Orientierungslos auf dem Weg zu den Sternen

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Isa (Eva Marianne Berger) begegnet dem taubstummen Jungen (Oliver Baesler). Foto: Henning Rosenbusch
Isa (Eva Marianne Berger) begegnet dem taubstummen Jungen (Oliver Baesler). Foto: Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

"Bilder deiner großen Liebe", Wolfgang Herrndorfers unvollendeter Roman, kam als Bühnenstück in der Coburger Reithalle heraus.

Der Weg zu sich selbst - oder endgültig fort von sich selbst. Dieses "Selbst", das in unserer Welt konstruiert wird auf dem Weg ins sogenannte Erwachsensein. Wenn es sich nicht einpasst in die vorgegebenen Verhaltensmuster, dann gilt es als verrückt.

Wolfgang Herrndorfs Roman "Bilder deiner großen Liebe" fasst diesen Findungsprozess als eine Art Roadmovie, die Wanderschaft der etwa 14-jährigen, doch weit reiferen Isa unter die Sterne. Ausgebüxt aus der Psychiatrie, auf der Straße, im Wald, über die Felder jagend, erlebt sie Inneres und Äußeres, Gedanken, Erinnerungen an den plötzlichen Tod des Vaters, Körperliches und die Sehnsucht der Seele nach den Sternen, dem anderen.
Poetische Sentenzen und Vorstellungen, denen Gastregisseur Michael Lippold in der Reithallen-Produktion sensibel und stimmungsvoll folgt, in den Projektionen von Himmel, Wolken und Weite, von Wasser und wogendem Gras auf den gerissenen, die Projektionen spiegelnden weißen Platten, die Udo Herbster und Lippold als assoziationsreiches Sinnbild einer zerborstenen Welt hingeworfen haben.


Unbestimmt

Eva Marianne Berger ist die durchaus anrührende, jung-alte Isa, die im Pinguinkostüm lostappt und bis zum Abgrund zieht. Oliver Baesler mimt vielseitig und witzig alles Lebendige um Isa herum, von den beängstigenden Waldgeräuschen bis zu den Gestalten, denen sie begegnet.

Aber: Robert Koalls Bühnenfassung des viel gelobten, unvollendeten Romans - der an einem Hirntumor erkrankte Herrndorf nahm sich im August 2013 das Leben - hat (noch) nicht die für die Bühne notwendige Konzentration gefunden, zieht sich zu lang, um dann unbestimmt zu enden.

Im Gegensatz zu Herrndorfs Erfolgsstück "Tschick", in dem Isa auch schon aufgetaucht war und das ab 15. November wieder auf dem Reithallen-Programm steht, spricht "Bilder deiner großen Liebe" nicht zu Jugendlichen; es ist zwar treffend sehnsuchtsvoll, aber orientierungslos.

Und für diejenigen, die ihr "Selbst" in dieser Welt mehr oder weniger konform gefunden haben, braucht es die Bühne nicht. Da greifen wir doch tatsächlich lieber zu Büchners "Lenz", wie das Programmblatt ja auch richtig zitiert.

Landestheater Coburg Bilder deiner großen Liebe. Schauspiel nach dem unvollendeten Roman von Wolfgang Herrndorf. Inszenierung Michael Lippold, Bühnenbild und Kostüme Udo Herbster. Dramaturgie: Carola von Gradulewski, Darsteller: Eva Marianne Berger und Oliver Baesler

Weitere Termine: 18., 19., 29. Oktober, 20 Uhr, in der Reithalle. Double-Feature "Tschick"/ "Bilder deiner großen Liebe" am 10. und 11. Dezember, jeweils 18 Uhr.

Wolfgang Herrndorf (1965 bis 2013) studierte an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und arbeitete als Illustrator und Autor für namhafte Magazine. 2002 erschien sein Debütroman "In Plüschgewittern". Seinen größten schriftstellerischen Erfolg hatte er 2010 mit der Veröffentlichung von "Tschick". Er bediente sich bis zu seinem Tod auch intensiv des Internets als Schreibplattform. Der unvollendete Roman "Bilder deiner großen Liebe" erschien auf Wunsch von Herrndorf posthum bei Rowohlt in Buchform. Herrndorf tötete sich am 26. August 2013 in Berlin selbst.