Tanzend entblößen sie die falsche Welt

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Sylvain Guillot und die gesamte Coburger Compagnie führen mit "Short Stories" in eindringliche Körperwelten. Foto: Henning Rosenbusch
Sylvain Guillot und die gesamte Coburger Compagnie führen mit "Short Stories" in eindringliche Körperwelten. Foto: Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Vier Stücke von Mark McClain, Tara Yipp, Lode Devos und Alejandro Cerrudo eröffneten die Ballettsaison am Landestheater Coburg: Mitreißende "Short Stories".

Witzig, zauberhaft, herausfordernd. Stell Dir vor, es ist große Tanzpremiere in Coburg mit dem üppigen Angebot von vier verschiedenen Choreografen, und keiner geht hin. Es war am Sonntag erschütternd, zu erleben, mit welcher Intensität auf hohem tänzerischen Niveau eindringliches Bilder- und Musiktheater gelebt wurde - vor erschreckend leeren Reihen im Landestheater Coburg. Die vom Rechnungshof erzwungenen Eintrittspreise? Darüber fiel das eine und das andere Wort im Parkett. Oder der von vielen als unschön empfundene frühe Sonntagabend als Premierentermin? Jedenfalls hat die Coburger Compagnie, auch diesmal wieder solistisch herausragend und mit ergreifenden Darstellungen, das nicht verdient. Genauso wenig wie dieser perspektivenreiche Tanzabend als solcher.
Da ist "Situs", die Uraufführung des niederländischen Choreografen Lode Devos als erklärt gesellschaftspolitische Aussage.
Menschen sind in ihrer reichen Welt so verfangen, dass sie wie mit Küche, Kleiderschrank, Geldhaufen verwachsen erscheinen. Sie reagieren auf nichts mehr.
Devos zeigt parallel zum Tanz im Hintergrund einen Film, von der Grandiosität dieser Erde zu ihrem heutigen Missbrauch. Mit der eindringlichen Musik Arvo Pärts überschreitet die Konzeption stellenweise die Grenze zur Überfrachtung, samt nicht mehr ganz verständlichem Solo am Schluss. Sie ist aber insgesamt ein spannendes Stück aktuellen Theaters.


Die puren Körper

Die Coburger Ballettmeisterin Tara Yipp mit ihrer ins Seeleninnere forschenden Choreografie "Lost Souls Found" zu arabisch anmutender heutiger Musik berührt einmal mehr durch die so selbstverständlich wie intensiv wirkende und fließende Gestik der puren Körper im Lichtkegel. Chih-Lin Chan und Takashi Yamamoto waren bei der Premiere das eindringlich suchende Paar.
Der Coburger Ballettchef Mark McClain wartet mit einer zauberhaften Uraufführung weitestgehend im klassischen Stil auf: A Different Season. Zu Stings die Jahrhunderte überspringenden Interpretationen der Lieder von John Dowland zeigt er eine lächelnde Gesellschaft in den duftigen Kostümen von Bühnenbildnerin Susanne Wilczek, in die es dem "Suchenden" nicht gelingt einzudringen. Der wird von dem bemerkenswerten Sylvain Guillot getanzt. Immer wieder wie aus dem Lot gezogen wirken die klassischen Figuren, in denen die Sprache McClains verankert bleibt. Doch es ist diese zarte Nuance, die neben die Pose führt, mit der er und vor allem Guillot neue Aussagekraft gewinnen.
Na und dann diese drei schönen, (fast) nackten Männer. Wer wird sich denn die entgehen lassen? Die hinreißende Miniatur "Pacopepepluto" des in Chicago wirkenden Alejandro Cerrudo, in Coburg einstudiert durch seinen Mitarbeiter John MacMillen, führt schmunzelnd, liebevoll entlarvend in von allen stützenden Statushilfen entblößte männliche Sehnsüchte und Seelenzustände. Wozu Dean Martin so herrlich schmalzt in Memories, Chapel in the Moonlight und gar Amore. Takashi Yamamoto, Federico Frigo und Sylvain Guillot bei der Premiere - in weiteren Vorstellungen gibt es wie in den anderen Stücken auch Alternativbesetzungen - bieten in ihrem minimalst bekleideten Zustand wirklich köstliche Theatermomente.

Landestheater Coburg Short Stories. Choreografien von Mark McClain, Tara Yipp, Alejandro Cerrudo und Lode Devos. Bühne Susanne Wilczek. Es tanzen: Chih-Lin Chan, Lucia Colom, Natalie Holzinger, Mireia Martinez Pineda, Jaume Costa i Guerrero, Federico Frigo, Sylvain Guillot, Joshua Limmer, Takashi Yamamoto.

Weitere Termine: 14. Oktober, 10. , 18. November, 19.30 Uhr; 23. Oktober, 15 Uhr im Großen Haus