Pflegende Angehörige treffen sich in Coburg

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Eine spirituelle Mutmachgeschichte hat Pflegefachkraft Elena Präcklein (zweite von links) den Kursteilnehmerinnen und der verantwortlichen Pflegedienstleitung Carolin Becker (rechts) mitgebracht. Rosi Senger (ganz links) und Natalie Heckel nehmen die gerollten Papierbögen schon einmal stellvertretend in Empfang. Foto: Katja Nauer
Eine spirituelle Mutmachgeschichte hat Pflegefachkraft Elena Präcklein (zweite von links) den Kursteilnehmerinnen und der verantwortlichen Pflegedienstleitung Carolin Becker (rechts) mitgebracht. Rosi Senger (ganz links) und Natalie Heckel nehmen die gerollten Papierbögen schon einmal stellvertretend in Empfang. Foto: Katja Nauer

Die körperliche und psychische Belastung für pflegende Angehörige ist immens. Rat und Hilfe bieten spezielle Kurse.

"Wenn man richtige Intensivpflege macht, kann man eigentlich nicht mehr arbeiten", sagt eine Frau aus Untersiemau. Erst habe sich ihr Vater um ihre pflegebedürftige Mutter gekümmert. Als dieser an Krebs erkrankte und das nicht mehr konnte, habe sie die Pflege von Vater und Mutter übernommen. Ihr Vater sei mittlerweile verstorben, erzählt sie, und sie habe ihre Arbeit aufgeben müssen.

Einigen Teilnehmerinnen am Kurs für häusliche Pflege bei der Caritas in Coburg geht es ähnlich. "Ich arbeite jetzt auch weniger Stunden", erzählt eine weitere Frau. Seit sechs Jahren pflegt sie ihre 95-jährige Mutter, die im Rollstuhl sitzt, und zieht zudem noch ein Enkelkind groß. Ihre Arbeit hat sie auf 30 Wochenstunden reduziert. "Man selbst kommt erst ganz zum Schluss dran", sagt sie. "Auch die Geschwister helfen mit und mein Mann. Die ganze Familie muss mit anpacken." Die Belastung sei enorm: "Man kann nicht mehr als drei, vier Stunden abwesend sein." Als sie die Pflege übernahm, habe sie gedacht, es sei einfach, zu pflegen. So denkt sie mittlerweile nicht mehr: "Man kann es kaum allein schaffen."


"Fast ein 24-Stunden-Job"

Viele der zwölf anwesenden Frauen im Alter zwischen 42 und 73 Jahren nicken bestätigend. "Pflege ist fast ein 24-Stunden-Job", sagt die Untersiemauerin, "und eine enorme psychische Belastung." Eine weitere Frau, die sich um ihren Mann kümmert, der als Dialysepatient auf den Rollator angewiesen ist, sagt: "Ich war anfangs so überfordert von der Pflege, weil ich überhaupt nichts wusste."

Rat und Hilfe bekommen pflegende Angehörige bei den großen Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas. Der Kurs findet zweimal im Jahr statt und behandelt alle wichtigen Aspekte rund um die häusliche Pflege. Pflegeberaterin Sabrina Wilk und weitere Fachleute behandeln Themen wie Krankenbeobachtung, Verhinderung von Folgeerkrankungen wie Thrombosen, erklären den richtigen Umgang mit Medikamenten, referieren über gesunde Ernährung und die Mobilisierung von Pflegebedürftigen. Es geht um die richtige Ausstattung des Zimmers, ganzheitliche und individuelle Körperpflege und neben der Theorie auch um praktische Übungen.


Etwas über Hilfsangebote erfahren

"Vor allem aber erfahren die Teilnehmer auch, wo sie sich Hilfe holen können. Was steht mir zu? Welche Hilfsmittel gibt es?", sagt die verantwortliche Pflegedienstleiterin, Carolin Becker. Auch der rechtliche Aspekt der Pflege, das neue Pflegestärkungsgesetz II, das seit dem 1. Januar 2017 in Kraft ist, wird behandelt. "Dieses Gesetz stärkt die Häuslichkeit, so dass der Pflegebedürftige so lange wie möglich zu Hause bleiben kann." In der Regel trägt die Krankenkasse die Kurskosten, so Becker. Doch das ist von Fall zu Fall verschieden, wie sich herausstellt. Bei einer Teilnehmerin übernimmt die Kasse lediglich einen Teil der Kosten, bei einem Schwesternpaar, das sich die Pflege teilt, erhält nur eine von ihnen die Teilnahme bezahlt.

"Der Austausch der Kursmitglieder untereinander ist sehr, sehr wichtig", meint Carolin Becker, "und da fließen auch mal Tränen." Die Teilnehmerinnen schildern ebenfalls, wie gut es ihnen getan hat, miteinander über das Thema zu reden. "Wer nicht selber pflegt, versteht das nicht", sagt eine. Jetzt freue sie sich, dass sie mit Gleichgesinnten über Probleme diskutieren kann. "Alleine kommt man wirklich an seine Grenzen."

"Viele schwer Kranke möchten daheim gepflegt werden", beobachtet Pflegefachkraft Elena Präcklein. Als ambulante Pflegerin ist sie jeden Tag bei Pflegebedürftigen zu Hause. Außerdem ist sie Palliativ-Care-Fachkraft und begleitet Patienten mit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen bis zum Lebensende. "Da geht es immer auch um Lebensqualität", sagt sie, "im Mittelpunkt steht der Patient und seine Bedürfnisse."


Enge Zusammenarbeit

Der Kurs behandelt auch den Baustein Palliativpflege. Elena Präcklein erläutert dabei die enge Zusammenarbeit zwischen Angehörigen, dem Hospiz und dem SAPV, einem speziellen Team im Klinikum Coburg, das als medizinischer Partner für ambulante Patienten und ihre Angehörigen fungiert. Das Netzwerk ist in der Lage schwerstkranke Patienten im häuslichen Umfeld bis zu ihrem Lebensende zu versorgen. "Da geht es auch um Seelsorge und Schmerztherapie", erklärt Präcklein. Für die Teilnehmerinnen des Kurses, die im Kreis sitzen, hat sie in der Mitte Blumen und Kerzen platziert. In einem Korb warten zwölf gerollte und mit Schleifen versehende farbige Papierbögen darauf, an die Frauen verteilt zu werden. Elena Präcklein hat auf das Papier eine Geschichte geschrieben, die motivieren soll und auch etwas spirituell ist. "Palliativpflege ist etwas sehr Emotionales", sagt sie, "früher war das ein Tabuthema, jetzt kann man darüber reden."

"Die Nachfrage nach den Kursen ist hoch", sagt Pflegedienstleitung Carolin Becker. "Diesen Herbst werden wir noch einen dritten Kurs anbieten." Die Menschen wünschten sich eine intensive Beratung. Deshalb biete die Caritas auch individuelle Schulungen für die häusliche Pflege an. "Wenn Angehörige mit pflegen wollen, brauchen sie Unterstützung", sagt Becker, die das Erstgespräch mit der Familie führt. "Diese Schulung wird dann speziell auf den Patienten und seine Bedürfnisse zugeschnitten."

Die Untersiemauerin ist froh, dass sie den Kurs besucht hat. Erst durch die Palliativärzte, die ihren Vater bis zu seinem Tod betreuten, sei sie darauf aufmerksam gemacht worden, dass es so ein Angebot gibt. "Wenn ich den Kurs eher belegt hätte, hätte ich vieles anders machen können", sagt sie. "Jetzt setze ich das Gelernte bei meiner Mutter um."