Schulen im Ausnahmezustand

3 Min
Aus Rücksicht auf die Lehrerin tragen die Schüler der 9a auch im Unterricht ihre Masken. Foto: Christiane Lehmann
Aus Rücksicht auf die Lehrerin tragen die Schüler der 9a auch im Unterricht ihre Masken.  Foto: Christiane Lehmann

Nach dem Homeschooling gibt es deutliche Defizite bei einigen Grundschülern. Lehrkräfte sind doppelt belastet - und knapp an der Zahl.

Keine Maskenpflicht während des Unterrichts. So schreibt es das Ministerium. Doch in der Klasse 9a an der Staatlichen Realschule CO II sitzen die Schüler vor ihren Heften oder Laptops - alle mit Mundschutz. Ihre Deutschlehrerin Sabrina Schirmann hat sie darum gebeten. Sie hat Asthma und gehört zur Risikogruppe.

CO II

Alles ist anders in diesen Tagen. Schule ist nicht mehr das, was sie einmal war. Konrektorin Steffi Berg drückt es so aus: "Von heute auf morgen wurden alle - Lehrer, Eltern und Schüler - ins kalte Wasser geworfen. Das Geschrei war groß. Doch als wir schwimmen gelernt hatten, ging's besser." Sie meint damit in erster Linie die Herausforderungen des Homeschooling. Der Umgang mit den digitalen Medien sei auch für die Lehrer, die sich vorher damit nicht anfreunden konnten oder die dachten, sie hätten noch Zeit, jetzt selbstverständlicher geworden. Auch wenn Schulleiter Klaus Reißenweber über die EDV und die Hardware schimpft. Im Alltag sei es das Internet, das nicht überall im Landkreis so funktioniert, dass die Schüler problemlos damit arbeiten könnten. Auch sei klar geworden: Homeschooling nur am Handy geht nicht. Dass Schüler auch "untergetaucht" sind und beim Homeschooling nicht mitgemacht haben, das habe es gegeben. " Da war es eben unsere Aufgabe, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen und nachzuhaken", sagt Steffi Berg.

Pestalozzischule

Die Rektorin der Pestalozzischule, Beate Deuerling, würde bei ihren Grundschülern nicht von "untertauchen" sprechen, aber sie räumt ein, dass das Homeschooling Spuren hinterlassen habe: "Bei einigen Kindern gibt es deutliche Defizite. Wir haben eine Förderlehrerin, die auch schon über 60 Jahre alt ist, aber gerne kommt, und sich mit den Kindern hinsetzt und versucht, sie auf den aktuellen Stand zu bringen."

Beate Deuerling hat als Schulleitung jetzt eine erste Klasse übernommen. Drei Lehrerkräfte nehmen am Präsenzunterricht derzeit nicht teil, da sie Vorerkrankungen haben oder auch über 60 Jahre alt sind und damit zur Risikogruppe gehören. Das Schulamt hat der Pestalozzischule zwei Fachlehrer für die Notfallbetreuung zur Verfügung gestellt. Eine davon ist bereits schon wieder ausgefallen.

Die Organisation der Klassen- und Gruppeneinteilung nimmt derzeit viel Zeit in Kauf. Statt zwei 4. Klassen werden jetzt acht Gruppen parallel oder in Schichten unterrichtet. Da braucht es auch mehr Betreuungspersonal.

Rückertschule

"Kein Lehrer darf jetzt mehr ausfallen", sagt auch der Rektor der Rückertschule, Norbert Trütschel. "Sonst bricht alles zusammen. Lehrermangel trifft auf Coronakrise ", fasst er die Situation zusammen. Zum Glück habe er ein relativ junges Team an Lehrkräften, so dass "wir noch alles stemmen können".

219 von 276 Schülern werden derzeit in der Rückertschule - in Schichten - unterrichtet. Neben dem Unterricht mit maximal 15 Schülern in einem Raum findet parallel das Homeschooling statt. Jede Schule habe ihren eigenen Weg gefunden, damit umzugehen.

Nicht jeder Schüler wurde in den zurückliegenden Wochen auf dem digitalen Weg erreicht. Die Fünftklässler beispielsweise wurden komplett über den Postweg über ihre Aufgaben informiert. "Nicht jeder unserer Schüler verfügt über einen Computer oder Laptop", sagt Trütschel. Für die Lehrer sei diese Zeit eine "Tortur", eine "enorme Mehrbelastung", die sich durch den Präsenzunterricht zusätzlich zum Homeschooling - teilweise bis nach 18 Uhr - ergebe.

Alexandrinum

Das bestätigt auch der Direktor des Alexandrinums, Stephan Feuerpfeil: "Fast alle Lehrer sind im Dienst. Und das ist auch dringend nötig - gerade im Hinblick auf die anstehenden Abiturprüfungen." Wo sonst nur eine Aufsicht notwendig war, seien es jetzt drei, da die Schüler auf drei Räume verteilt sein würden. Im Alexandrinum werden derzeit die drei fünften und drei sechsten Klassen, die 11. und Q 12 beschult - natürlich immer nur in halber Klassenstärke. Die Klassenleiter haben die Klassen zunächst nach pädagogischen Gesichtspunkten geteilt, sagt Feuerpfeil. Im Hinblick auf die Religion und den jeweiligen Sprachzweig musste dann noch nachgebessert werden. "Aber es läuft gut", sagt der Schulleiter. Nach den Pfingstferien kommen dann die Klassen 7 bis 10 dazu.

Das Homeschooling sei mittlerweile optimiert worden. Es seien für jede Jahrgangsstufe Elternbriefe verschickt worden, in denen Minutenangaben für die jeweiligen Aufgaben gemacht wurden. Sollten die Kinder die Zeitangaben nicht einhalten können und länger als 50 Prozent Mehrzeit benötigen, dürfe abgebrochen werden.

Es gibt Videokonferenzen, aber auch Kinder, die sich nicht melden. "Da müssen wir uns kümmern." Es gebe eine enge Zusammenarbeit mit den Elternhäusern, was auch gut sei. Denn so habe man erfahren, dass Kinder teilweise gar keinen Zugang zu einem Computer hatten - entweder, weil gar keiner im Haushalt vorhanden war oder er mit Geschwisterkindern oder den Eltern im Homeoffice geteilt werden musste. Das Alexandrinum konnte in diesen Fällen Unterstützung anbieten: Zehn Leih-Computer wurden kostenlos herausgegeben.