Dass andererseits dieses Vertrauen von schwarzen Schafen missbraucht wird, hängt mit dem rasch wachsenden Markt für Bioprodukte zusammen. Einem Markt, auf dem illegal viel Geld zu machen ist. So werden immer wieder Fälle aufgedeckt, wo konventionell erzeugte Ware zu Bio umdeklariert wird, um die Nachfrage zu decken - schließlich ist Bio stets ein wenig teurer. Entsprechend groß die Gewinnspanne bei der Umetikettierung. Weil mit Masse Kasse zu machen ist, gibt es auch längst Großbetriebe - etwa mit zigtausenden von Hühnern. Das sind keine Verstöße. Die Richtlinien lassen das zu oder bieten Lücken, die es ermöglichen. Etwa durch das Aufteilen des Bestandes auf mehrere Stallgebäude.
Titel "Bio-Lüge"
Die Wochenzeitung "Die Zeit" wollte wissen, wie groß der dunkle Fleck auf der weißen Bio-Weste ist. Über das Informationsfreiheitsgesetz verschaffte sich eine Journalistin Einblick in Hunderte Unterlagen - die Ökokontrollberichte aus zwei Jahren. Berichte voller dokumentierter Verstöße. Sie begleitete Tierrechtler, die in Ställe einbrechen und Tierleid mit der Kamera festhalten. Szenen, die niemand in einem Biobetrieb vermuten würde, der beim Einkauf auf Bio seztzt. Am Ende steht ein Dossier mit dem Titel "Die Bio-Lüge"
Massentierhaltung mit üblen Bedingungen, als Bio deklarierte konventionelle Ware, Hormonbehandlung, zu enge überbelegte Ställe... Wie sieht es im Coburger Land aus? Harald Reblitz kann sich so etwas hier unter seinen Berufskollegen nicht vorstellen. Die Antwort auf eine Anfrage beim Landratsamt Coburg gibt ihm Recht. Wie Sprecherin Corinna Rösler mitteilt, hatten die Amtsveterinäre in den Biobetrieben des Landkreises bisher keine tierschutzrechtlichen Beanstandungen.
Platzvorgaben
Biobauern müssen sich an einige Vorgaben halten, die sie von konventionellen Betrieben abheben sollen. So gibt es laut AELF für ihre Betriebe Platzvorgaben für alle Tierarten und Altersstufen, und alle Tiere müssen Zugang zum Freien haben sowie eine eingestreute Liegefläche. Im Landbau sind nur Dünger auf natürlicher Basis erlaubt. Pflanzenschutzmittel sind im Anhang zur EU-Öko-Verordnung aufgeführt. Sie sind auf mineralischer Basis (etwa Kupfersalze) oder auf pflanzlicher Basis (wie Nem-Extrakt) hergestellt.
In den landwirtschaftlichen Bildungsprogrammen wie der staatlichen Landwirtschaftsschule oder dem Bildungsprogramm Landwirt (Bila) werden die grundlegenden Inhalte der ökologischen Landwirtschaft vermittelt, wie Christine Reininger informiert. Darüber hinaus werden Spezialseminare zur Vertiefung angeboten.
Konventionell wird ökologischer
Allerdings hat sich auch in der konventionellen Landwirtschaft bereits viel bewegt, in Sachen Umweltschutz und Tierwohl. Daran erinnert Hans Rebelein, Geschäftsführer beim Bayerischen Bauernverband in Coburg. Chemischer Dünger und Pflanzenschutzmittel wurden durch Vorschriften im Einsatz begrenzt, Zeiten, in denen Gülle ausgebracht werden darf (auch für Biobetriebe) immer enger gefasst. Die Anforderungen an Ställe und Platzangebot für Tiere immer höher. Konventionell wird also immer ökologischer. Und nicht nur Hans Rebelein stellt die Frage: "Wie bio sind Lebensmittel, die im Ausland produziert und dann über weite Strecken zu uns gebracht wurden?"
Er verweist auf Umfragen, nach denen Kunden inzwischen mehr Wert auf Regionalität legen als auf ein Bio-Label. Fazit: "Wer beim Einkaufen ein richtig gutes Gewissen haben möchte, der sollte vor allem regional und saisonal kaufen, dann darf es natürlich auch gern auch bio sein."
Bio in der Region
Mit 58 von 716 landwirtschaftlichen Betrieben macht der Anteil der Bio-Höfe in Stadt und Landkreis Coburg rund acht Prozent aus, wie Christine Reininger vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Coburg/Kulmbach mitteilt. Die Biobauern bewirtschaften 3100 Hektar mit im Schnitt 53 Hektar pro Betrieb und damit etwa gleich große Höfe wie ihre konventionell wirtschaftenden Kollegen. Diese arbeiten auf rund 40 000 Hektar bei einer mittleren Betriebsgröße von 56 Hektar.
Zur Tierhaltung informiert Christine Reininger: "Dazu ist es aufgrund der kleinen Anzahl der Betriebe schwierig, Zahlen bereitzustellen. Grundsätzlich gibt es aber in fast jedem Bereich auch Biobetriebe. Bei den Rinderhaltern haben wir insgesamt knapp 170 (167) Betriebe mit einem durchschnittlichen Bestand von 49 Kühen (Milch und oder Mutterkühen), davon sind 16 Biobetriebe mit durchschnittlich 48 Kühen (Milch und Mutterkühen)."
Nicht nur Biobauern arbeiten ökologisch.
Das Amt erinnert daran, dass mehr Fläche des Coburger Landes als die der Biobetriebe ökologisch bewirtschaftet wird: Es gibt nämlich Flächen konventioneller Betriebe, die dort über das Vertragsnaturschutzprogramm auf Düngung und Pflanzenschutz verzichten. Hierbei gibt es Betriebe, die für die Bioförderung im Kulturlandschaftsprogramm oder auch für den Mehrfachantrag zu klein sind und somit in der Statistik für bio nicht mitgezählt werden. Diese Betriebe leisten aber für die Ökologie ebenfalls ihren Beitrag.red
Meine Wahl als Verbraucher: Bio möglichst regional und wenn schon aus konventionellem Abau, dann von möglichst weit her. Da bin ich Egoist. Sollen sie doch in MeVoPo oder Holland ihre Felder mit Glyphosat bewässern und das Grundwasser mit Gülle auffüllen. Außerdem entsteht nur so ein (regionaler) Leidensdruck.