Durch eine Qualifizierung sollen Arbeitssuchende für die Aufgaben in der Altenpflege fit gemacht werden. Besonders herausfordernd ist der Umgang mit Demenz-Patienten, wie das Rollenspiel zeigt.
Olaf Langbein sucht seine Geldbörse, er wiederholt es immer wieder: "Schwester, wo ist mein Geldbeutel." Die Pflegerin will ihn zärtlich am Arm anfassen und redet auf ihn ein, aber Langbein ist nicht zu beruhigen und wird aggressiv. Er hat sich aus einem unbekannten Grund auf die Suche nach seinem Geldbeutel versteift. Langbein hat Demenz.
Dozentin Loretta Steinhäuser unterbricht das Szenario, bei dem es sich um ein Rollenspiel handelt. Der 34-jährige Langbein ist gesund und spielt lediglich einen Demenz-Patienten. Er soll so lernen, welche Verhaltensweisen, Tricks und Kniffe im späteren Umgang mit Senioren, die von dieser Krankheit betroffen sind, wichtig sind.
Gemeinsam mit 14 weiteren Männern und Frauen aus Stadt und Landkreis macht Langbein eine Qualifizierung zum Pflege- und Betreuungsassistenten, welche die Agentur für Arbeit gemeinsam mit dem BRK anbietet.
Der Besuch im Awo-Seniorenzentrum in Neustadt ist eine Ausnahme, normalerweise findet der Unterricht in Coburg statt. Heute steht der Umgang mit Demenz-Patienten auf dem Stundenplan. Sechs Schüler spielen einen Erkrankten und jeweils ein anderer den Betreuer.
"Was können wir machen", fragt Steinhäuser und wartet auf Vorschläge zur Geldbeutel-Suche von Olaf Langbein. Jetzt übernimmt sie selbst die Rolle der Betreuungskraft. Ihre Idee: Mit dem fiktiven Senior gemeinsam suchen. "Die innere Haltung muss echt sein. Demenz ist eine Krankheit, die man ehren muss. Wir dürfen die Leute nicht verarschen", betont Steinhäuser. Die 45-jährige Dozentin vom Bayerischen Roten Kreuz strahlt Kraft und Dynamik aus. Mit viel Engagement und Humor nimmt sie die zukünftigen Pflege- und Betreuungshelfer mit.
Dass kommt an, die Stimmung ist trotz der ernsten Thematik locker, es wird viel gelacht.
"Das A und O ist es, die Biografie des Patienten zu kennen. Alles, was Menschen in ihrem Leben nicht verarbeitet haben, kommt stark in der Demenz zum Tragen", erklärt Steinhäuser. Sie kennt viele Beispiele, bei denen der Beruf oder Erlebnisse aus dem Leben, bestimmte Zwänge oder Handlungen von Erkrankten erklären können. "Das Signal muss immer sein, wir wollen nix böses. Kreativität ist im Umgang mit Demenz-Patienten sehr wichtig", betont die Dozentin.
Als nächstes übernimmt die Landtagsabgeordnete Susann Biedefeld (SPD) die Rolle einer Seniorin, die unbedingt nach Hause gehen möchte, obwohl sie in einer Pflegeeinrichtung arbeitet.
Der Politikerin liegt - nach eigener Aussage - das Thema am Herzen.
Sie ist gekommen, um "sich die Ausbildung anzuschauen", auch weil ihr eigener Vater am Alzheimer (eine Form der Demenz) litt. Steinhäuser unterbricht die Übung: "Cut, du baust Spannung auf. Wir wollen nix böses."
Nach dem Rollenspielen geht die Gruppe noch zur Sturzprophylaxe. Dort machen rund 10 Senioren sportliche Übungen im Sitzen. Die Qualifizierungsteilnehmer machen mit.
Nach dem Mittagessen geht der Unterricht weiter. Fachkräfte, die mit Demenz-Kranken umgehen können sind gefragt und der Bedarf wird in Zukunft noch wachsen. "Laut dem neuen Betreuungsschlüssel sind Einrichtungen verpflichtet pro 24 Bewohner eine Betreuungskraft zu beschäftigen", erklärt die Einrichtungsleiterin des Awo-Seniorenheimes Neustadt, Margit Welscher.
Und die sollen dann auch die Zeit haben, sich mit den von Demenz betroffenen Patienten zu beschäftigen.
"Ich sage meinen Schülern immer, dass sie sich nicht für zu viel Pflegetätigkeiten einspannen lassen sollen, Kooperation zwischen Betreuern und Pflegern ist wichtig, aber ihre Aufgabe ist eine andere", betont Steinhäuser.
Denn die Zeit in der Betreuung und Pflege von Senioren ist sowieso schon knapp und Demenz-Patienten auf Augenhöhe zu begegnen und sie mitzunehmen, wie es Dozentin Loretta Steinhäuser ihren Schülern vermittelt, kostet neben Geduld, vor allem Zeit.
Hintergrund zur QualifizierungMaßnahme Die Qualifizierung teilt sich in die Bereiche Pflege und Betreuung auf. Der Bereich Pflege umfasst 345 Theorie- und 180 Praxisstunden. Im Bereich Betreuung, zu dem auch der Umgang mit Demenz-Patienten geübt wird, umfasst 160 Theorie- und 77 Praxisstunden. In beiden Teilen müssen die Teilnehmer eine theoretische und praktische Prüfung ablegen und erhalten vom BRK eine Anerkennung. Laut Andreas Förster von der VHS-Coburg ist die Vermittlungsqoute mit 85 Prozent sehr gut.