Menschen mit Migrationshintergrund, die sich in Deutschland bereits heimisch fühlen, sollen als Brückenbauer fungieren. Das Projekt wird vom bayerischen Innenministerium gefördert.
Es ist nicht immer nur die Sprache, die eine Barriere darstellt. Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, tun sich manchmal auch mit vielen, vermeintlich kleinen Dingen schwer. Das kann die Angst vor Behörden sein, weil in ihrem Herkunftsland Beamte vielleicht grundsätzlich als korrupt gelten. Oder die Schwierigkeit, das deutsche Gesundheitssystem zu verstehen. Valentina Domidru nennt noch ein Beispiel: "Ich habe mal einer Frau, die aus Äthiopien stammt, erklärt, dass auch sie sich in einer Stadtbücherei etwas ausleihen kann. Sie hatte sich das zunächst nicht getraut, weil sie dachte, das sei nur Deutschen erlaubt." Kurzum: Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich auch erst einmal mit der deutschen Kultur vertraut machen.
An genau diesem Punkt setzt das Projekt "Kulturdolmetscher" an, das jetzt unter der Federführung der Evangelischen Erwachsenenbildung Oberfranken-West erstmals auch in Coburg gestartet wird. Zu den Unterstützern zählten das Bayerische Innenministerium sowie die Stadt Coburg, für die es ein weiterer Baustein zur Umsetzung des 2017 beschlossenen Integrationskonzepts ist.
Arbeit mit eigener Biografie
Valentina Domidru darf sich bereits "Kulturdolmetscherin" nennen, nachdem sie den entsprechenden Kurs in Bayreuth absolviert hat. Sie weiß deshalb, was der vielleicht entscheidende Aspekt ist: Wer sich in dem Kurs zum "Kulturdolmetscher" ausbilden lässt, tue auch sich selber etwas Gutes. "Im Mittelpunkt des Kurses steht die Biografiearbeit", erklärt Valentina Domidru. Sprich: Jeder soll sich noch einmal seiner eigenen Lebensgeschichte bewusst werden. Der zweite Schritt sei es dann, die künftigen "Kulturdolmetscher" darauf vorzubereiten, andere Menschen mit Migrationshintergrund helfen zu können - sei es bei einem Behördengang, beim Erstellen einer Bewerbung oder auch bei der Kontaktaufnahme mit Vereinen. Denn: "Nicht alleine zu sein ist das A und O für eine gute Integration", sagt Valentina Domidru, die in diesem Zusammenhang auch kurz von ihrer eigenen Biografie erzählt und warum ihr die Integration vergleichsweise leicht gefallen ist.
An der Uni fällt das "Fuß fassen" leichter!
Valentina Domidru stammt aus Rumänien, hat aber in Deutschland Theologie studiert - "und an einer Uni hat man automatisch sehr viele Kontakte, es herrscht ein ganz anderes Feeling!" Anschließend kehrte sie zwar noch einmal nach Rumänien zurück, doch der Liebe wegen wurde sie dann doch in Deutschland sesshaft - 25 Jahre ist das mittlerweile her, und inzwischen engagiert sich die 52-Jährige auch als Vorsitzende des Integrationsbeirats in Bayreuth. Denn sie weiß, dass es viele andere Menschen mit Migrationshintergrund deutlich schwerer haben, sich in Deutschland zurechtzufinden: "Wer den ganzen Tag nur arbeitet und abends zu Hause bei der Familie ist, kann nur schwer Fuß fassen."
"Hier sind wir alle Coburger!"
Dieter Stößlein bringt es auf den Punkt: "Gut wäre, wenn jeder Migrant auf einen Kulturdolmetscher zurückgreifen kann." Selbst, wenn das mengenmäßig wohl nicht ganz gelingen wird: Immerhin zwölf neue Kulturdolmetscher sollen bei dem im April startenden Kurs ausgebildet werden (dazu auch "Hintergrund" am Ende des Textes).
Dem Integrationsbeauftragten der Stadt Coburg, Rainer Klein, ist der Hinweis wichtig, dass es nicht darum gehe, die eigene Kultur aufzugeben und sich einer anderen anzupassen. Denn: "Integration ist keine Einbahnstraße, sondern immer ein gegenseitiger Prozesses." Ihm gehe es immer um die Menschen und dass diese zusammenkommen. Außerdem sei er der Meinung: "Egal, woher wir kommen: Hier sind wir alle Coburger, leben in einer Gemeinschaft und wollen diese Stadt gemeinsam lebenswert machen."
Hintergrund: Wer will Kulturdolmetscher werden?
Kurs Die kostenlose Ausbildung zum Kulturdolmetscher beginnt am 9. April und findet an sieben Samstagen jeweils von 9 bis 15 Uhr im Gemeindesaal von Heiligkreuz in Coburg statt. Bewerben können sich Menschen mit eigener Migrationserfahrung. Anmeldungen sind möglich bei der Evangelischen Erwach senenbildung, Telefon 09561/75984, oder Mail: ebw@ebw-coburg.de. Der Kurs wird geleitet von der in Coburg lebenden Ethnologin und interkulturellen Trainerin Julia Herz-El Hanbli.