Michelle und Rafael sprechen russisch, weil ihre Eltern aus Kasachstan stammen. Ihre Sprachkenntnisse wollen sie jetzt nutzen, um Gleichaltrigen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten mussten, das Ankommen das Coburg zu erleichtern.
Auch Schulkinder blicken besorgt in die Ukraine, manchmal fließen Tränen. Aber viele wollen jetzt etwas tun. So wie Michelle und Rafael. Und die beiden haben einen großen Sprachvorteil.
Die Ukraine ist gar nicht so weit weg. Vielen Kindern ist das nicht so bewusst. Im Geschichts- und Geografieunterricht werden die Karten aufgelegt. Dann ist zu sehen, dass der Krieg in Europa ist. Direkt an den Grenzen der EU. Dass die Situation nicht spurlos an den Schülern vorbei geht, zeigen die Fragen, die sie dann haben. Kann der Krieg zu uns kommen? Wie ist es, seine Heimat zu verlieren? Was passiert, wenn ein Atomkraftwerk getroffen wird? Warum die Menschen fliehen, durch welche Länder und wo sie denn dann alle unterkommen - auch das sind Fragen, die die Schüler beschäftigen.
"Gerade im Religionsunterricht versuchen wir, die Jugendlichen mit ihren Ängsten abzufangen und mit ihnen über den Krieg zu sprechen", sagt Steffi Berg, Konrektorin an der Realschule COII."Das muss die Schule jetzt liefern." Sie habe wegen des Krieges schon weinende Fünftklässler trösten müssen. "Wir gehen da behutsam vor, haben ja auch nicht auf alles Antworten, aber die Kinder brauchen uns als Ansprechpartner", sagt Berg.
Schüler nutzen ihre Sprachkenntnisse
Auch der 14-Jährige Rafael spricht vom Krieg. Er sagt, es "tue ihm selbst weh", wenn er an die Kinder denkt, die ihre Heimat verloren haben und jetzt auf der Flucht sind. Er geht in die siebte Klasse. Seine Familie ist vor vielen Jahren aus Kasachstan nach Deutschland geflüchtet. Er spricht fließend russisch und das möchte er jetzt nutzen, um ukrainischen Kindern und Jugendlichen, die zu uns kommen, zu helfen. Deshalb hat er sich entschieden beim Mentorenprogramm an seiner Schule mitzumachen. Genauso wie Michelle. Die Zehntklässlerin ist zwar in Coburg geboren, ihre Eltern kommen jedoch auch aus Kasachstan. Sie spricht zuhause noch russisch. Ihre Sprachkenntnisse möchten die beiden jetzt einbringen. Dann, wenn ukrainische Kinder, die mit ihren Eltern flüchten mussten, hier in Coburg in die Schule kommen. Besonders in der Zentral- und Ostukraine verstehen noch viele Menschen russisch.
Raffael hat sich darüber vielen Gedanken gemacht. Daheim werde viel über den Krieg gesprochen. "Ich möchte den Kindern helfen, die zu uns an die Schule kommen, weil Bildung sehr wichtig ist. Alle sollen gleichberechtigt sein und deshalb haben sie ein Recht auf Bildung. Sie sollen nicht unter dem Krieg leiden", sagt er ernst. Auch Michelle sagt: "Sie sollen keine Jahre wegen des Krieges verlieren. Deshalb finde ich es gut, dass sie so schnell wie möglich bei uns an der COII integriert werden."
Die ganze Schule zieht mit
Für Schulleiter Klaus Reisenweber ist das Thema seit vergangener Woche ein Arbeitsauftrag, den er aber "mit großer Leidenschaft und Fürsorge für die Kinder annimmt". Die Nähe zur Grenzregion Thüringen macht die Schulen hier für die Integration der Flüchtlinge so interessant, weil es viele Lehrkräfte aus Thüringen gibt, die noch russisch sprechen. Tatsächlich sind es an der CO II sieben, zwei davon haben sogar Russisch-Unterricht gegeben.
Reisenweber ist in diesem Punkt also optimistisch. Ein Vorfühlen im Lehrerkollegium hätte gezeigt, dass viele bereit wären, zusätzlich Kurse für Jugendliche aus der Ukraine zu stemmen. Alle mit Russisch-Kenntnissen wollen sich engagieren. Das trifft Lehrkräfte genauso wie Schüler. "Ich bin begeistert, wie alle mitziehen", sagt der Direktor. Auch die Raumkapazitäten werden an der CO II neu überdacht. "Wir schaffen Platz, in dem wir Klassen zusammenlegen und damit Klassenzimmer für neue Schüler bekommen." Allerdings wird es darauf ankommen, mit welchen sprachlichen Kenntnissen die Kinder kommen. Schüler, die bereits deutsch könnten, werden in bestehende Klassen integriert.
i-Pads zum Übersetzen
Rafael kann sich das alles gut vorstellen."Ich würde den Schüler neben mich setzen und dann immer übersetzen. Außerdem würde ich ihm die Schule zeigen und mich viel mit ihm unterhalten.Über seine Flucht und wie es ihm jetzt so geht. Auch würde ich ihm gern die Technik an der COII erklären, weil wir ja i-Pads haben und die auch als Übersetzer eingesetzt werden können." Michelle hätte außerdem Lust, ihren neuen Mitschülern die Stadt zu zeigen und zu erklären.
"Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wann und wie viele Flüchtlinge kommen. Aber wir wollen bestens vorbereitet sein", sagt Reisenweber. Das Kultusministerium kündigt in seinem Schreiben an, "zeitnah zu informieren, welche Unterstützungsmaßnahmen konkret auf den Weg gebracht werden und wie die schulische Integration der geflohenen Kinder und Jugendlichen ausgestaltet werden kann."
Anfangs wird es für gewöhnlich nicht gleich um eine Integration in Regelklassen, sondern um pädagogische Angebote gehen, die das Ankommen erleichtern, erste deutsche Sprachkenntnisse vermitteln und auch ein paar Stunden "Normalität" in einer ausgesprochen belastenden Situation bieten.
Dann wird es den Kindern sicher helfen, wenn Mentoren wie Michelle und Rafael da sind, und ihnen in beistehen können.