Die Verhandlung am Coburger Landgericht war mit fünf Zeugen am Vormittag eigentlich schnell vorüber. Kurzfristig kam das Gericht am Nachmittag noch einmal zusammen: Die Schwägerin des Opfers hatte Ulrich S. einmal bewaffnet im Keller gesehen.
Der gestrige vierte Verhandlungstag war mit knapp eineinhalb Stunden am Vormittag mit Abstand der kürzeste im "Schützenhaus-Prozess" - am Nachmittag ging er allerdings überraschend in die Verlängerung. Gegen 14 Uhr verschickte das Landgericht eine Pressemitteilung, dass kurzfristig um 16 Uhr die Verhandlung wieder aufgenommen werde. Die Schwägerin des Opfers, die am Vormittag schon ausgesagt hatte, wurde erneut in den Zeugenstand gerufen. Entscheidende neue Erkenntnisse brachte die zweite Aussage allerdings nicht.
Zunächst hatte sich die Erste Große Strafkammer am Montagmorgen mit zwei Anträgen zu befassen, die der Verteidiger von Ulrich S., Hans-Heinrich Eidt, gestellt hatte. Der Angeklagte hat am 6. Oktober 2012 seine Frau Marie mit einem Schrotgewehr erschossen. Mit der Flinte hatte er angeblich im Keller des Alten Schützenhauses Ratten jagen wollen und das nicht zum ersten Mal.
Gutachter Axel Manthei fand im Keller allerdings keinerlei Bleispuren. Diese hätte es aber geben müssen, wenn Ulrich S. dort tatsächlich mit Schrot geschossen hätte.
Am Freitag hatte sein Verteidiger den Antrag gestellt, mittels Schussversuchen im Keller des Alten Schützenhauses zu überprüfen, ob dabei Schmauchspuren an der Decke entstünden. Diesen Antrag zog Eidt gestern wieder zurück, unter anderem, weil die Munition, mit der Ulrich S. seinerzeit geschossen haben will, nicht zur Verfügung steht. Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein bezeichnete die Rücknahme als "weitere Farce". Geschossen wird nun trotzdem in den nächsten Tagen.
Eidt hatte auch schon einen weiteren Antrag vorbereitet: Von Rechtsmediziner Stephan Seidl will er den exakten Einschusswinkel des tödlichen Schusses auf Marie S.
erfahren.
"Alles immer picobello" Perfektionistisch, konsequent, eifersüchtig - so beschrieben Zeugen gestern das Opfer. Eine Kostprobe ihrer Eifersucht will eine ehemalige Nachbarin erhalten haben, die sich bei Biergartenbesuchen im Alten Schützenhaus mit Ulrich S. gelegentlich auch über Privates unterhalten hatte. "Er hat geklagt, dass sein Familienleben den Bach runtergeht, weil seine Frau Karriere machen wollte", erinnert sich die Frau. Die Eifersucht von Marie S. könne sie aber nicht nachvollziehen. "Ich habe wirklich Angst gehabt, dass sie mir etwas antut", sagte sie. "Ich wollte ihr nicht den Mann ausspannen."
Am Tatabend sei sie dem Angeklagten vor dem Alten Schützenhaus sogar noch begegnet: Sie sei dort gegen 22.30 Uhr aus einem Taxi gestiegen, Ulrich S. kam ihr mit dem Hund entgegen. "Wir haben kurz gesprochen.
Seine Frau wollte am Sonntag nach München, er wollte am Montag auch hinfahren."
Streit habe es in der Tat gegeben, aber immer nur um Kleinigkeiten, so berichtete die Schwägerin des Opfers mit Hilfe einer Tschechisch-Dolmetscherin. Sie habe regelmäßig für ihre Verwandte in Coburg gearbeitet. "Mal haben sie gestritten, eine Woche später war Uli wieder der Beste. Sie war eben eine Perfektionistin, wollte zu Hause immer alles picobello haben." Bei einem Telefonat zwei Wochen vor der Tat habe ihr Marie S. noch erzählt, dass die Ex-Frau von Ulrich S. finanzielle Probleme mit ihrer Gaststätte habe. "Marie hatte vor, das Lokal zu übernehmen und ihr Mann und seine Ex-Frau sollten die Arbeit machen.
Sie selbst wollte weiterhin in ihrem Minijob in München arbeiten." Es habe aber auch die Überlegung gegeben, dass Marie S. in München Vollzeit arbeiten könnte und dass Ulrich S. mitkommen sollte.
Ihre Schwägerin: "Das hing eigentlich nur von ihr ab und sie hatte Probleme, sich zu entscheiden. Sie gehörte zu den Menschen, die sich erst auf den letzten Drücker entscheiden."
Der zusätzliche Termin am Nachmittag wurde auf Betreiben von Eidt einberufen: Die Schwägerin hatte nämlich nach der Verhandlung, als sie noch mit dem Anwalt und Ulrich S. zusammenstand, berichtet, dass sie den Angeklagten einmal mit einer Waffe in der Hand an der Garageneinfahrt gesehen habe. Bisher gab es für die Rattenjagd keine Zeugen. Die Zeit drängte, denn die Zeugin reist heute wieder zurück nach Österreich.
Sie habe Ulrich S. einmal mit einer "langen Waffe" unter der Achsel in der Garage stehen sehen. "Er hat gesagt, wegen der Ratten." Ob es sich um die Tatwaffe handelte oder um ein Luftgewehr, konnte die Frau allerdings nicht sagen.
Als es um die einstige Beschaffenheit des Kellerbodens ging, wurde Amend kurz laut.
Schwarz und weich sei er gewesen, kein Beton, so die Zeugin. Dann könne es sich nicht - wie Ulrich S. behauptete - um Pressspan oder Holz gehandelt haben, schimpfte Amend, das sei weder schwarz noch weich. Eidt versuchte, die Wogen wieder zu glätten: "Sie hat gesagt, sie hat nasses Holz gesehen. "
Schwiegermutter umarmt Einen bissigen Kommentar konnte sich Amend eingangs der Nachmittagssitzung nicht verkneifen: "Ich vermisse Ihre Geschiedene", sagte er angesichts des fast leeren Gerichtssaals zum Angeklagten. Auch hier gab Eidt die Antwort: "Ich habe ihr gesagt, sie soll nicht dauernd hier sein, man könnte falsche Schlüsse daraus ziehen."
Nachdenklich stimmte den Richter dagegen eine Szene, die sich am Vormittag im Innenhof des Justizgebäudes abgespielt hatte: Die Mutter von Marie S. war nach Coburg gereist und umarmte minutenlang ihren Schwiegersohn. Amend: "Da macht man sich als Richter schon seine Gedanken. Das ist auf jeden Fall kein Fall mit gewöhnlichen Vorzeichen."
Am 13. August sollen die Plädoyers gesprochen werden.