifen und Bändern, in stimmungsvollen Projektionen. Wir fliegen sogar mit Fuchur. Verblüffend, um nur ein Beispiel zu nennen: Ygramul, die Viele, an deren Spinnenbeinen kleinere Kinder gierig und erwartungsvoll vibrieren.
Viele Sprachen Unter Yvonne Schartz‘ offensichtlich verwandelnder Führung agieren die jungen wie die alten Darsteller auf mitreißende Weise; die verblüffende kleine Lilli Weiß als das Äffchen Argax sei noch stellvertretend genannt. Dass es sich um mehr oder minder begabte Laien handelt, spielt in der Gesamtwirkung gar keine Rolle mehr.
Mutig herausfordernd ist es, die Vielsprachigkeit Phantásiens in tatsächlicher Sprachenvielfalt englisch, russisch, spanisch und türkisch wirken zu lassen, mit Übertitelung, weshalb die Produktion nicht - genauso wenig wie der philosophisch aufgeladene Roman an sich - für kleinere Kinder geeignet ist.
Leider ist diese fantastische Produktion nur noch an zwei weiteren Terminen zu erleben: am Montag und Dienstag nächster Woche, 15., 16. Juli, 19.30 Uhr.
Zum Besuch ermutigt seien ausdrücklich alle The aterfreunde, auch wenn sie keine eigenen Verwandten und Bekannten in der Inszenierung haben.
Die Produktion Die unendliche Geschichte. Ein integratives Projekt des Jungen Landestheaters Coburg nach dem Buch von Mi chael Ende.
Projektleitung und Inszenierung: Yvonne Schwartz.
Bühnenbild und Kostüme: Bianca Fladerer. Mit Mitgliedern des Jugend- und Seniorenclubs des Landestheaters und zahlreichen weiteren Beteiligten aus Stadt und Landkreis zwischen 7 und 86 Jahren. Für Menschen ab 8 Jahren.
Weitere Vorstellungen: 15. und 16. Juli, 19.30 Uhr. Kartentelefon: 09561/898989