So feiern Neustadts Muslime das Opferfest

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Im Gebetsraum der Moschee: Die Gemeindemitglieder lauschen beim Gebet zum Opferfest dem Iman. Fotos: Thomas Heuchling
Im Gebetsraum der Moschee: Die Gemeindemitglieder lauschen beim Gebet zum Opferfest dem Iman. Fotos: Thomas Heuchling
Imam Niyazi Cabbar
Imam Niyazi Cabbar
 
Gratulation zum Opferfest
Gratulation zum Opferfest
 
IImam Niyazi Cabbar
IImam Niyazi Cabbar
 
Schuhe vor dem Gebetsraum
Schuhe vor dem Gebetsraum
 
Soner Sen
Soner Sen
 
Ramazan Kurt
Ramazan Kurt
 
Ridvan Kus
Ridvan Kus
 

Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit begann am Dienstag das islamische Opferfest. Auch die muslimische Gemeinde in Neustadt feiert. Viele der deutschen Nachbarn wissen davon nichts, wundern sich aber, wenn sie etwas Fleisch bekommen.

Die Austraße 14 ist hell erleuchtet. Es ist kurz nach acht Uhr. Vor der Tür stehen einige Männer. Im Inneren der Moschee herrscht reges Treiben, viele der Männer unterhalten sich auf türkisch, an der Wand hängen eine deutsche und ein genauso große türkische Fahne.

Über einen Lautsprecher ist ebenfalls türkisch zu hören. "Das ist der Vorbeter, der Iman. Er stimmt die Leute auf das Opferfest ein. Es geht um das Auslassen von Eifersüchten, gegenseitige Hilfe und Respekt", erklärt Ramazan Kurt, der Vorsitzende der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde zu Neustadt. Am gestrigen Dienstag war für Millionen Muslime auf der ganzen Welt der Auftakt zum Opferfest und auch die muslimische Gemeinde in Neustadt, rund 300 Mitglieder stark, feierte das höchste islamische Fest in ihrer Moschee.
In einem Nebenraum sitzt Ramazan Kurt an einem Computer, vor ihm ein Glas schwarzer Tee.
Es sind noch knapp 20 Minuten zum großen Gebet.

"Heute ist der erste von insgesamt vier Tagen. Wir eröffnen das Opferfest mit einem speziellen Gebet, danach gratulieren sich alle und dann fahren die meisten nach Hause zu ihren Familien und rufen ihre Verwandten in der Türkei oder anderen Ländern an und dann geht es zum Schlachten", erklärt der 43-jährige Vorsitzende. Schade findet er, dass das Opferfest in Deutschland nicht als Feiertag anerkannt wird: "In der Türkei sind vier Tage frei, hier in Deutschland können wir meist nur zwei Tage feiern."

Das Schlachten eines Tieres ist ein wichtiger Bestandteil des Festes. "Viele fahren nach Lichtenfels, Eisfeld oder Bamberg. Als es den Coburger Schlachthof noch gab war es einfacher", sagt Kurt.
Ein Tier zu schlachten, ist zwar für alle gläubigen Muslime Pflicht, aber nicht jeder kann es sich leisten. "Das Fleisch wird gedrittelt. Ein Teil für die eigene Familie, einer für Nachbarn und Freunde und einer für die Armen. So bekommt jeder etwas. Man muss auch nicht schlachten und kann seinen Anteil an unseren Zentral Verband Ditib spenden, der es dann weitergibt", erklärt Kurt. Auch die nicht muslimischen Nachbarn bekommen ein Stück Fleisch, so wie es die islamische Tradition will.


Hauptsache "Halal"

"Beim ersten Mal haben die deutschen Nachbarn etwas ungläubig geschaut und gefragt, warum", erinnert sich Kurt. Seit diesem Jahr dürfen die Muslime nicht mehr selbst schlachten, sondern müssen es einem Profi überlassen, der das Tier in einer Mischung aus deutschem Recht und den islamischen "halal-Schlachtregeln" (erlaubt, zulässig) tötet.

"Ich habe selbst noch nie geschlachtet, wichtig ist, dass das Tier keine Qualen leidet. Normalerweise werden die Augen verbunden, es blickt Richtung Mekka und drei Beine werden zusammengebunden. Durch die Bewegung des vierten, kann es ausbluten", erklärt Soner Sen, der gerade in den Raum gekommen ist. Der 38-jährige Verfahrensmechaniker aus Neustadt erzählt, wie er sich auf den ersten Tag des Opferfestes vorbereitet: "Man beginnt schon ganz früh. Körperliche Sauberkeit ist sehr wichtig, aber auch die Kleidung. Ich ziehe einen Anzug an."


Gebetet wird Richtung Mekka

Es wird unruhiger im Raum. Der Vorbeter hat zum Gebet gerufen. Vor dem Treppenaufgang zu einem der zwei großen Gebetsräume stehen bereits hunderte Schuhe. Sen und Kurt ziehen ihre aus und gehen in den bereits vollen Raum - es ist warm und die Luft ist stickig.

In langen Reihen knien dort Kinder, junge und alte Männer auf Teppichen und lauschen dem Iman. Die rituellen Gebetshandlungen werden, immer in Richtung der Kaaba in Mekka, vollzogen. Die meiste Zeit wird dem Vorbeter zugehört und seinem Gebetsgesang gelauscht. Ramazan Kurt und einige andere reichen grüne Plastikkörbe für die Kollekte herum.

Nach knapp 15 Minuten ist das Gebet vorbei. Die Männer stehen auf und gratulieren sich zum Opferfest mit dem traditionellen Wangenkuss. Vor dem Iman und anderen älteren Gemeindemitgliedern bildet sich eine lange Schlange. "Kurban Bayraminiz mübarek olsun. Das heißt ungefähr so etwas wie, ich wünsche ein fröhliches Opferfest", erklärt Sen. Er strahlt und wirkt glücklich: "Es ist schon ein gutes Gefühl da, ich freue mich auf die Familie." An der Wand des Gebetsraumes hängt ein großes Bild von der Kaaba im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka.

Einer der schon einmal dort war und die "Haddsch" zu den heiligen Stätten des Islams gemacht hat, ist der 41-jährige Ridvan Kus. "Im vergangenen Jahr habe ich die Pilgerfahrt gemacht und war drei Wochen dort. Man muss gesund sein, darf keine Schulden haben und für eine gewisse Zeit für seine Familie vorgesorgt haben, falls etwas passiert", erklärt Kus.


Nichts halbes, nichts ganzes

Trotz aller Freude über das Opferfest ist er "ein wenig geknickt". Er zieht einen Vergleich: "Beim Sambafestival feiern alle gemeinsam. Wenn wir das Opferfest feiern und wieder aus der Moschee rausgehen, ist es so, als ob wir uns mit einer Sambatrommel alleine auf den Marktplatz stellen. Es ist nichts halbes und nichts ganzes." Derweil wird sich weiter gratuliert, es wird gelacht und gescherzt.

Nach und nach leert sich die Moschee. Alle wollen das Fest mit ihren Familien feiern und Verwandte anrufen. "Wenn ich nach Hause gehe, dann treffe ich fünf Deutsche, von denen keiner weiß, was das für ein besonderer Tag für uns ist", sagt Ridvan Kus und geht nach draußen in den Regen.


Darum wird das islamische Opferfest gefeiert

Hintergrund Das Opferfest wird zum Höhepunkt des Haddsch gefeiert, der Wallfahrt nach Mekka. Es dauert vier Tage. Aufgrund des islamischen Mondkalenders verschiebt es sich rückwärts, um meist elf Tage pro Jahr.

Ursprung Beim Opferfest wird des Propheten Ibrahim (Abraham) gedacht, der nach muslimischer Überlieferung die göttliche Probe bestanden hatte und bereit war, seinen Sohn Ismael Allah (Gott) zu opfern. Als dieser seine Bereitschaft und sein Gottvertrauen sah, gebot er ihm Einhalt. Ibrahim und Ismail opferten daraufhin im Kreis von Freunden und Bedürftigen einen Widder. Es ist für alle gläubigen Muslime Pflicht, zur Feier des Festes ein Tier zu opfern, wenn sie es sich finanziell leisten können. Das Fleisch sollen sie auch unter den Armen verteilen.